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Integrieren durch Regieren: Funktionsweisen und Wandel des Föderalismus im Deutschen Reich 1871-1914

Teilprojekt: Sozialpolitik

Die politische Entscheidungsfindung im föderalen System des Kaiserreichs funktionierte im Fall der Sozialpolitik zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten auf ganz unterschiedliche Weise. Obgleich die formellen Entscheidungsstrukturen relativ konstant blieben, spiegeln sich die Wandlungen des föderalen Regierens deutlich wider. Im Zuge der Errichtung der Unfallversicherung zeichnet sich eine Schwächung des Bundesrats als Institution gegenüber den Vorgaben der Reichsverfassung ab, die aufgrund der Phasenverlagerung föderaler Verhandlungen nicht mit einer Schwächung der föderalen Entscheidungsmacht gleichgesetzt werden darf. Die Kernbestandteile der eigentlichen Verhandlungen in den Ausschüssen des Bundesrats, d.h. die Konfliktregelung und die Konsensbildung, fanden bereits vor der eigentlichen Vorlage eines Gesetzentwurfs an den Bundesrat im Rahmen der Informationsbearbeitung statt. Die Einflussnahme der Regierungen der Bundesstaaten erfolgte dabei primär über die Gesandtschaften im Kontext von informellen und halbformellen Konsultationen mit dem Reichsamt des Inneren bzw. über die bilaterale Korrespondenz zwischen den Regierungen, die es in der Projektarbeit im Detail zu untersuchen gilt.

Für die Bemühungen um eine Revision der Unfallversicherung haben die Vorarbeiten ergeben, dass diese in einer Situation der Neujustierung der Entscheidungsabläufe vorgenommen wurden, die sich zunächst verzögernd auswirkte, da sich die einzelnen Organe in ihren Bemühungen um Machtzunahme und Machtverteidigung nach dem Ende des ‚Systems Bismarck’ gegenseitig blockierten. Dann aber lassen sich gerade mit Blick auf die Zusammenarbeit von Reichstag und Bundesrat erste Wandlungen erkennen, welche die These der Föderalisierung des Reichstags erhärten.

Im Zuge der Aushandlung der Reichsversicherungsordnung findet sich die institutionelle Verlagerung föderaler Einflussnahme im politischen Entscheidungsprozess deutlich wieder. Alle beteiligten Organe und Gremien des Reichs und der Bundesstaaten waren stärker miteinander verflochten, kooperierten intensiver und koordinierten die politische Entscheidungsfindung über die durch die Verfassung vorgegebenen Verhandlungsabläufe hinaus. Der Reichstag öffnete sich in seiner Kommission der föderalen Einflussnahme, wodurch die inhaltliche Rückkopplung zwischen den gesetzgebenden Organen flexibel in den Politikprozess eingebaut wurde. Gleichzeitig etablierte sich das Reichsamt des Inneren als Informationsbearbeitungs- und Konsensinstanz – selbst innerhalb der Reichstagskommission. Alle diese Entwicklungen sorgten dafür, dass der Bundesrat zwar als Ort föderaler Entscheidungen an Bedeutung in der politischen Praxis abnahm, dass aber gleichzeitig föderale Abstimmungsprozesse keinen Bedeutungsverlust erlitten.

Projektskizze

Archivbestände (Stand: November 2013)