Wissenschaft und Wirtschaft – Zwei unvereinbare Welten? Alternative Perspektiven nach der Promotion.
Am 30.11 drehte sich im „studio:A – dem Career Talk mit Alumni“ alles um alternative Karrierewege als Geisteswissenschaftler*in nach der Promotion. Viele Studierende des Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften fassen nach dem Masterstudium eine Promotion ins Auge.
Welche beruflichen Perspektiven eröffnen sich jedoch, wenn man nach der Promotion nicht eine wissenschaftliche Karriere weiter verfolgen möchte? Welche Möglichkeiten bieten sich in der freien Wirtschaft, welchen Herausforderungen muss man sich stellen? Die drei promovierten Alumni Dr. Katja Happe, Dr. Theodoros Konstantakopoulos und Dr. Edelgard Vacek berichteten in der Talk-Runde von ihren Tätigkeiten und Erfahrungen in den unterschiedlichsten Unternehmen.
Gemeinsam mit dem Women Career Service und dem House of Young Talents lud der Alumniverbund Studierende und Promovierenden zum Gespräch und Austausch mit den drei Alumni ins Studio des ZIMT. Dr. Katja Happe studierte an der Universität Siegen Deutsch, Geschichte und Englisch auf Lehramt und promovierte in ihrer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Regionalforschungen der Universität Siegen in Geschichte. Dr. Theodoros Konstantakopoulos studierte in Siegen Literatur, Kultur, Medien und promovierte nach einem Masterstudium an der Universität Basel, ebenfalls in der Schweiz, im Fach Philosophie an der Universität Luzern. Dr. Edelgard Vacek ist von Hause aus Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin und promovierte an der Universität Siegen berufsbegleitend.
Heute arbeiten die drei Alumni in der freien Wirtschaft oder im Non-Profit-Bereich. Der Einstieg war jedoch nicht für alle einfach. Mit der Moderation von Julia Küchel, selbst Alumna der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und im Gleichstellungsbüro der Universität zuständig für den Women Career Service, wurden im Gespräch verschiedene Facetten der individuellen Werdegänge und der damit verbundenen Herausforderungen der Tätigkeiten außerhalb der Wissenschaft beleuchtet.
Theodoros Konstantakopoulos berichtet von unzähligen Bewerbungen, bevor er aus seiner Laufbahn an der Uni in den Beruf einsteigen konnte. Vor seiner Anstellung bei der Kinder- und Jugendhilfe tibb in Ibbenbüren arbeitete er für die Caritas und machte ein Praktikum im Bereich der politischen Kommunikation in der Wirtschaftskammer Baselland, Er selbst wollte dort einen Einblick darüber gewinnen, wie und ob sich alternative ethische Positionen und Handlungsfelder rechtfertigen lassen. Heute arbeitet er für eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und lernt dort noch immer viel dazu. „In der Arbeitspraxis stellt man oft eine Kluft zu den akademischen Fertigkeiten fest, die man während des Studiums erworben hat.“, berichtet der Alumnus. Als Referenz für Öffentlichkeitsarbeit besteht seine Aufgabe vor allem darin, die Kinder- und Jugendhilfe tibb. Für den angegliederten Münstermann-Verlag übernimmt er neben der Lektoratsarbeit auch organisatorische Tätigkeiten. Er ist der Überzeugung, dass seine wissenschaftlichen Qualifikationen bei der Einstellung interessant für den Arbeitgeber waren und heute weiterhin zum Tragen kommen.
Ihre wissenschaftlichen Qualifikationen unterstützen auch Dr. Katja Happe in ihrem Beruf. Sie ist als Beraterin im History Marketing für Birke und Partner in Erlangen tätig. Neben der Organisation von Ausstellungen und Jubiläumsevents besteht das Herzstück ihrer Tätigkeit jedoch darin, Unternehmensgeschichten für das Marketing nutzbar zu machen, das ist das Besondere am History Marketing. Hierfür sind natürlich Archivrecherchen notwendig. „Ich kann in meinem aktuellen Job meine Geschichtskenntnisse stark einfließen lassen und lerne viel über Marketing.“, resümiert die Alumna. Stiegen die beiden Alumni erst nach der Promotion in den Beruf in einem Unternehmen ein, sah es bei Dr. Edelgard Vacek anders aus: „Ich hatte damals großes Glück, dass ich eine Doktorandinnenstelle in einem Unternehmen wahrnehmen konnte. Gerade der interdisziplinäre Ansatz hat mir dabei sehr gut gefallen. Rückblickend war es definitiv eine schöne Zeit, währenddessen jedoch sehr anstrengend.“ Sie konnte bereits während ihrer Promotion praktische Erfahrungen in der Wirtschaft sammeln und arbeitet heute in der Organisationsentwicklung und im Veränderungsmanagement des Fenster- und Türenherstellers Roto Frank in Leinfelden-Echterdingen. Ihre Hauptaufgaben bestehen darin Konzepte auszuarbeiten, Prozesse zu planen und Workshops zu organisieren und durchzuführen. Auch sie bestätigt, dass ihr ihre wissenschaftliche Qualifikation in ihrer Arbeit definitiv zu Gute kommt, die Praxis sie jedoch auch sie immer wieder dazu lernen lässt.
Wirtschaft und Wissenschaft sind zwei verschiedene Welten, die aber zusammengebracht werden können. Die Alumni betonen, dass es natürlich ein Unterschied ist, an der Universität und im wissenschaftlichen Umfeld zu arbeiten, auch da dort eine höhere Flexibilität vorherrscht: „An der Uni hatte ich ein Projekt und auch eine Deadline. In dieser Zeit konnte ich mich direkt draufstürzen ohne Zeit- und Kostenprobleme. Das sieht in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen schon anders aus, da dort eine ganz andere Herangehensweise vorherrscht.“, erklärt Katja Happe. Edelgard Vacek unterstützt dies und betont, dass in der Wirtschaft Konzepte erarbeitet werden, die zwar fundiert sein sollen, aber oftmals auch auf Hypothesen beruhen. Dies erfordert mehr Mut als in der Wissenschaft, d.h. mehr Entrepreneurship. „Aber auch das kann Spaß machen, da dort Tatkraft dahintersteht“, so die Alumna. Sie empfiehlt allen Studierenden und Promovierenden nicht ausschließlich zu studieren, sondern schon während des Studiums erste Erfahrungen in Unternehmen zu sammeln. Theodoros Konstantakopoulos betont, dass es hilft sich selbst besser kennenzulernen, indem man bereits während des Studiums Arbeitserfahrungen sammelt. Er selbst absolvierte vor seinem Studium zunächst eine Lehre als Industriemechaniker. „Irgendwann dachte ich mir, das kann doch noch nicht alles gewesen sein und leitete den Weg für ein Studium ein“, erinnert sich der Alumnus.
Der Bewerbungsprozess in der freien Wirtschaft war für die Alumni durchaus steinig, denn sie alle hatten mit Vorurteilen gegenüber Wissenschaftler*innen zu kämpfen. „Zu verkopft, zu wissenschaftlich geprägt oder gar überqualifiziert. Das waren alles Attribute die bei ablehnenden Antworten aufgeführt wurden und das trotz Unternehmenserfahrung. Gerade als Frau ist es ab einem gewissen Alter auch noch schwieriger einen Job zu finden“, so Edelgard Vacek. Sie selbst hat Familie und arbeitet derzeit zu 60% in einer Führungsposition, dies sei schwierig aber machbar. Schon bei der Studiengangwahl sollten sich die Studierenden fragen, ob man etwas für sich selbst studiert oder nur für den Lebenslauf, um später einen gut bezahlten und sicheren Job zu bekommen. „Ich selbst bin in die Philosophie-Falle getappt, bereue heute aber nur, dass ich nicht noch ein berufsspezifischeres Fach parallel dazu studiert habe“, erzählt Theodoros Konstantakopoulos schmunzelnd. Klar sei, dass man mit Anfang 20 anders an ein Studium herangeht als rückblickend. Zunächst studiere man das, wofür das Herz schlägt. „Ich kann heute von mir sagen, dass ich Historikerin bin. Es ist gut, dass über sich selbst zu wissen und mit Leib und Seele zu verkörpern“, beschreibt Katja Happe sich selbst. Auf die Frage was man später mit dem Studium oder gar Doktortitel erreichen will, weiß sie bis heute keine Antwort und ist der Meinung, dass man diese Frage auch nicht beantworten muss: „Ich will das für mich gar nicht klassisch definieren, ich will als Historikerin arbeiten und bin offen für Neues.“ Vielmehr sollten die Studierenden mutig sein und für sich formulieren was sie nicht wollen.
Der Sprung in die Wirtschaft war für die drei Alumni eine selbstverständliche Konsequenz. Sie alle konnten sich keine reine Uni-Karriere vorstellen. Die wissenschaftliche Arbeitsweise wird aber auch in der Wirtschaft wahrgenommen und wertgeschätzt. Sie empfehlen, dass man sich schnell eine eigene Nische suchen und Themen besetzen sollte. Dafür sei es wichtig, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und möglichst viel auszuprobieren. Auch der Vernetzungscharakter sei nicht zu unterschätzen, da es ohne Kontakte unter Umständen schwieriger sein kann einen guten Berufseinstieg zu erreichen. Ob sie heute nochmal promovieren würden? Die Frage ist von allen schnell mit einem „Ja!“ beantwortet.
Kathrin Wagner, Redaktion Alumni-Team
Fotos: Martina Di Lorenzo