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„Der Weg der Emanzipation ist noch nicht abgeschlossen“

Historikerin Dr. Kerstin Wolff hat anlässlich 100 Jahre Frauenwahlrecht an der Universität Siegen einen Blick zurück auf die Hintergründe eines Etappensiegs auf dem Weg zur Emanzipation der Frau geworfen.

Anfang des 20. Jahrhunderts urteilte Friedrich Sigismund, ein Gegner des Frauenwahlrechts: „Die geistige Individualität der Frau sowie das bei ihr vorherrschende Gemütsleben lassen sie für eine tätige Teilnahme am öffentlichen Leben wenig geeignet erscheinen.“ Wie setzten sich die Frauen und ihre Unterstützer gegen diese und ähnliche Meinungen durch? Für einen Vortrag über die Geschichte der Verkündung des Frauenwahlrechts in Deutschland war die Historikerin Dr. Kerstin Wolff zu Gast an der Universität Siegen. Sie ist am Archiv der Deutschen Frauenbewegung tätig.

Ihr Besuch schloss die Veranstaltungsreihe „100 Jahre Frauenwahlrecht“, ausgerichtet vom Gleichstellungsbüro und dem Zentrum für politische und soziologische Bildung im Seminar für Sozialwissenschaften (POLIS) der Uni Siegen. Bereits am Vortag waren politisch aktive Frauen aus Siegen-Wittgenstein zu einem Podiumsgespräch im Kulturhaus Lÿz zusammengekommen. Dort sprachen sie über ihre Erfahrungen als Frauen in der Politik und über die Frage, inwieweit Politikunterricht mehr Schülerinnen zu politischem Engagement motivieren kann.

Vor 100 Jahren standen noch andere Fragen im Vordergrund: 1918 entschied der Rat der Volksbeauftragten in der jungen Weimarer Republik, dass Frauen wählen dürfen. „In dem Rat saßen jedoch nur Männer“, erklärte Wolff den Zuhörern. „Und Männer alleine waren es nicht, die diesen Schritt zur Gleichberechtigung erreichten. Dass diese Entscheidung getroffen wurde, ist vielmehr die Leistung vieler Frauen, die sich zuvor dafür eingesetzt hatten.“ Allumfassende rechtliche Gleichberechtigung sei rechtlich in der Weimarer Republik nicht erreicht worden. Die Formell aus der Weimarer Verfassung, „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“, erlaubte weiter eine Ungleichbehandlung in Fragen des Ehe-, Berufs- und Vermögensrecht. Erst im Grundgesetz von 1949 stehe nach zähen Diskussionen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

Die erste politische Frauenzeitung in Deutschland lasse sich auf das Jahr 1849 datieren, so Wolff. Die bürgerliche Gründerin Louise Otto-Peters habe in der „Frauen-Zeitung“ die erste explizite Forderung nach Frauenwahlrecht formuliert: die Forderung auf das „Recht der Mündigkeit und Gleichberechtigung im Staat“. 1865 gelte somit als die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland. In diesem Jahr gründete sich der Allgemeine Deutsche Frauenverein.

Im Deutschen Reich und in den deutschen Ländern sei es mit der Emanzipation der Frau dennoch nur schleppend vorangegangen. „Zum einen unterdrückte Bismarck in Preußen bis 1890 jegliche fortschrittliche Entwicklung. Zum anderen stand der Emanzipation in Preußen noch bis 1908 ein Gesetz entgegen. Dieses Verbot, dass Frauen in politische Vereine eintreten können“, so Wolff. Dementsprechender Gefahr setzten sich politische MitstreiterInnen aus. Die berühmte Pädagogin und Frauenrechtlerin Helene Lange stellte 1888 dennoch in einer berühmten Denkschrift für die Schulausbildung für Mädchen fest: „Erst durch das Frauenstimmrecht wird das allgemeine Stimmrecht mehr als eine Redensart.“

Die SPD sei es gewesen, die als erste Partei das Frauenstimmrecht in ihr Wahlprogramm aufgenommen habe – verbunden mit einem Kampf im Namen des Proletariats. Kerstin Wolff erklärte dazu: „Die willentliche Aufteilung von Proletariat und Bürgertum führte zur Trennung verschiedener Frauenwahlrechts-Bewegungen, die nebeneinanderher wirkten, anstatt zusammenzuarbeiten.“

Der Widerstand gegen die zunehmenden Emanzipationsbemühungen führte 1912 zu einer Gegenbewegung, genannt „Der Bund zu Bekämpfung der Frauenemanzipation“. Nüchtern beschrieb Wolff die Argumente der Emanzipationsgegner: „Frauen handeln zu gefühlsbetont und nach Herzensregelungen. Frauen dürfen kein Stimmrecht haben, weil sie nicht den Dienst mit der Waffe ausüben. Die Monarchie wird zerrüttet, denn wer weiß, was Frauen wählen würden“, und – ein Drittel des Bundes habe selbst aus Frauen bestanden – „Frauen wollen das Wahlrecht gar nicht.“

Während des Ersten Weltkriegs sei dann für die AktivistInnen ein Geschehen zentral gewesen. „1916 kündigte der Kaiser an, nach einem siegreichen Krieg Demokratisierungsmaßnahmen vornehmen zu wollen – jedoch nur für Männer.“ In diesem Moment hätten sich alle Bewegungen, proletarische wie bürgerliche, zusammengetan und auf der Straße, in Petitionen, auf Plakaten und Flugschriften für das Frauenwahlrecht gekämpft – und das schließlich erfolgreich. 37 Frauen zogen 1919 in die Nationalversammlung ein und stellten damit 9,8 Prozent der Mitglieder.

„Diese Quote hat es in der BRD erst wieder Ende der 70er Jahre gegeben. Und bis heute liegt eine Art „magische Grenze“ von Parlamentarierinnen in ganz Europa bei 30 Prozent“, erläuterte Kerstin Wolff die Zahlen. Der Weg der Emanzipation sei trotz rechtlicher Gleichstellung noch nicht abgeschlossen. „Für Themen wie die Höhe des Lohns oder die Besetzung von Führungspositionen in Unternehmen muss sich weiter eingesetzt werden. Dieses Jubiläum sollte uns darüber zu denken geben."

 
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