Daniel Schmuck
Leben und Arbeiten im Wüstenhochland von New Mexico
Daniel Schmuck hat Europastudien und Sozialwissenschaften an der Universität Siegen studiert. Heute lebt er in New Mexico, USA und arbeitet dort bei der Organisation Albuquerque Regional Economic Alliance (AREA). Er unterstützt die Region und gewinnt Firmen dafür, New Mexico für ihren Standort zu wählen. Auch außerhalb von wirtschaftlichen Perspektiven bietet die Stadt Albuquerque eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Ein internationaler Werdegang mit Start im Siegerland
Schmuck kommt ursprünglich aus
Netphen. Daher schien es selbstverständlich zu sein, dass die
Universität Siegen alleine schon aus einem regionalen Aspekt
zum Studieren einlud. Doch die kleine Universität bot noch
viele weitere Vorteile. Sie half Schmuck besonders dabei,
Interessen auszubilden, welche ihm auch noch heute täglich
begegnen. Sei es seine Unterstützung bei Study & Consult,
der studentischen Unternehmensberatung der Uni Siegen oder aber
auch die Vermittlung an eine Firma, welche sich mit
strategischer Kommunikation auseinandersetzt, bei der Schmuck
einem Aushilfsjob neben dem Studium nachging.
Die Uni Siegen zeichnete sich für ihn auch durch große
internationale Möglichkeiten aus. Neben der Teilnahme an der
MUN Konferenz in New York entschied sich Schmuck im Kontext des
Erasmusprogramms für zwei Semester in Warschau zu studieren:
„Im zweiten Jahr in der Uni Siegen bin ich nach Polen gegangen
und habe am Collegium Citivas studiert. Ich hatte ein großes
Interesse an anderen Ländern und da meine Familie ursprünglich
aus Polen kommt, habe ich zusätzlich noch eine besondere
Verbindung zu Polen. Neben den zwei Semestern habe ich auch ein
Praktikum bei einem Public Policy Think Tank absolviert. Ich
arbeitete an einem Projekt, welches die Attraktivität für
Start-Ups in Warschau untersucht hat. Hier konnte ich mich das
erste Mal mit der Thematik des Economic Development
beschäftigen.“
Nachdem Daniel Schmuck seinen Bachelor mit einer
Abschlussarbeit zum Vergleich der politischen Kommunikation in
Deutschland und den USA abschloss, absolvierte er einen
Masterstudiengang an der Uni Bonn. An diesem Punkt seines
Werdegangs fing die Beziehung zu New Mexico an, konkret zu
werden. Im Rahmen eines Partnerschaftsprogramms zwischen der
Universität Bonn und der University of New Mexico kam Schmuck
dann nach New Mexico, genauer gesagt nach Albuquerque. In
seiner Zeit als Student in New Mexico half Daniel Schmuck auch
bei einem Unternehmen, welches Wahlkampfberatung anbietet. Zu
Zeiten der Midterms bekam Schmuck somit noch weitere prägende
Einblicke in die US-amerikanische Politik.
Durch ein zusätzliches Fulbright-Stipendium lernte Schmuck auch seine Ehefrau kennen, welche kurz zuvor als Fulbright Teaching Assistent in Weimar gearbeitet hatte und gebürtig aus New Mexico stammt. Mit einer kurzen Rückreise nach Deutschland ging Schmuck wieder nach Albuquerque und begann im Frühjahr 2021 hier seine heutige berufliche Karriere.
Albuquerque - zwischen Breaking Bad und innovativer Forschung
Die non-profit Organisation, für
die Schmuck tätig ist, beschäftigt sich mit der
Wirtschaftsentwicklung des Bundesstaates New Mexico und
besonders mit der Stadt Albuquerque, welche heute auch zu
Schmucks Heimatstadt geworden ist. Es wird ermittelt, für
welche Firmen dieser Standort interessant ist und ebenso auch
wie die Region noch interessanter für Firmen gestaltet werden
kann. Große Firmen engagieren hierfür spezielle
Standortberaterinnen und Standortberater, welche dann mit
Schmuck in Kontakt treten. Besonders für die Bereiche der Luft
und Raumfahrt, Halbleiterproduktion bzw. Computerchips,
Pharmazeutik und Medizin wie auch erneuerbare Energien bietet
der Standort viele Vorteile.
Auch die Filmindustrie hat New Mexico für sich gefunden. So
wurde beispielsweise die bekannte Serie Breaking Bad in
Albuquerque produziert und gedreht und auch Netflix hat in der
Stadt ein Netzwerk aufgebaut, welches viele Arbeitsplätze in
der Region ermöglicht. Grund hierfür sind unter anderem die
gebotenen Filmkredite oder das zeitweilige Erlassen von
Steuern, um die Filmindustrie für den Standort zu gewinnen. Ein
weiterer großer Global Player der Region ist der
Computerchiphersteller Intel, welcher 2000 Arbeitsplätze
geschaffen hat und 3,5 Mrd. Dollar in den Standort investiert
hat.
Doch wie kann konkret gesichert werden, dass die
Attraktivität des Standorts wächst? Schmuck erklärt, dass
einerseits Firmen mit ihren Projektvorschlägen auf die
Albuquerque Regional Economic Alliance zukommen, wenn diese New
Mexico als möglichen Standort für ihre Firma in Erwägung
ziehen. Viele Faktoren werden daraufhin geprüft: Bietet die
Region genug Menschen, welche in diesen Bereichen arbeiten
können? Können bereits bestehende Fabrikgebäude genutzt werden
oder können leere Flächen neu bebaut werden? Ebenso muss
ermittelt werden, ob es die Möglichkeit von finanziellen
Fördermitteln gibt und ob der erforderte Wasser und Strombedarf
gedeckt werden kann. Auch eine gute Kommunikation mit
Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern der Region
ist für Unternehmen wichtig. Der kleine Bundesstaat bietet hier
enorme Vorteile: „Beispielsweise ist die Wirtschaftsministerin
nur zwei Telefonanrufe entfernt. Die Strukturen in New Mexico
sind einfach konzentrierter und fast alle Institutionen sind in
der Region Albuquerque zentriert.“ Hinzu kommt, dass die
Bundesstaaten in den USA sehr frei in ihren Entscheidungen
sind. Jedoch ist ebenso möglich, auf viele regionale und
nationale Förderprogramme, insbesondere im Bereich der
Infrastruktur zurückzugreifen.
Ein anderer großer Faktor von Schmucks Arbeit ist die
Verbesserung der Region für Firmen als auch für die Bewohner
von New Mexico. In diesem Kontext finden beispielsweise
Datenanalysen statt. Diese betreffen dann unter anderem
Wirtschaftsdaten und demographische Daten: Wie ist das
Durchschnittseinkommen der Bevölkerung, wie viele Menschen
sprechen mehrere Sprachen, wie viele Menschen haben Zugang zu
einer Krankenversicherung. Zum Beispiel weist New Mexico noch
eine hohe Kinderarmut auf.
Schmuck und seine Kolleginnen und Kollegen erstellen dazu
beispielsweise auch ein Economic Dashboard, indem insgesamt 50
Indikatoren aus neun Hauptbereichen ausgewertet werden. Diese
helfen dabei, die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität der
Infrastruktur von Albuquerque mit anderen Standorten optimal
vergleichen zu können. Insgesamt lassen sich neun andere
Metropolen als direkte Wettbewerber ansehen: „Viele verlassen
die Westküste, da die Lebenserhaltungskosten enorm gestiegen
sind. Diese Firmen versuchen wir nun für uns zu gewinnen.“
Eine Stadt der Vielfalt, die zum Staunen einlädt: Skifahren und Flamenco
Auch außerhalb von
wirtschaftlichen Faktoren schafft es Schmuck, leicht von der
Attraktivität der Stadt Albuquerque zu überzeugen. Seine
Wahlheimat zeichnet sich durch Vielfalt auf den verschiedensten
Ebenen aus.
Die größte Stadt New Mexicos, die ungefähr eine halbe Millionen
Einwohner zählt, beherbergt zwei Klimaextreme: Von Schmucks
Fenster aus erstreckt sich über mehrere Kilometer das Panorama
des Wüstenhochlands von New Mexico. Bei gutem Wetter ist sogar
die Hauptstadt New Mexico, Santa Fe mit bloßem Auge zu
erkennen. Diese ist über eine Stunde Autofahrt entfernt. Der
Ausblick wird noch vom Mountain Side von Santa Fe
unterstrichen, aber auch Albuquerque selbst kann neben der
unglaublich weiten Landschaft mit Bergen glänzen. Der Rio
Grande und das dazu gehörige Erholungsgebiet perfektionieren
die besondere Landschaft. Schmuck schätzt die breiten
Möglichkeiten an Outdoormöglichkeiten sehr: Ski-Fahren, Wandern
in den Wäldern oder Entspannen in der Sonne schließt sich in
New Mexico nicht aus.
Doch auch kulturell lebt New Mexico von seiner
Vielseitigkeit. Schmuck sagt hierzu: „ New Mexico hat eine sehr
alte Geschichte. Die aller ersten Kolonien der USA waren die
spanischen Kolonien in New Mexico. Dies lässt sich auch heute
noch an vielen Stellen erfahren. In Santa Fe steht
beispielsweise ein sehr altes Kirchengebäude. Der europäische
und insbesondere auch spanische Einfluss ist bis heute sehr
präsent. Viele Menschen, die in New Mexico wohnen, sind
spanischer Abstammung und teilen stolz ihre Wurzeln und
Traditionen. Dies gilt besonders für den Norden. Der Süden ist
hingegen stark mexikanisch geprägt. Mit insgesamt 23 indigenen Stämmen, den 19 Pueblo und 3 Apachen-Völkern, gehören die Taos Pueblo und Acoma Pueblo zu den ältesten indigen Siedlungen in Nordamerika und werden schon seit über 1000 Jahren durchgehend besiedelt.“
Die vielen verschiedenen Kulturen und Traditionen prägen das
bunte Bild des Bundesstaates: In Albuquerque kann das nationale
Institut für Flamenco besucht werden und Santa Fe beherbergt
einen der größten Kunstmärkte der USA.
New Mexico und Deutschland
Da Schmucks Studium an der Universität Siegen einen Fokus auf die europäische Entwicklung gelegt hat, sind ihm die Unterschiede sehr präsent. Viele Umstände in der Umgebung von New Mexico sind anders als die europäischen Gegebenheiten. So zeichnen sich viele US-amerikanische Städte dadurch aus, dass beispielsweise die verschiedenen Lebensräume stark voneinander getrennt sind. Wo in vielen deutschen Städten Wohnungen, Gewerbe und Läden in den Innenstädten an einem Ort zu finden sind, sind diese Bereiche in den USA häufig stark voneinander getrennt.
In Albuquerque wird sich darum bemüht, dass auch hier die
Lebensbereiche lokal näher beieinanderliegen: „Wenn die
Menschen in Downtown arbeiten und nach ihrer Arbeit den Ort
wieder verlassen, dann ist dieser abends und nachts fast
vollständig leer. Indem nach und nach einzelne Blocks renoviert
werden und die Innenstädte für viele Aktivitäten interessanter
werden, wird auch die gesamte Stadt mit der Zeit einladender.
Der Vorteil hierbei ist, dass die Städte der USA nicht
organisch gewachsen sind, sondern in Blocks geschaffen wurden.“
Im Bezug auf Deutschland erkennt Schmuck auch eine weitere
Besonderheit. Immer mehr deutsche bzw. Firmen aus dem
deutschsprachigen Raum entscheiden sich für die Region New
Mexico. Schmuck sieht als Ursachen besonders die steigenden
Energiekosten und die Möglichkeit, in New Mexico schnellere
Genehmigungen als in Deutschland zu bekommen. Somit bietet die
Region auch für viele europäische Firmen gute Gründe, um sie
als Standort zu wählen.
Auf Arbeitnehmerebene bieten die USA neben vielen Chancen
auch einige Herausforderungen, besonders wenn einem das
deutsche System bekannt ist. Die meisten Menschen in den USA
haben nur wenige Urlaubstage. Schmuck erzählt, dass die zwei
Wochen Urlaub, die ihm zustehen, es erschweren, öfters
Deutschland zu besuchen. Weitere Urlaubstage werden nicht
bezahlt und sind regionale und nationale auch nicht gerne
gesehen. Ebenso bietet nicht alle Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber den Angestellten eine Gesundheitsversicherung oder
eine ausgiebige Elternzeit in den USA. Doch auch diese Aspekte
beschäftigen Schmuck in seiner Arbeit und es wird überlegt, wie
die genannten Faktoren für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer der Region attraktiver gestaltet werden können.
Daniel Schmuck hat in New Mexico und der abwechslungsreichen Stadt Albuquerque seine Heimat gefunden: „Die Outdoormöglichkeiten sowie historisch und kulturell gefällt mir New Mexico sehr gut. Es ist schade, dass der Bundesstaat häufig untergeht, wenn vom Südwesten der USA gesprochen wird. New Mexico ist eigentlich das Zentrum des Südwestens. Doch sogar einige US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner wissen nicht, dass New Mexico ein Bundesstaat ist.“ Doch auch mit seiner Heimat und der Universität Siegen fühlt sich Schmuck trotz großer Entfernung stets verbunden. Wo der Grundstein seiner internationalen Karriere gelegt wurde, möchte Schmuck nun auch selbst als Alumnus etwas zurück geben.
Dieses Porträt basiert auf einem Interview mit Daniel Schmuck, geführt und verfasst von Antonia Blumberg.