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Mathematiker forschen zum Klimawandel

Geomathematiker Prof. Dr. Volker Michel und sein Team arbeiten an einem Algorithmus, mit dem man die Beziehung zwischen geschmolzenem Eis und Messdaten aus dem Orbit besser berechnen kann.

Der Klimawandel ist in aller Munde. Während die einen über geeignete Maßnahmen diskutieren, streiten andere über Kosten und Zumutbarkeit. Und noch ganz andere melden mit teils schrägen Argumenten Zweifel am Klimawandel selbst an. Dabei ist die Verstärkung des Treibhauseffekts längst Realität geworden. Doch woher wissen wir eigentlich, dass es eine globale Erwärmung gibt?

Es gibt eine ganze Reihe von Antworten. Daten und Untersuchungen bestätigen die These vom menschengemachten Klimawandel: von Hunderttausende von Jahren alten Gasblasen in Bohrkernen des ewigen Eises bis hin zur technischen Überwachung der Veränderungen unseres Planeten.

Daten und Zahlen sind die Basis aller Betrachtungen und Modelle. Die Arbeitsgruppe Geomathematik der Universität Siegen, unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Michel, erforscht, wie man mit Datenmengen umgehen kann, um noch präzisere Aussagen über die Folgen des Klimawandels treffen zu können. Sein Team muss dabei auf Know-how aus unterschiedlichen Bereichen der Mathematik zurückgreifen und setzt für die Experimente mit den neuen Lösungsverfahren auch den Hochleistungsrechner OMNI der Universität ein.

Die Daten, mit denen wir arbeiten, stammen von der deutsch-amerikanischen Satellitenmission namens GRACE, also Gravity Recovery and Climate Experiment“, erklärt Prof. Michel. „Seit etwa zwanzig Jahren beobachtet man hiermit, wie sich die Schwerkraft der Erde verändert.“ Aber was hat dies mit dem Klimawandel zu tun? „Das Gravitationsfeld unseres Planeten wird von dessen Masse verursacht, doch diese Masse ist nicht gleichmäßig verteilt und jene Verteilung verändert sich“, so der Geomathematiker. „Wenn Gletscher beispielsweise über Grönland schmelzen, dann gehen dort Wassermassen verloren, die sich in den Atlantischen Ozean mischen.“ Tatsächlich kann man messen, dass sich die Umlaufbahnen der GRACE-Satelliten im Laufe der zwanzig Jahre über Grönland verändert haben. Die Insel zieht die Trabanten offenbar mit immer weniger Masse an. Man geht davon aus, dass Grönland pro Jahr mehr als 200 Milliarden Tonnen Eis verliert.

Doch von der Ermittlung der Bahn dieser Satelliten bis zur Berechnung des Verlustes der Eismassen ist es ein weiter und höchst komplizierter Weg. Innerhalb nur eines Monats erhält man etwa eine halbe Million Messdaten an verschiedenen Punkten der Orbits. Eine, noch auf Newton zurückgehende mathematische Gleichung liefert die Beziehung zwischen geschmolzenem Eis und Messdaten im Orbit. Michels Arbeitsgruppe erforscht, wie man diese Gleichung in Anbetracht solcher Datenmengen noch besser lösen kann.

Ein Vorteil der Mathematik ist, dass Probleme von einem abstrakten Standpunkt aus betrachtet werden. So hat Volker Michel schon vor Jahren entdeckt, dass seine Forschung eng verwandt ist mit Fragestellungen, die in der Hirnforschung auftreten. Alle Vorgänge im Gehirn gehen mit elektrischem Strom durch die zerebralen Neuronen einher. Dieser Strom erzeugt ein elektrisches und ein magnetisches Feld, welche man messen kann.

Die mathematische Herausforderung ist nun, aus diesen Messungen zu bestimmen, wo gerade innerhalb des Gehirns Strom fließt, wo also Neuronen aktiv sind. Für die Hirnforschung ist dies ein wichtiges Hilfsmittel, weil man so herausfinden kann, wie unser Gehirn funktioniert. Dies klingt zunächst nach einem ganz anderen Problem als die Erforschung des Klimawandels. Doch wenn man tief in die Theorie der beiden Themen hineinblickt, erkennt man sehr ähnliche mathematische Strukturen, und das war eine wertvolle Erkenntnis.

In enger Zusammenarbeit mit dem Mathematiker und Mediziner Professor Athanassios S. Fokas von der Universität Cambridge und dem Physiker Dr. Olaf Hauk am Hirnforschungszentrum in Cambridge konnten so neue Erkenntnisse sowohl über die Berechnung der Eisschmelze gewonnen werden als auch über die Ermittlung neuronaler Ströme im menschlichen Gehirn.

Dies ist nur ein Beispiel von mehreren, warum der mathematische Blick über den Tellerrand Forschung vorantreiben kann. So arbeiten die Siegener Geomathematikerinnen und Geomathematiker auch an einem verwandten Problem in der Erdbebenforschung. Denn dort versucht man unter anderem, aus seismischen Daten mehr über verborgene Strukturen im Erdinneren zu lernen – eine Erkenntnis, die essentiell ist, um mehr über Vorgänge im komplexen System Erde zu erfahren, beispielsweise über Vulkanismus und die tektonische Plattenverschiebung. Diese Siegener Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mehrfach gefördert.

Dabei ist die interdisziplinäre Forschung mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Einerseits ist die angesammelte Kompetenz der Gruppe entscheidend, um die Probleme mathematisch korrekt anzugehen. So steht die Theorie-Arbeit zunächst immer im Vordergrund, aber andererseits darf es dabei nicht bleiben. „Es ist viel leichter, im Elfenbeinturm ein erfundenes Rätsel zu lösen, als sich mit konkreten Datensituationen zu einem realen Problem auseinandersetzen zu müssen, da kann man nicht einfach mal Fünfe gerade sein lassen“, betont AG-Leiter Michel schmunzelnd. „Aber gerade das motiviert uns, weil wir wissen, dass wir an wichtigen Themen aus der Praxis arbeiten.“

In den bisherigen Projekten, aus denen mehrere Doktorarbeiten und andere Publikationen entstanden sind, konnten bereits erste Erfolge mit einem neuen Lösungsverfahren erzielt werden. Ein Ziel der neuen Methode sollte es sein, dass man bisher konkurrierende Ansätze miteinander vereinen kann, um sich so das Beste aus den verschiedenen „Welten“ herauszupicken. In der Tat ist dies gelungen und der Algorithmus konnte von seiner anfänglich experimentellen Form nicht nur auf eine solide theoretische Grundlage gestellt werden, die klar nachprüfbare Bedingungen für seine Anwendbarkeit liefert. Es gelang auch, das Verfahren in mehreren Aspekten so weiterzuentwickeln, dass es deutlich schneller wurde und nun größere Datenmengen verarbeiten kann.

Michel Klimawandel

Geomathematiker Prof. Dr. Volker Michel nutzt die Daten der Satellitenmission GRACE für seine Berechnungen zum Klimawandel.

 
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