Bildungsforscher tagten in Siegen
Vom 28. bis 30. März 2012 veranstaltete der Bereich Bildungsforschung der Universität Siegen eine internationale Tagung zur videobasierten Kompetenzforschung in den Fachdidaktiken mit 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland.
Sie diskutierten die Erkenntnismöglichkeiten dieses empirischen Zugriffs auf Lehr- und Lernprozesse. Vor allem die Möglichkeit zum interdisziplinären Gespräch über die Grenzen der eigenen Fachdidaktik hinweg wurde von den Teilnehmern gelobt.
Die Analyse von videografiertem Unterricht erlaubt es, praktisches Wissen und Kompetenzen von Lehrpersonen ebenso zu untersuchen wie die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern. Videos können die Komplexität von Unterrichtsprozessen am ehesten abbilden, lassen sich unter verschiedenen Fragestellungen analysieren und erleichtern die fachsprachliche Verständigung über theoretische Begriffe. Nach Sigrid Blömeke (HU Berlin) ist es gerade der Fokus auf Prozesse des Lehrens und Lernens, der Unterrichtsvideos auszeichnet. Sie erinnerte in ihrem Vortrag aber auch daran, dass sich Kompetenz nicht unmittelbar beobachten lässt und es daher eines präzisen Modells bedürfe, welche Beobachtung aus den Videos als Indiz für welche Kompetenzfacette aufgefasst werden könne. Kerstin Göbel (Universität Wuppertal) referierte in ihrem Beitrag die aktuellen Standards für einen zuverlässigen Schluss von beobachtetem Verhalten auf Kompetenz und arbeitete heraus, dass sich die gegenwärtige videobasierte Kompetenzforschung vor allem eines Angebots-Nutzungs-Modells von Unterrichtsprozessen bedient. Ein Beispiel derartiger Forschung zeigten Matthias Baer und Corinne Wyss (Universität Zürich) in ihrem Vortrag, in dem sie Daten aus Fragebögen und Unterrichtsvideos miteinander kombinierten. Jutta Wiesemann (Universität Siegen) und Klaus Amann eröffneten mit einem Beitrag zur Kamera-Ethnografie einen alternativen videobasierten Zugang zum Forschungsfeld und rundeten somit das breite Einsatzspektrum von Videografie in der Bildungsforschung ab. Dazu trug auch Tomas Janik (Universität Brno) mit seinem Überblick über den Einsatz von Unterrichtsvideos in der Lehrerbildung bei, bei dem vor allem die damit verbundenen Möglichkeiten zur Beforschung der Lehrerbildung auf großes Interesse stießen.
Wie viele Fachdidaktiken mittlerweile Unterrichtsvideos in der Kompetenzforschung nutzen, wurde in den über vierzig Präsentationen aktueller Forschungsprojekte deutlich. Vor allem die bisher weniger profilierten Didaktiken, wie etwa die Geografiedidaktik, die Musikdidaktik oder die Religionsdidaktik konnten mit eindrucksvollen Projekten auf sich aufmerksam machen. „Wir wollten mit unserer Tagung zeigen, wie breit und vielfältig das Feld videobasierter Kompetenzforschung in den Fachdidaktiken ist, und Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Fachdidaktiken miteinander ins Gespräch bringen“, sagt Professor Dr. Ulrich Riegel, der Vorsitzende des Bereichs Bildungsforschung im Siegener ZLB. „Das scheint uns gelungen zu sein.“ Er erhofft sich von dieser Tagung auch einen Impuls für die fachdidaktische Forschung an der Universität Siegen. Die Anwesenheit vieler Kolleginnen und Kollegen aus Siegen auf der Tagung lässt ihn hier optimistisch in die Zukunft sehen.