„Siegener Erklärung“ zur beruflichen Bildung
Was muss sich in der beruflichen Aus- und Weiterbildung tun, um künftige Fachkräfte noch besser auf die Industrie 4.0 vorzubereiten? Das haben Expert*innen der „Arbeitsgemeinschaft gewerblich-technische Wissenschaften und ihre Didaktiken“ (gtw) bei ihrer Herbstkonferenz in einer „Siegener Erklärung“ festgehalten.
Themen wie die Digitalisierung, Globalisierung, Künstliche Intelligenz, die Energiewende und Nachhaltigkeit prägen die Industrie 4.0 und damit die Arbeitsplätze von morgen: Fachkräfte arbeiten in Produktionsumgebungen, die immer stärker vernetzt und digitalisiert sind. Welche Qualifikationen dafür nötig sind und wie diese in einem zeitgemäßen berufsbildenden Unterricht vermittelt werden können, darüber haben sich Expert*innen beim 23. Symposium der Arbeitsgemeinschaft für gewerblich-technische Wissenschaften (gtw) an der Universität Siegen ausgetauscht. Ihre Empfehlungen haben sie anschließend in einer „Siegener Erklärung 2024“ zusammengefasst.
„Wir erleben im Bereich der gewerblich-technischen Facharbeit zurzeit vielfältige Transformationen. Damit die Facharbeiterinnen und Facharbeiter gerade im hochinnovativen Mittelstand – Stichwort „Hidden Champions“ – die Herausforderungen einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt meistern können, brauchen wir innovative Lernkonzepte und gut qualifiziertes Bildungspersonal“, erklärt Prof. Dr. Ralph Dreher vom Lehrstuhl für Technikdidaktik am Berufskolleg der Uni Siegen, der das Symposium ausgerichtet hatte.
Wie zukunftsfähige Lernkonzepte aussehen können, erlebten die Tagungsteilnehmer*innen unmittelbar am Tagungsort: Der Campus Buschhütten ist ein moderner Lernort, an dem Auszubildende, Facharbeiter*innen, Studierende und Wissenschaftler*innen der Universität Siegen und der RWTH Aachen kollaborativ lernen und forschen. Hier zeige sich exemplarisch, dass eine große Stärke der industriellen Produktion aus dem Ideenreichtum der miteinander vernetzten Forschenden, Lehrenden und Lernenden erwachse, heißt es dazu in der „Siegener Erklärung“. Die Unterzeichner fordern Bund und Länder auf, ähnliche Lernkonzepte wie am Campus Buschhütten zu unterstützen, wissenschaftlich zu begleiten und weiterzuentwickeln. So lasse sich ein Beitrag zur Innovation des dualen Systems leisten.
Eine weitere Forderung der gtw-Verantwortlichen bezieht sich auf die Nachwuchssicherung im Bereich der Lehrkräfte für die berufliche Bildung: Es sei so gut wie kein Studienstandort zu finden, der in entsprechenden Master-Studiengängen zweistellige Einschreibezahlen habe, heißt es in dem Papier. Der Bedarf an Lehrkräften sei hingegen weiterhin sehr hoch – und die Bugwelle an ausscheidenden Lehrkräften komme erst noch. Die gtw fordert vor diesem Hintergrund, die gewerblich-technischen Fachrichtungen an Universitäten und Hochschulen zu erhalten und auszubauen. Im Hinblick auf bereits existierende, unterschiedliche Modelle der Länder für Seiten- und Quereinsteiger*innen mahnen die Verantwortlichen an, dass diese stets mit einer forschungsorientierten Lehrkräfteausbildung an einer Hochschule gekoppelt werden müssten. Es sei wichtig, dass bei der Ausbildung von Lehrkräften bundeseinheitliche Standards gewahrt werden, um die Qualität zu sichern.
Darüber hinaus setzen sich die gtw-Sprecher in ihrer „Siegener Erklärung“ für ganzheitlich angelegte Berufsbildungskonzepte ein. Die berufliche Ausbildung und die Aufstiegs- und Fort-Bildung müssten enger miteinander verzahnt werden, heißt es. Nur so ließen sich systematische Karrierewege und eine kontinuierliche berufliche Entwicklung erzielen.
Hintergrund:
Die gtw ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., die in Lehre, Forschung und Entwicklung einer gewerblich-technischen Wissenschaft und/oder ihrer Didaktik tätig sind. Das 23. Gtw-Symposium fand am 10. und 11. Oktober auf dem Campus Buschhütten statt. Die „Siegener Erklärung“ im Wortlaut finden Sie hier
Kontakt:
Prof. Dr. Ralph Dreher (Lehrstuhl für Technikdidaktik am Berufskolleg)
E-Mail: dreher.tvd@uni-siegen.de
Tel.: 0271 740 3604
Expert*innen aus dem Bereich der beruflichen Bildung kamen auf dem Siegener "Campus Buschhütten" zum 23. gtw-Symposium zusammen. (Foto: Katja Fröhlich)