Urbanisierung und ländliche Entwicklung – Projekte und Fortschritte aus aller Welt
Ein Bericht von unserer Schüler-Reporterin.
Ergebnis aus zwei Jahren internationaler Zusammenarbeit in der Alumni Akademie der Universität Siegen.
Die Alumni Akademie 2023/2024 behandelte das Thema „Urbanisation and Rural Development - The International Future Laboratory“. In der Alumni Akademie arbeiten Alumni aus verschiedenen Ländern und Kulturen von Südamerika über Afrika bis nach Vietnam und aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammen. Die Akademie wurde von Dr. Susanne Padberg, der Leiterin des Alumniverbund und von Prof. Dr.-Ing. Mathias Wirths vom Department für Architektur organisiert. In diesen zwei Jahren ging es um das Spannungsfeld „ländliche Entwicklung und Verstädterung“. Städte werden immer größer und ländliche Regionen werden im Hinblick auf ihre Entwicklung häufig vernachlässigt. Im letzten Jahr analysierten die Teilnehmer*innen die Situation in ihren jeweiligen Ländern und tauschten sich hierzu online aus. Sie suchten sich ein Projekt in ihrer jeweiligen Region, das sich positiv auf die Umwelt und/oder die Gesellschaft auswirken soll und beobachteten es über einen längeren Zeitraum. Was läuft gut und warum? Was könnte man verbessern? Welcher Effekt lässt sich beobachten? Was hätte man vorher beachten müssen? Insgesamt wurden 17 internationale Projekte beobachtet und begleitet.
In diesem Jahr trafen die Teilnehmer sich vom 9. bis zum 13. September an der Universität Siegen und stellten die Fortschritte der Projekte vor. Ebenfalls haben lokale Initiativen aus unserer Region ihre Projekte vorgestellt, die teilweise im Rahmen der REGIONALE 2025 gefördert werden und zu einer positiven regionalen Entwicklung beitragen. Im gemeinsamen internationalen Diskurs bekamen Alle neue Inspirationen und Erfahrungen wurden geteilt, sie lernten voneinander. Damit Projektleiter auf der ganzen Welt von dem Austausch der Erfahrungen profitieren können, werden die Teilnehmer der Alumni Akademie bis Ende 2024 eine Handlungsempfehlung für die Durchführung von erfolgreichen Projekten mit Schwerpunkt auf das Spannungsfeld „ländliche Entwicklung und Verstädterung“ verfassen.
Das Besondere ist das Einbringen des internationalen Aspekts mit Berücksichtigung der geografischen wie der gesellschaftlichen Gegebenheiten.
Diese Woche ließ erkennen, dass Probleme wie der Klimawandel und gesellschaftliche Veränderungen alle Menschen auf der Welt betreffen. Sie verursachen unterschiedliche Probleme an unterschiedlichen Orten, aber die Lösung für ein Problem kann auch hilfreiche Hinweise für andere Regionen bieten. Weltweit gibt es Initiativen, die der Gemeinschaft nutzen und die Erfahrungen aus den verschiedenen Lösungsansätze sollten weitergegeben werden. Dazu trägt die Alumni Akademie in einem besonderen Maße bei.
Ein Einblick in verschiedene Projekte und Gespräche
mit ihren Begleitern:
„Safiya Homes “ I Dr. Humayun Ajaz,
Pakistan
Ein Problem in Pakistan sind die überbevölkerten Städte. Immer
mehr Menschen möchten in die Stadt ziehen, dort sind die
Schulen besser und es ist einfacher einen Job zu finden. Um die
Städte zu entlasten, gründete die Ansaar Management Company
2023 das Projekt „Safiya Homes“. Die Ansaar Management Company
ist eine Non- Profit Organisation und ihr Projekt Safiya Homes
wurde staatlich anerkannt. Sie kauften große Grünflächen
außerhalb der Stadt und bauten ein- oder zweistöckige
Wohneinheiten. 25 Häuser umschließen eine bepflanzte Grünfläche
mit Spielplätzen. Es ist ein Ort zum Unterhalten und
Freundschaften schließen, während man den Kindern beim Spielen
zuschaut. Dr. Humayun Ajaz wurde auf dieses Projekt für eine
eigene Investition aufmerksam und beobachte es weiter, da es
besondere Initiative gegen Verstädterung ist.
In diesen Wohnblöcken ist alles Notwendige vorhanden, ein
Gotteshaus, Läden und sogar ein Friedhof. Die Safiya Homes sind
EDGE-Zertifiziert, da sie energie- und wasserspaarend gebaut
wurden und es in jedem Wohnblock eine Wasserfilterungsanlage
gibt. Die Safiya Homes sind für einkommensschwache Familien
entworfen worden, sie garantieren Sicherheit und alles ist
vertraglich geregelt. Den Käufern der Safiya Homes wird
monatlich 300 Euro vom Staat pro Wohnanlage für die
Instandhaltung zur Verfügung gestellt. Die Warteliste für ein
Haus ist lang und in Zukunft werden sicher noch viele
Wohneinheiten gebaut werden. Aber Dr. Ajaz meldete auch
Bedenken an. Die Wohnanlagen werden auf benötigten Feldern und
Weideflächen gebaut, besser wäre es, man würde brachliegende
Flächen mit baufälligen Häusern „wiederverwerten“. Allerdings
wäre es schwieriger eine zusammenhängende Fläche zu erwerben,
da manche Häuser weiter bewohnt werden.
Mit ähnlichen Wohnanlagen könnte man das Leben auf dem Land
auch hier in Deutschland attraktiver machen und verhindern,
dass junge Menschen aus den Dörfern in die Stadt ziehen.
„Women Resilience Program against Climate Change in
Senegal“ I Ibrahima Thiam, Senegal
Das Projekt „Women Resilience Program against Climate Change in
Senegal“ von Dr. Ibrahima Thiam unterstützt Fischerfrauen im
Senegal, die durch die Folgen des Klimawandels ihr Zuhause
verloren haben. Das Leben am Meer wird durch die veränderten
Umweltbedingungen zunehmend gefährlich und nach einem Unglück
mussten die Bewohner der Küstenregionen landeinwärts flüchten.
Sie leben in menschenunwürdigen Unterkünften, der Schulweg der
Kinder ist zu weit und die Erwachsenen, insbesondere die
Frauen, haben keine Arbeit mehr. Dr. Thiam und die
Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützen Frauen dabei, neue
Fertigkeiten zu erlernen, um wieder einer Arbeit nachgehen zu
können.
An zwei verschiedenen Standorten im Land lernen je 25 Frauen
Hirse, Kuskus und andere Getreidesorten zu mahlen und zu
verkaufen. Je 25 junge Mädchen lernen nähen und schneidern. Mit
den fertigen Waren handeln sie. „The first market is
themselves“, sagte Dr. Ibrahima Thiam. Die Frauen sollen erst
untereinander handeln, bevor sie ihre Waren verkaufen. Die Rosa
Luxemburg Stiftung finanziert Gerätschaften und hält Workshops
ab. Das Projekt hilft den Geflüchteten dabei, selbstständiger
zu werden und sich unabhängig von Anderen eine Existenz
aufzubauen. Momentan sucht Dr. Thiam nach kostengünstigen
Häusern, auf denen man eine Photovoltaikanlage anbringen
könnte.
Dieses Beispiel zeigt, wie sehr Regionen unter den Folgen des
Klimawandels leiden, wo die Menschen selber kaum zur
Erderwärmung beigetragen haben.
„Bridging the Knowledge Gap- Creating Opportunities“
I Prof. Dr. Neelakshi Premawardhena, Sri Lanka
In Sri Lanka gibt es große Wissenslücken zwischen den Schülern
auf dem Land und denen in der Stadt. Es ist für Lehrer*innen
viel attraktiver in der Stadt zu arbeiten und die Bezahlung ist
auch besser. Von den 80% der Schüler auf dem Land, die für die
nationalen Prüfungen zugelassen sind, bestehen nur 10%. Grund
dafür ist ein besonderes Defizit in Mathematik, der mündlichen
Sprachkompetenz in Englisch, Naturwissenschaften und ICT.
Die Germanistikstudenten von Professor Premawardhena haben sich
dazu entschlossen, 8 Tage lang auf dem Land zu unterrichten.
Sie bereiteten selbstständig den Unterricht vor und bekamen
Selbstvertrauen beim Unterrichten. Der Unterricht wurde von den
Schüler*innen gut aufgefasst, die Rückmeldungen sind sehr
positiv.
Auch die Mathematikstudenten der Universität von Kelaniya
unterrichten in einer Schule Informations- und
Kommunikationstechnik. Ebenfalls mit großem Erfolg!
Die Initiative von Prof. Neelakshi Premawardhena unterstützte
bereits 25 Schulen und ein buddhistisches Kloster, gleichzeitig
wird der nächste Studentenjahrgang dieses Projekt fortsetzen.
Auch hier in Siegen gibt es eine ähnliche Initiative:
DigiMath4Edu.
Dies ist eine Initiative des Mathematikdidaktik Instituts der
Universitäten, das von der Regionale 2025 gefördert wurde.
Mithilfe von technischen Geräten im Mathematikunterricht soll
der Umgang mit ebendiesen Geräten erlernbar gemacht werden und
das Interesse an MINT-Fächern geweckt werden.
„Bridging (Internet+Power) Connections between Urban
and Rural Areas using Alternativ Energie“ I Arnaldo Diez,
Philippinen
Die Philippinen sind ein Inselstaat mit über 7600 Inseln. Ein
großes Problem dort ist, abgesehen von der Korruption, die
Anbindung der einzelnen Inseln an Internet- und
Stromversorgung. Auch ist der Unterschied zwischen Arm und
Reich ist sehr groß. 30% der Bevölkerung sind extrem reich, 30%
können gut leben und 40% sind sehr arm. Bettelnde Kinder hocken
neben den neusten Autos. Aber ein bisschen Korruption wäre gut,
sagte Arnaldo Diez, da Absprachen mit der Regierung meist nur
eine Legislaturperiode halten würden.
Um wirklich etwas zu erreichen, müsse man unabhängig von der
Regierung sein.
Arnaldo Diez und seine Organisation arbeiten daran, die
Situation zu verbessern. Mit dem Projekt „Bridging
(Internet+Power) Connections between Urban and Rural Areas
using Alternative Energie“ wollen sie auf den Inseln Strom
garantieren. Mit Solarpaneels wollen sie die Energie der Sonne
nutzen, allerdings erschweren fehlende Freiwillige und das
unbeständige Wetter die Angelegenheit. Das Problem der
Internetanbindung haben sie mit dem „Piso Wifi“ gelöst. Mit
einem Peso kann man sich 1h Internetzugang erkaufen. Ein Peso
nennen die Philippiner*innen, mit 10 Pesos kann man sich ca. 2
kleine Brote kaufen. Internet könnte sich nun jeder leisten, so
Arnaldo Diez im Gespräch. Die Computer mit dem
Internetanschluss stehen in öffentlichen Gebäuden zur freien
Verfügung und funktionieren wie eine Telefonzelle. Sie
ermöglichen jungen Menschen das Lernen für die Schule oder das
Studium.
„Delhi Air Pollution: A Clash between Rural and
Urban India over Stubble Burning“ I Dilip Kumbham,
Indien
Ein großes Problem in Indien ist die Luftverschmutzung.
Neu-Dehli, die Hauptstadt von Indien, ist auf Platz 1 der
Städte mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit. Ein Tag in
Dehli atmen ist genauso schädlich wie am Tag 30 Zigaretten zu
rauchen. Am schlimmsten ist es während dem Winter, da die
Bauern in Spätherbst ihre abgeernteten Felder niederbrennen, um
Zeit und Arbeitskräfte zu sparen. Jährlich werden 7-8
Milllionen Tonnen stehengebliebenes Getreide verbrannt. Dieses
sogenannte „stubble burning“ verursacht 40% der ganzen
Luftverschmutzung. Fehlende Filter in Kraftwerken und der
Verkehr produzieren die übrigen 60% Feinstaub. Gesundheitliche
Folgen der Luftverschmutzung sind Herz-Kreislauf- und
Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma, COPD und Lungenkrebs).
Außerdem verkürzen sie die Lebensdauer um 5-10 Jahre.
Für dieses Problem gibt es viele Lösungen, eine davon ist das
Projekt „Delhi Air Pollution: A Clash between Rural and Urban
India over Stubble Burning“ von Dilip Kumbham. Es konzentriert
sich auf die Bauern und das „stubble burning“. Vielen Bauern
sind die Folgen von ihrer „einfachen“ Methode nicht bewusst.
Die Projektleiter arbeiten mit verschiedenen Organisationen
zusammen, die an Haustüren klopfen und die Leute über die
Folgen aufklären. Außerdem entwickeln sie in Kooperation mit
anderen Organisationen eine kostengünstige uns schnelle
Alternative, um das „stubble burning“ zu ersetzen. Das wäre
allerdings ein schwieriges Unterfangen, da die Materialien und
die fertige Maschine in jedem Fall teurer als das Feuer sein
würde, so Dilip Kumbham. Eine schnelle Lösung für das Problem
sieht er allerdings nicht, die politischen Rahmenbedingungen
wären momentan nicht ideal.
Auch wenn die Luft in Deutschland niemals so verschmutzt sein
wird, kann man auch von diesem Projekt etwas lernen. Netzwerken
und Zusammenarbeit sind oft der Schlüssel zur Lösung. Vor
Allem, wenn man durch persönliche Gespräche einen Draht zu den
Menschen aufbauen kann und diese sich dann wahrgenommen und
gehört fühlen.
Die Gespräche wurden geführt und der Artikel verfasst von Amalia Leela Schikora, Schüler-Reporterin und Praktikantin des Alumni-Büros der Universität Siegen.
Ermöglicht wurde die Durchführung der Alumni Akademie durch die Förderung des DAAD aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.