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„Das System ist brüchig geworden“

Der Siegener Soziologe Prof. Dr. Stefan Kutzner forscht zum Thema Heiratsmigration. Diese ist die anteilig größte Form der Einwanderung. Und doch haben sich die Verhältnisse in den zurückliegenden Jahrzehnten verändert. Wegbrechende Fabrikarbeitsplätze und fehlende Weiterqualifikation machen es vor allem türkischen Migranten schwerer, sich in ein Mittelstandsmilieu zu integrieren.

In jedem Jahr kommen Tausende Menschen aus dem Ausland nach Deutschland. Beim überwiegenden Teil der Einwanderer, so Jan F.C. Gellermann, Doktorand am Seminar für Soziologie der Universität Siegen, handelt es sich um so genannte Familienmigranten. Dazu gehört auch die Heiratsmigration. Und diese ist ein Forschungsschwerpunkt von Jan Gellermann sowie seines Doktorvaters Prof. Dr. Stefan Kutzner (ZPE). Der Wissenschaftler: „Das Thema Heiratsmigration ergab sich aus der Praxis.“ Vor etwa drei Jahren wurde er sowohl vom Diakonischen Werk im Kirchenkreis Siegen als auch vom Türkisch-Deutschen Elternverein angesprochen. Die Frage lautete, ob er an der wissenschaftlichen Begleitung einer Bildungsmaßnahme für Migrantinnen interessiert sei. Ziel der Bildungsmaßnahme war es, Migrantinnen mit den Lebens- und Arbeitsverhältnissen in Deutschland vertraut zu machen.

Studierende des Master-Studiengangs Bildung und Soziale Arbeit interviewten alsdann in einem mehrsemestrigen Forschungspraxisseminar 14 Teilnehmerinnen überwiegend türkischer Herkunft und in einem zweiten Projekt weitere elf Frauen, von denen auch einige aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen. Zudem gab es Fragebögen zu den Herkunfts- wie auch den Gattenfamilien. Der Soziologe: „So ist interessantes Material gesammelt worden, das nun in einem zweiten Forschungspraxisseminar weiter ausgewertet wird. Jeweils ein Interviewer konnte durch Fragen zu mehreren Generationen ein ganzes Familienspektrum abdecken. Die Interviewten des ersten Projektes stammten mehrheitlich aus traditionellen agrarischen Milieus der Mittel- und Osttürkei oder aus Familien, die bereits innerhalb der Türkei aus solchen landwirtschaftlich geprägten Lebenswelten in die Ballungszentren der Mittel- und Westtürkei binnenmigriert waren. Letztere lebten dort in kleinbürgerlichen Arbeitermilieus. 13 der 14 Befragten gingen in jungen Jahren arrangierte Ehen ein. Nur eine Muslimin wählte den Ehemann gegen den Elternwunsch selbst aus.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Sozialisationsverläufe der befragten türkischen Frauen sich deutlich von denen deutscher Jugendlicher unterscheiden. In der Regel sind die Eltern auch bei ihren Töchtern der damals fünfjährigen Schulpflicht nachgekommen. Darüber hinausgehende Bildung und Ausbildung ist eher selten. Fast alle Befragten stammen aus Großfamilien. Kutzner: „Die Familie ist für sehr lange Zeit die wirkmächtigste Instanz.“ Geheiratet wird früh. Frauen gehen von der Herkunftsfamilie in die Gattenfamilie über. Kutzner: „Man kann sehen, wie die Männer zu den Bildungsmaßnahmen stehen – viele positiv, trotz anfänglicher Skepsis.“ Eckpfeiler des Widerstandes waren zumeist die Schwiegermütter: „Da stellte sich die Frage, womit der Mann es hält – mit der Frau oder seiner Mutter.“ Keine einfache Situation, führt sie doch zu Generationenkonflikten.

Die Siegener Forscher wollen mehr über die Zusammenhänge wissen und ein Forschungsprojekt zum Thema „Lebensbedingungen und Habitusformationen türkischer Heiratsmigrantinnen“ beantragen. Dabei steht auch der Ablauf von innerfamiliären Prozessen zwischen Generationen im Mittelpunkt. Zudem interessiert, welche Auswirkungen bestimmte Bildungsmaßnahmen haben und wie man diese auf Grundlage der gewonnen Erkenntnisse verbessern kann. Überdies möchten die Wissenschaftler das Thema „Heiratsmigration“ langfristig als Forschungsschwerpunkt an der Universität Siegen etablieren. Innerhalb der Universität ist dieses Vorhaben bereits vernetzt im Rahmen der "Forschungsstelle Siegerland" sowie des Forscherkollegs "Zukunft menschlich gestalten".

Das Thema Heiratsmigration ist hochaktuell. Universität Siegen, ZPE und Diakonie laden daher für den 28. September zur gleichnamigen Fachtagung ins Audimax der Universität Siegen ein. Themen sind beispielsweise „Migrationsgeschehen im Wandel“, „Heiratsmigration nach Deutschland: Aktuelle Befunde – Schwerpunkt Türkei“ oder „Familiennachzug: Barriere oder Erleichterung für die Integration?“. Mehr Infos gibt es unter www.heiratsmigration.de.

 
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