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Politische Bildung zwischen professioneller Autonomie und staatlicher Inanspruchnahme

Siegener Sozialwissenschaftler untersucht den Wandel der politischen Bildung und ihrer Inanspruchnahme durch den Staat seit der Nachkriegszeit.

In Zeiten gesellschaftlicher Konflikte und Polarisierungen, die als Bedrohung für die Demokratie wahrgenommen werden, werden in der politischen Öffentlichkeit regelmäßig Rufe nach einer Stärkung der politischen Bildung laut. Diese scheint sich laut dem Siegener Sozialwissenschaftler Jun.-Prof. Dr. Alexander Wohnig in Ausrichtung und Intention mit den Jahren stark gewandelt haben. „Während die politische Bildung nach 1945 vor allem als Stabilitätsgarant für die noch junge Demokratie gesehen werden kann, wurde sie in den 1970er Jahren unter der sozial-liberalen Koalition zunehmend kritischer und zielte auf mehr Demokratisierung“, so Wohnig. „Seit den 1990er Jahren, also der Zeit nach der Wiedervereinigung, ist zu beobachten, dass politische Bildung als eine Art Feuerlöscher zur Extremismusprävention dient.“

Diese Beobachtungen möchte Wohnig gemeinsam mit PD Dr. Marlon Barbehön, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, in einem Anfang April gestarteten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt, systematisieren und herausarbeiten, welches Demokratieverständnis in den jeweiligen Phasen bei der Anrufung politischer Bildung durch den Staat und der Entgegnung der Profession auf diese Anrufungen seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland formuliert wird.

„Hinter der staatlichen Praxis, durch staatliche Aktionsprogramme, Förderlinien und Bildungspläne politische Bildung in eine gewünschte Richtung zu lenken – etwa aktuell um der Entwicklung radikaler Einstellungen präventiv vorzubeugen – stecken immer auch Vorstellungen von Demokratie und politischer Bildung“, so Wohnig. So betone etwa die Profession der politischen Bildung aktuell in Kritik an staatlicher Anrufung, dass politische Bildung auch zu einer kritischen Hinterfragung des gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Status quo befähigen muss und nicht in einer Praxis der Prävention aufgeht.

In ihrem Projekt gehen die Forscher von der Annahme aus, dass ein grundlegender Konflikt zwischen „Staat“ und „Politischer Bildung“ existiert, der sich in den unterschiedlichen Sichtweisen äußert, welche Bedeutung letztere für die Demokratie hat. Das Projekt will verschiedene Arten dieses Konflikts untersuchen, indem es staatliche Anrufungen und Entgegnungen der Profession in einem Forschungssetting der historisch-interpretativen Sozialforschung analysiert. „Wir möchten herausfinden, was diese Konflikte spezifisch macht, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben und welche Zusammenhänge es gibt“, so Wohnig. Dazu recherchieren die Wissenschaftler in Archiven und werten unterschiedlichste Quellen, wie Akten, Erlasse, Förderprogramme oder Schulbücher aus.

Ansprechpartner

Jun.-Prof. Alexander Wohnig
Tel. 0271 740-2713
E-Mail: alexander.wohnig@uni-siegen.de

 
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