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Berichte - Kathedrale von Santiago

El Caminho de Santiago -
Nordspanien in Geschichte und Gegenwart

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Die Kathedrale von Santiago de Compostela (Mittwoch, 23.10.2002)

Das Ziel ist erreicht: Nach all den Mühen der Pilgerfahrt liegt nun das Ziel der Reise vor Augen, das Portal der Kathedrale von Santiago mit dem Grab des Apostels Jakobus. Und genau dieser vielleicht entscheidende Aspekt kann bei einer Studienfahrt wie der unseren nicht zum Tragen kommen, selbst wenn man Santiago an das Ende der Exkursion gelegt hätte, was aus organisatorischen Gründen aber wohl kaum möglich war. Mein persönlicher Eindruck von der Kathedrale ist daher mit Sicherheit getrübt, um so mehr, als wir bis dahin schon diverse Kirchen, Kathedralen, Klöster und andere sakrale Bauten in kurzer Abfolge gesehen hatten, und ein Sättigungseffekt erkennbar war.

Mein erster Blick von der Plaza del Obradoiro auf das Portal der Kathedrale hatte sehr gemischte Gefühle zur Folge, um so mehr, als mir der Barock als Kunst- und Baustil ohnehin nicht sehr nahe steht, und der spanische Barock ein zusätzlich fremdes Element enthält. Ein hohes, wuchtig wirkendes Portal in einem eher unvertrauten Stilmix aus romanischen Elementen, eben mit barocken Einflüssen und auch wohl einem eigenständigen Stil, der Churrigueresk genannt wird. Diesen konnte ich aber als Unkundiger nicht an bestimmten Bauteilen festmachen. Zwei Türme, der Torre de las Campanas (Glockenturm) und der Torre de la Carraca flankieren das Obradoiro-Tor, durch welches wir die Kathedrale betraten. Obradoiro bedeutet golden, aber der Granit wirkte nicht sonderlich überraschend eher grau. In der Abendsonne soll die gewünschte Goldfärbung entstehen, und wohl nicht zufällig sind wohl etliche Bilder in Kunstreiseführern zu eben dieser Tageszeit aufgenommen.

Hinter der Fassade wartet als Überraschung (eigentlich nicht, denn durch diverse Reise- und Architekturführer war man ja bereits instruiert) ein wunderschönes, aber eben leider überbautes, romanisches Portal. Die Figuren des Portico de la Gloria aus dem Jahr 1188 werden in allen Reiseführern, die ich in die Hand nahm, gerühmt, ganz gewiss zurecht. Besonders auffällig ist die Christusfigur, da hier Jesus nicht wie etwa in Leon als Weltenrichter dargestellt ist, sondern als Erlöser die Wundmale präsentiert. Die neben ihm dargestellten Engel zeigen die Marterwerkzeuge und verstärken die Erlöserbotschaft. Unter der Christusfigur sitzt der Apostel mit Pilgerstab und Schriftrolle, er sieht dem Christus über ihm recht ähnlich. Interessant ist eine weitere kniende Gestalt in der man ein Selbstportrait des Meisters Mateo, des Architekten der ursprünglichen Kathedrale vermutet. An dieser Figur reiben Kinder ihren Kopf um einen Teil der Genialität des Meisters (nach anderer Lesart: Ein gutes Gedächtnis) zu erlangen. Als Calvinist stellt man immer gern fest, dass der Katholizismus mit heidnischem Brauchtum und purem Aberglauben ebensogut harmoniert wie mit kommerziellen Interessen, was man an den Devotionalienhändlern im Umkreis der Kathedrale unschwer erkennen konnte. Ebensogut aber auch in der Kathedrale, denn die Reihenfolge der Heiligkeit in den Kapellen nahm offensichtlich von außen nach innen zu. Ich mag wieder nicht den Reiseführer abschreiben, aber der Preis für eines der kleinen elektrischen Kerzchen stieg mit jeder Kapelle. Das Wachskratzen ist inzwischen wohl zu mühsam geworden, daher brennen die 5-Watt-Birnen inzwischen hinter Glas.

Die Kirche hat die Form eines Kreuzes, das Mittelschiff ist mit Säulen von den Seitenschiffen getrennt. Beim ersten Eintreten in die Kathedrale wurde gerade eine Pilgermesse zelebriert, offensichtlich kommen die meisten Pilger aus Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien, denn in deren Sprachen wurde die Messe gelesen. Was den Blick nicht zufällig sofort anzieht ist der Hochaltar, und hier haben einige Tonnen Edelmetall gewiss ihren Anteil. In Erinnerung blieb mir neben dem Stern von Compostela vor allem die Darstellung des Heiligen als Maurentöter (Matamoros). Allerdings ist er auch wieder als harmloser Pilger dargestellt. Hinter dem Hochaltar ist das eigentliche Ziel der Pilgerfahrt zu finden, die Statue des sitzenden Heiligen. Sie ist wohl aus Stein, aber eine Pelerine aus Gold, mit Edelsteinen besetzt, verhüllt den profanen Baustoff. Hier ist der Reichtum der neuen Welt hingeflossen, der über lange Jahrhunderte nach Spanien strömte. Thesauriert in Kirchen oder verpulvert in Kriegen, während andere Länder in Handel und Gewerbe investierten, aber die Pilger werden meine Gedanken, als ich hinter dem Heiligen stand, und die von unzähligen Küssen abgeschabten Stellen auf dem goldenen Umhang betrachtete, gewiss nicht teilen. Es ist ein Ernst zu spüren, auch für den reinen Touristen wie mich, der diesen Ort auszeichnet, und vielleicht ist dies einem Platz, zu dem über Jahrhunderte hinweg Millionen von Menschen gepilgert sind, auch angemessen. Aber Heiligkeit drückt sich nach anderer Denkweise eben nicht notwendigerweise in Prunk aus, und dieser ist hier allgegenwärtig. Die eigentlichen Höhepunkte barocken Monumentalkitsches sollten wir erst ein wenig später zu sehen bekommen, aber dies ist nicht mehr Teil meiner Erinnerungen an die Kathedrale. Ein interessierter Blick fiel natürlich in die Vierungskuppel, wo an hohen Feiertagen ein zwei Meter hohes Weihrauchgefäss eingehängt wird und mit Wucht durch das Querschiff schwingt. Eine Inszenierung, die uns leider nicht zuteil wurde, aber so konnte ich ungestört und in Ruhe die an diesem Tag nur mässig besuchte Kathedrale erkunden. In den Bankreihen saßen einige Pilger, die diesem Ort sicherlich eine andere Form der Ehrerbietung entgegenbringen als ich. Ob ihnen eine Figur an einem der Kapitelle aufgefallen ist? Breitbeinig öffnet eine Frauengestalt dem Betrachter ihren Rock. Aber anstelle ihrer Vagina erblickt man einen aufgerissenen Teufelskopf. Diese Art Symbolismus muss mir niemand erklären, und die dahinterstehende Moral auch nicht.

Für mich war die Kathedrale von Santiago wie eine zu gross geratene und zu überzuckerte Butterkremtorte, die mich weit weniger beeindruckt hat als etwa die Kathedrale von Burgos, was aber an meiner Bevorzugung der Gotik liegen mag. Aber die Kirche, die in mir den nachhaltigsten Eindruck hinterliess, lag hoch auf dem Pedrafitapass in Cebreiro. Angeblich fand dort ein Hostienwunder statt, aber zu selbigem habe ich mindestens drei verschiede Versionen gefunden. Es war aber die Schlichtheit der Kirche inmitten der alten Steinhäuser auf dem unwirtlichen (die Teilnehmer erinnern sich gewiss...) Pass. Der allgegenwärtige Barock Santiagos, in Stadt und Kathedrale dagegen, hinterließ in mir eher sehr ambivalente Erinnerungen.

Uwe Kölsch

 
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