Berufsperspektiven Lehramt: Schulgestalter oder Manager?
Das Lehramtsstudium stellt sich für viele als sicheres Zukunftsmodell dar und ist mit einem klaren Berufsbild verbunden: „Lehrer werden“. Wie sind jedoch meine Entwicklungschancen im „System Schule“ und welche Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten stellen sich für meine eigene mögliche Laufbahn?
Am 22.01.2015 startete studio:A mit der Veranstaltung
„Berufsperspektiven im Lehramt: Schulgestalter oder Manager?“
ins neue Jahr. Zu Gast waren die Alumni Christoph Küppers,
Markus Hoffmann und Christian Scheerer. In Kooperation mit dem
ZLB - Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung - und
Lernwerkstatt Lehrerbildung an der Universität Siegen
moderierte auch dieses Mal - charakteristisch für studio:A -
ein Studierender die Veranstaltung. Rouven Hallwaß, selbst
Lehramtsstudent, hatte sich akribisch vorbereitet, um den drei
Gästen einiges an Input zu entlocken.
„Als Lehrer braucht man Humor“, antwortet Markus Hoffmann,
Lehrer und Fachbereichsleiter
sprachlich-literarisch-künstlerisches Aufgabenfeld an der
Wilhelm-von-Oranien-Schule, einem Gymnasium in Dillenburg, auf
die Einstiegsfrage von Rouven Hallwaß, was
Einstiegsvoraussetzungen für den idealen Referendar wären.
Außerdem seien Offenheit im Umgang und Struktur sehr wichtig.
Im Studium wird dafür die Grundlage gelegt, während des
Referendariats kümmert sich Christoph Küppers, am Zentrum für
schulpraktische Lehrerbildung – ZfsL -in Siegen als Fach- und
Kernseminarleiter um die Anliegen der jungen Lehrer. Neben
seiner Zusatzqualifikation und -tätigkeit im ZfsL selbst Lehrer
am Gymnasium in Netphen ist es für ihn besonders wichtig, dass
man engagiert und von seiner Fächerkombination überzeugt ist.
Obwohl viele Referendare während der 18 monatigen
Ausbildungszeit an ihre Grenzen kommen, schätzte Küppers den
„thrill“ des eigenen Referendariats: „Es war spannend, stressig
und aufregend zu gleich. Ich hatte mehr Freiheit, musste aber
auch noch in meine Rolle wachsen. Am Anfang war es doch schwer
zu unterscheiden, dass ich jetzt hinter dem Pult stehe und
nicht mehr davor sitze.“ Rechtzeitig in die Praxis und den
Schulalltag als Lehrer „reinschnuppern“ beispielsweise in Form
von Praktika, das sei in jedem Falle empfehlenswert.
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Als inzwischen Schulleiter an der Clara-Schumann
Gesamtschule in Kreuztal wird auch Christian Scheerer täglich
mit den Problemen der angehenden Lehrer konfrontiert: „Während
des Referendariats merken dann einige, dass sie doch nicht gut
vor Menschen stehen können. Es ist natürlich wichtig, dass man
Menschen mag und sich aber auch in die Köpfe der Schüler
hineinversetzen kann.“ Ein Trial and Error Prozess sei diese
Zeit, da sind die Alumni sich einig.
Durch die Verkürzung der Referendariatszeit von zwei Jahren auf
18 Monate hat sich aber auch viel verändert, ein Student fragt
die Alumni nach ihrer Einschätzung. Küppers sieht darin ganz
klar einen Nachteil, da die angehenden Lehrer vorher eine Phase
länger hatten, um sich einzufinden und sich an ihre neue Rolle
zu gewöhnen. Diese Intensivphase wurde jetzt rausgekoppelt.
Aber auch Scheerer bemerkt als Schulleiter die
Umstrukturierung. Immer mehr Praktikanten bewerben sich bei
ihm, um „irgendwie“ in die Schule zu kommen. In Verbindung mit
der Umstellung der Lehramtsstudiengänge mit Staatsexamen auf
Bachelor/Master sieht er gerade hier für die
„Noch-Staatsexamen“ Absolventen den Nachteil. Das fehlende
Praxiselement, was im neuen Bachelor/Master Studium eingebaut
ist, fehlt ihnen. An seiner Schule hat er deshalb für eine
Patenschaft für Referendare gesorgt, damit diese stets einen
Ansprechpartner bei Problemen haben.
„Wenn einer mittags einkaufen geht, ist es entweder ein Rentner
oder Lehrer“ - ein immer wieder gern zitiertes Klischee. Aber
der Lehrerberuf darf nicht unterschätzt werden. Wenn man die
Arbeit mit nach Hause nimmt und keinen Ausgleich findet, ist
ein Burn-Out vorprogrammiert. Die Alumni empfehlen zum Beispiel
Sport als Ausgleich. Markus Hoffmann merkt an, dass er es
richtig fände, sich mal in eine Aufgabe reinzusteigern, das
große Problem sei aber der angestrebte Perfektionismus.
Häufiger würden in Stunden, die nach eigener Einschätzung als
nicht ganz optimal vorbereitet wahrgenommen werden, am Ende
überraschenderweise viel an Wissen vermittelt. Küppers ergänzt,
dass Stress- und Selbstmanagement das A und O im Lehrerberuf
sind. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt er, Formen der
Entspannung zu lernen.
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Aktuell titelte die Welt am Sonntag „Die Wut der Lehrer auf
nervige Eltern“ - Hallwaß fragt nach. Wie stehen die Alumni zu
dem Problem, dass Eltern sich immer mehr als Kunden und die
Schule als Dienstleister ansehen? Hoffmann ist mit diesem
Problem vertraut. Er findet es jedoch schwierig, ein solches
Dienstleistungsmodell dann auch wirklich umzusetzen. Ein
Lehrerranking beispielsweise sei seiner Meinung nach alles
andere als produktiv. Küppers sieht die Schule als „Spiegel der
Gesellschaft“, man müsse sich gegenseitig unterstützen.
Scheerer gibt zu bedenken, er sähe in den letzten Jahren in
vereinzelten Fällen das Problem, dass Eltern die
Erziehungsaufgabe komplett an die Schulen abtreten wollen. Hier
sieht er jedoch eher renitente Kinder als das eigentliche
Problem.
Gibt es denn die Möglichkeiten, sich schulübergreifend
einzubringen um das bestehende System zu verändern? Die drei
Lehrer müssen in ihren Positionen oft politische Entscheidungen
treffen. Scheerer betont, dass er sich nicht in der Rolle des
Alleinherrschers sieht und der Meinung ist, dass Schule eine
Teamveranstaltung ist. Er bezieht Eltern, Schüler und Lehrer
mit in Entscheidungsprozess ein, weil Schule seiner Meinung
nach nur als Gesamtheit funktioniert. Innerhalb der Schule kann
sich jeder Lehrer in Interessengruppen einbringen, es gibt
unter anderem Planungsgruppen oder Schulleitergruppen, dadurch
wird aktiv Einfluss auf die Gestaltung der Schule genommen.
Überregional ist dies natürlich auch möglich. Hoffmann
erläutert, dass seine Schule im hessischen Dillenburg
mittlerweile den Status einer „Selbstständigen Schule“ hat, was
bedeutet, dass die jeweilige Schule erweiterte
Handlungsspielräume bei der Unterrichtsgestaltung und
-organisation, im Bereich des Personaleinsatzes und der
Personalgewinnung sowie auf dem Gebiet der
Stellenbewirtschaftung und Sachmittelverwaltung erhält. „Wir
haben dadurch mehr Freiheiten, die Schule kann sich bewegen.
Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass auch mehr evaluiert
werden muss um eine Qualitätssicherung zu garantieren.“
Der Titel „Schulgestalter oder Manager?“ ist für die
Studierenden gerade in Bezug auf die Schulleitung interessant.
So wollten die Studierenden konkret von Scheerer wissen: „Sehen
Sie sich eher als Manager?“ Scheerer verneint dies. Er sieht
sich als Moderator, natürlich habe er mehr mit Finanzen und
Organisation zu tun als vorher, sieht darin aber nicht seinen
Schwerpunkt. Auch in juristischen Bereichen musste er einiges
an Know How aneignen, bekommt aber von außen Hilfe. „Die
Kompetenz kam mit dem Amt.“, sagt er schmunzelnd.
An diesem Mittwochabend waren die Gäste noch lang zu Gast an
ihrer alten Uni und nahmen sich die Zeit, während und nach der
Talkrunde mit den anwesenden Studierenden ins Gespräch zu
kommen und Fragen zu beantworten. Sei es rund ums Referendariat
oder aber die Erklimmung der innerschulischen Karriereleiter.
Dabei wurde viel gelacht und die Alumni zeigten, dass Humor
nicht nur dazu beiträgt, sich selbst zu schützen, sondern auch
um Menschen mitzunehmen und zu begeistern. Sie alle wünschen
sich für das System Schule, dass Schüler eigenverantwortlich
lernen, eine systemimmanente Arbeit aber auch die Eingliederung
von Themen wie Inklusion und Integration. Am Ende des Tages
gehe es darum, Schülern und Schülerinnen Wissen zu vermitteln,
sie zu motivieren und dabei selbst nicht den Spaß an der Arbeit
zu verlieren.
Kathrin Wagner, Redaktion Alumni-Team