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Geschichte in populären Medien in Italien

Titelbild Teilprojekt 1

Am 12. Dezember 1889 erschien auf der Titelseite der italienischsprachigen Kinderzeitschrift "Il Paradiso dei Bambini. Giornale illustrato per i ragazzi" ein Artikel zu der Erstürmung der Bastille, illustriert mit einer großformatigen Abbildung dieses zentralen Ereignisses. Es handelt sich um einen Beitrag einer Serie zur Hundertjahrfeier der Französischen Revolution unter dem Titel Episodi della Rivoluzione Francese, die wöchentlich in der Zeitschrift veröffentlicht wurde. Autor der Reihe war Professor Licurgo Cappelletti, der zwei Jahre zuvor auch das Werk Storia popolare e critica della Rivoluzione Francese verfasst hatte. In besagtem Artikel wird den jungen Leserinnen und Lesern eine jener Begebenheiten vermittelt, die in der Folge als eines der wichtigsten wie auch gewalttätigsten in der Geschichte Europas galt. Der moralisch-erzieherische Ansatz der Zeitschrift, die sich an Kinder und Jugendliche richtete, kam in diesem Artikel sehr deutlich zum Ausdruck. Nicht zufällig wurde über den gewalttätigen Aufruhr des Pariser Volkes sehr kritisch geschrieben, z.B. an folgender Stelle: "Però la condotta del popolo non fu in questo giorno scevra di colpe. Furono saccheggiate parecchie abitazioni e, nella notte, furono prese d'assalto parecchie botteghe di fornai e di mercanti di vino" ("An diesem Tag war das Verhalten des Volkes aber nicht ohne Mängel. Viele Häuser wurden in der Nacht geplündert und mehrere Geschäfte, Bäcker und Weinhändler wurden gestürmt"). Welche Lektionen sollte die Leserschaft dieser Kinderzeitschrift aus dem Artikel lernen? Und wieso war die Geschichte eines anderen Landes, Frankreich, so prominent in populären italienischen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts vertreten? Diese Fragen stehen im Projekt im Vordergrund.

Moderne politische Zeitschriften entwickelten sich auf der italienischen Halbinsel ab Anfang des 19. Jahrhunderts im Kontext des entstehenden Liberalismus des Frührisorgimento. Das Königreich Savoyen-Piemont orientierte sich bei seiner Pressezensur am liberalen französischen Vorbild und unterstützte dadurch eine weitgehend breite und freie Presselandschaft. Im Blickpunkt liberaler Verleger stand vor allem die Herausgabe populärwissenschaftlicher Zeitschriften und Publikationsreihen. Beweggründe für ihre Aktivitäten waren die Förderung eines neuen italienischen Nationalbewusstseins, der Alphabetisierung und Allgemeinbildung sowie die Vereinheitlichung der italienischen Sprache und Kultur.

Die bisherigen Arbeiten zu den Verlegern des Risorgimento gewähren Einblicke in Prozesse der Konstruktion einer Nation und die Entstehung einer neuen politischen und kulturellen Identität während des Einigungsprozesses im Italien des 19. Jahrhunderts. Sie sagen jedoch wenig über die gezielte Vermittlung oder Darstellung von Geschichte in den zeitgenössischen italienischen Zeitschriften, wenig über transnationale Bezüge aus. Für die Idee der nationalen Einheit Italiens spielt gerade die Thematisierung von Geschichte in den Zeitschriften des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Es soll untersucht werden, wie die Identifizierung mit der eigenen nationalen Geschichte sowie die Auseinandersetzung mit der europäischen Geschichte zur Bildung eines neuen, italienischen Geschichtsbewusstseins beitrugen. Im italienischen Ottocento waren es vor allem französische Zeitschriften, an denen man sich orientierte. Gerade die italienischen Frauenzeitschriften, die sich neben Erziehungs- und Haushaltstipps der Modeberatung verschrieben, arbeiteten im transnationalen Bereich. Die Nationalbewegung des Risorgimento nutzte bewusst das Zeitschriften- und Pressewesen, um dem „italienischen Volk“ eine (gemeinsame) nationale Geschichte vor Augen zu führen.

Im Zentrum stehen insbesondere die bedeutenden Zentren des Pressewesens im 19. Jahrhundert, also die Städten Turin, Mailand, Bologna, Florenz und Rom. Dabei ist die Zeit vor und nach der Einheit in einer vergleichenden Perspektive zu analysieren. Für das Frührisorgimento wird Verlegern wie Vieusseux, mit seiner Antologia, und Pomba, der neben der illustrierten Zeitschrift Teatro universale (seit 1834) auch regelmäßig populärwissenschaftliche Reihen veröffentlichte, große Aufmerksamkeit geschenkt, da sie zentrale Figuren der voreinheitlichen italienischen Presselandschaft sind. Für das vereinigte Italien im späten 19. Jahrhundert steht Mailand im Fokus der Analyse, da die Stadt als Zentrum des zeitgenössischen Verlagswesens anzusehen ist. Insbesondere Intellektuelle wie die großen Verleger Treves, seine Museo di famiglia (1861-79) war die erste illustrierte italienische Zeitschrift überhaupt, und Sonzogno spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang des Alphabetisierungsprozesses sowie der Förderung eines neuen italienischen Nationalbewusstseins. Ebenfalls von hoher Bedeutung innerhalb der Mailänder Zeitschriften sind die an Frauen, Familien und Jugendliche gerichteten illustrierten Periodika, welche im weitesten Sinne den pädagogischen Zeitschriften zuzuordnen sind.

Die Untersuchung der Zeitschriften wird sich dann auf die große politische und soziale Krise am Ende des Jahrhunderts und das Pressewesen des Ersten Weltkrieges konzentrieren, wobei besonders die von Soldaten geschriebenen, illustrierten satirischen Zeitschriften analysiert werden. Das Ziel des Projektes ist es zu zeigen, wie sich die Vermittlung von Geschichte während des 19. Jahrhunderts verändert hat: von den regierungsfreundlichen Zeitschriften der Jahre nach der Einheit, die die Geschichte aus einer behördlichen Perspektive erzählten, bis hin zu den Soldatenzeitschriften des Ersten Weltkrieges, in denen die Geschichte aus der Sicht ihrer Protagonisten dargestellt wurde.

Bearbeiterin: Martina Palli M.A.

 
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