Integrieren durch Regieren: Funktionsweisen und Wandel des Föderalismus im Deutschen Reich 1871-1914
Teilprojekt: Verbraucherschutzpolitik
Die beginnende Regulierung von Nahrungsmitteln zeigt, dass es – wenn auch nach jahrelangen Auseinandersetzungen – vor dem Hintergrund einer den Unitarismus begünstigenden Reichsverfassung auf diesem Politikfeld zwar gelang, den partikularistischen Föderalismus durch eine Rahmengesetzgebung zu überwinden. Sie zeigt aber auch, wie hartnäckig die föderalen Interessen auf einem kulturell so sensiblen Gebiet verteidigt wurden. Von einem die Nahrungsmittel regulierenden Zentralismus konnte auch vor dem Ersten Weltkrieg noch nicht die Rede sein. Vielmehr mussten föderale Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse eingeübt und ausgebaut werden, wobei sich die Strukturen der durch die Verfassung vorgegebenen Staatsorgane formal zwar nicht veränderten, „informell“ aber eben doch – auch insofern, als neue „formelle“ und „informelle“ Akteure hinzutraten. Reichsorgane und bundesstaatliche Organe und mit Einschränkung auch Kommunen und Kommunalverbände fanden ihre Rollen als zugleich Konkurrenten und Partner im neuen föderalen Integrationsgebilde erst allmählich.