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Interview zu den Protesten gegen Rechtsextremismus

Zehntausende Menschen haben in ganz Deutschland in den vergangenen Tagen gegen Rechtsextremismus demonstriert, so auch in Siegen. Der Politikwissenschaftler und Soziologe Dr. Olaf Jann ordnet die Demos auch im Vergleich mit anderen Protesten ein.

Dr. Jann, wie sind die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus im Vergleich zu anderen Demonstrationen einzuordnen? Ist dies eine bundesweite Bewegung oder sind es sehr individuelle Proteste?
Die Proteste sind soziologisch gesehen zuerst ein weiteres Indiz für die Polarisierung, Emotionalisierung und Moralisierung der Gesellschaft. Signifikant ist, dass vor allem nicht für, sondern gegen etwas demonstriert wird; also gegen rechte politische Positionen, gegen eine Oppositionspartei und ihr entsprechendes Wahlmilieu; und dies in Verbund mit der Regierung. Dass Protestierende und Regierung eine Einheit bilden und gegen eine andere im Bundestag vertretene Partei demonstrieren ist eher ungewöhnlich.

Individuelle Proteste sind es sicherlich nicht, die Proteste haben schon einen bundesweiten Charakter, allerdings mit der Einschränkung, dass diese wohl vornehmlich in urbanen Zentren des Westens stattfindet; was die bereits vielfach soziologisch diagnostizierte Stadt-Land-Differenz noch einmal deutlich macht.

Was ist aus Ihrer Sicht der Auslöser für die Demonstrationen? Was sind die Beweggründe der Menschen, auf die Straße zu gehen?
Migration ist das primäre Konfliktthema aller europäischen Gesellschaften. In Deutschland ist jede Diskussion darüber stark affektiv aufgeladen. Migration bzw. in diesem Fall Remigration ist ein wesentlicher "Triggerpunkt" (Mau), mit dem viele Assoziationen, aber auch grundsätzliche Vorstellungen über die zukünftige Gestaltung der Gesellschaft verknüpft sind. Zudem haben die hohen Umfrageergebnisse der AfD und die Diskussion im Vorfeld über das Verbot dieser Partei die Demonstrationen sicherlich ebenso befeuert wie die "Umsturzpläne", die den Bauerprotesten ungerechtfertigterweise attestiert wurden. Neben der emotional-moralisierenden Komponente eine Haltung gegen rechte Positionen zu zeigen, geht es auch ganz unsentimental um politische Verteilungskämpfe sowie um die Deutungsmacht im öffentlichen Raum.

Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Entwicklungen in der Bundesrepublik?
In der jüngeren Vergangenheit kann ich hier keine ähnlichen Proteste identifizieren, da müsste man schon in die Zeit der "Bonner Republik" zurückgehen. Allerdings sind die politischen Diskurse auch noch nie so moralisiert gewesen, wie sie es gegenwärtig sind.

Wie sind die Teilnehmerzahlen und die Anzahl der Kundgebungen zu bewerten?
Wenn man die Zahlen, die in den Medien genannt werden, zugrundelegt ,ist die Quantität durchaus überraschend. Die hohen Teilnehmerzahlen kommen auch dadurch zustande, dass wie o.a. vor allem gegen etwas protestiert wird. Dies hat den Vorteil, dass sich hier ganz unterschiedliche Gruppen zusammenfinden können, die ansonsten sicher Differenzen haben, die aber ein gemeinsames Feindbild (Gut gegen Böse) eint.

Wie nachhaltig schätzen Sie die Demos ein?
In sehr kurzer Zeit haben sich verschiedene Protestgruppen im öffentlichen Raum abgewechselt. Nach den Klimaprotesten, den antisemitischen Demonstrationen und den Protesten der Bauern, ist es nun das links-grüne Milieu, das auf die Straße geht. Die hohen Umfragewerte für die AfD bleiben davon aber bisher noch weitgehend unberührt. Nachhaltig sind alle diese Proteste vor allem im Hinblick darauf, dass sie die politische Atmosphäre schärfen. Die emotionale Aufladung und die Konfrontationen werden im Laufe des Jahres sicher weiter zunehmen.

 
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