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Rechen und Reden

Der Kölner Künstler Ivo Weber ist mit seinem „Waldfegen“ zu Gast beim Projekt „Wanderspace“ / „7 Tage, 7 Hügel“ der Universität Siegen.

Nach getaner Tat stellen sich die Beteiligten noch einmal auf. Mit der Hand oder auch mit beiden Händen umfassen sie die hölzernen Stiele ihrer Arbeitsgeräte. Die Zinken der Rechen ruhen am Boden. Die Zeit des Tuns ist um, die Energie aber noch spürbar. Sie bündelt sich in diesem komponierten Standbild, das später plakativ in der Stadt von dem erzählen wird, was am Ort des Geschehens längst niemand mehr sieht. Mitten im Wald haben Menschen den Boden geräumt, haben Äste, Laub, Vermodertes beiseitegeschafft, um eine zuvor mit Pfählen und Bändern abgesteckte Fläche freizulegen: ein Stück vom Boden unter hohen Laubbäumen, für eine kurze Zeit nur sichtbar gemacht und dann wieder bedeckt. „Als wären wir nicht da gewesen …“, sagt Ivo Weber.

„Waldfegen“ nennt der Künstler aus Köln sein Konzept, mit dem er seit rund zwanzig Jahren unterwegs ist. Mit diesem Projekt waldfegen_web2bringt er Interessierte zusammen, die mehr miteinander unternehmen, als einfach nur mit Bedacht das Laub auf einem klar umrissenen Areal zu entfernen. Ivo Weber fordert die Aktion mit klaren Ansagen heraus, aber mehr noch fördert er die Kommunikation. Auf dem Weg zum Ort des Geschehens, während des möglichst konzentrierten Schaffens, beim Posieren fürs „Waldfegen“-Bild, beim Zurückrechen all des zusammengekehrten Laubs, bei Speis und Trank ist reichlich Gelegenheit zum Reden – über das Woher und Wohin, das Warum und Wozu, über das Wetter, aber auch über den Wald, der den Rahmen für das gemeinsam Erlebte bildet.

„Durch das Fegen soll das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden und ein Austausch über die Bedeutung des Waldes als regionaler Kultur- und Naturraum entstehen“, sagt Prof. Dr. Johanna Schwarz, die an der Universität Siegen eine Professur für Künstlerische Strategien im öffentlichen Raum/Kulturelle Bildung innehat und das Projekt mit Ivo Weber für Siegen initiierte. Das titelgebende „7 Tage, 7 Hügel – Waldfegen“ umreißt den Ansatz, binnen einer Woche auf den sieben Bergen rund ums Zentrum der Stadt sieben temporäre Kunstwerke entstehen zu lassen. Sechsmal haben Interessierte den Wald gefegt, auf Lindenberg, Giersberg, Häusling, Rosterberg, Wellersberg und Fischbacherberg. Der finale Gipfel soll am Mittwoch, 8. November, erklommen werden, um 17 Uhr mit einer letzten Aktion am Oberen Schloss. Nach einem „Walk“ gibt es den „Talk“, zu dem alle Teilnehmenden sowie weitere Gäste ab 18 Uhr in die Spandauer Straße 40 eingeladen sind. In den Räumen des Fachbereichs Kunst fügt sich theoretisch zusammen, was im Wald so praktisch erfahrbar geworden ist. Denn Ivo Webers „Waldfegen“ ereignet sich unter dem Dach des Projekts „Wanderspace“ der Universität Siegen. Im „Wanderspace“ stehen Formate im Fokus, mit denen Künstler*innen kulturelle Teilhabe ermöglichen – und zwar in der Region, in der Fläche, in jenem ländlich-industrialisierten Raum, der Siegen-Wittgenstein ausmacht. Kunst und künstlerische Strategien sollen nicht Selbstzweck sein, sondern „Ausgangspunkte für Begegnungen“, wie es in der Projektbeschreibung heißt.

Beim „Waldfegen“ bleibt es nicht bei dem fast meditativen Ereignis nur für jene, die mit dem Rechen ein Muster auf den Waldboden zeichnen. Denn mit dem Foto, das am Ende festhält, was für den Moment geschaffen worden ist, teilen sich die Beteiligten später mit. Sie werfen im öffentlichen Raum Fragen auf, regen zum Nach- und zum Weiterdenken an, machen neugierig auf ein liebenswertes „Absurdistan“ irgendwo im Nirgendwo. Ab dem 9. November präsentiert Ivo Weber seine Aktion auf großen Plakatwänden in der Stadt.

Im Frühjahr 2021 war der Künstler mit seinen „Waldfegen“-Plakaten schon einmal in Siegen präsent. Damals ermöglichte ihm ein Stipendium der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst das bundesweite Herzeigen seiner Dokumentation. Er stellte dann überall dort öffentlich aus, wo es eine Verbindung gab zu Menschen, die beim „Waldfegen“ schon einmal mitgemacht hatten. In Siegen war dieser „Link“ die Künstlerin und Kunstprofessorin Barbara Christin, die vor zweieinhalb Jahren als Patin für Webers Plakate in ihrer Heimatstadt fungierte. Damals zeigten die Fotografien das „Waldfegen“ dort, wo Ivo Weber alljährlich mit einer immer wieder anderen Gruppe unterwegs ist: im herbstlichen Wald rund um Köln.

Für „Wanderspace“ hat er, mit ortskundiger Unterstützung, im Frühjahr die sieben Hügel Siegens durchstreift und jeweils einen Platz gefunden, der tragfähig ist für sein Konzept. Der jeweilige Ort gebe ihm dann die Form, die beim Rechen entstehen solle, sagt Ivo Weber. Mal ist es ein Weg, mal die Anmutung eines Hauses, mal ein Viereck, mal mehrere unverbundene Flächen. Sind es üblicherweise von ihm beauftragte Menschen aus dem künstlerischen Umfeld, die ihrerseits die Mit-Akteur:innen berufen, waren es in Siegen grundsätzlich Interessierte, die den Wald fegen konnten. An einem Tag seien es junge Leute gewesen, gerade dabei, Deutsch zu lernen, so der Künstler. Das Wort „Waldfegen“ kannten sie bislang nicht, bedeutungstragend wurde das Kompositum aus „Wald“ und „Fegen“ auch für sie erst im Tun. (Claudia Irle-Utsch)

Weitere Informationen zum Projekt Wanderspace der Uni Siegen finden Sie hier.

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