„Ein großer Wurf für die Schule der Zukunft“
130 Gäste folgen der Einladung von Universität Siegen und Siegener Zeitung zur ersten Siegener Wissenschaftsrunde
An die Lehrkraft werden heute weit mehr Anforderungen gestellt als das pure Unterrichten. Über die Konsequenzen tauschten sich Experten und Interessierte bei der ersten Siegener Wissenschaftsrunde aus. Universität Siegen und Siegener Zeitung hatten gemeinsam zum Thema „Zukunft der Schule - Schule der Zukunft“ ins Peter-Paul-Rubens-Gymnasium eingeladen. 130 Gäste folgten der spannenden Diskussion, die von SZ-Chefredakteur Dieter Sobotka moderiert wurde.
Prof. Holger Burckhart, Rektor der Universität Siegen, machte deutlich, dass die Lehrerinnen und Lehrer auf die gesellschaftliche Wirklichkeit vorbereitet werden müssen. Drei Herausforderungen gelte es zu meistern: Zum einen die Verschiedenartigkeit, jedes Kind muss dort abgeholt werden, wo es steht. Außerdem die Ökonomisierung von Handlungen. Drittens müsse der Mediengesellschaft Rechnung getragen werden. Ulrich Wehrhöfer, Vertreter des NRW-Schulministeriums, weiß, dass „die Ausbildung den Anforderungen ein Stück weit hinterherhinkt“. Er verweist aber auf das neue Lehrerausbildungsgesetz. Das sei „ein großer Wurf für die Schule der Zukunft“, so Prof. Burckhart. Für Ulrich Wehrhöfer ist es ein „Quantensprung“. Er nennt die Verbesserungen: Ab dem Wintersemester 2011/2012 werden alle Lehrer gleich lang ausgebildet. Darin sieht Erziehungswissenschaftler Prof. Werner Heymann „eine große Chance“. Für die Grundschule gibt es ein eigenständiges Lehramt. Die Ausbildung wird auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Außerdem ändern sich die Praxisphasen. Bereits vor dem Studium ist ein Eignungspraktikum vorgesehen. Es folgen ein Orientierungspraktikum, ein Berufsfeldpraktikum, ein Praxissemester im Master sowie ein verkürztes Referendariat. Zudem müssen alle Lehramtsstudierenden das Modul Deutsch als Zweitsprache belegen.
„Die neuen Studiengänge werden intensiv vorbereitet. Zum Glück haben wir an der Universität Siegen schon eine Modularisierung, auf der wir aufbauen können“, erklärt Prof. Franz-Josef Klein, Prorektor für Lehre, Studium und Weiterbildung. Mehr und mehr Abiturienten würden sich für ein Lehramtsstudium in Siegen entscheiden. „Die Nachfrage ist sehr hoch, allerdings ist die Verteilung auf die Fächer nicht gleichmäßig“, so Prof. Klein. Insbesondere die Naturwissenschaften sind schwächer belegt.
Oberstudiendirektor Paul Behrensmeyer, Schulleiter des Rubens-Gymnasium, betonte, dass die Siegener Lehramtsstudierenden gut auf die zweite Ausbildungsphase, das Referendariat vorbereitet seien. Dafür gibt es Gründe. „An der Universität Siegen war der Praxisanteil schon immer sehr hoch“, erklärt Prof. Heymann. Das neue Eignungspraktikum bewertet er jedoch kritisch. Der Erziehungswissenschaftler bevorzugt ein weiteres betreutes Praktikum während des Studiums. Für die Lehramtsausbildung an der Universität Siegen plant er ein Mentoring-System. Jeder Student soll seinen persönlichen Ansprechpartner bekommen, der ihn durchs Studium begleitet.
Eines der großen Diskussionen des nächsten Jahrzehnts sei das Thema Inklusion. Nach der UN-Konvention haben alle Kinder mit Handicaps demnächst einen Rechtsanspruch, in einer Regelschule angenommen zu werden. „Jeder Lehrer muss mit förderbedürftigen Kindern umgehen können. Inklusion ist der Auftrag der Zukunft“, so der Rektor der Universität Siegen. Insgesamt müsse der Horizont der zukünftigen Lehrer geöffnet werden für die vielfältigen Problemstellungen der Kinder. Eine Ausbildung für Diagnostik sei unerlässlich. Zudem müssten Lehrer Unterstützungssysteme an die Hand bekommen, wie Schulpsychologen oder Ganztagspädagogik.
Das Publikum schloss sich der regen Diskussion an. „Wir sollten diesen Dialog fortsetzen“, schlug Prof. Burckhart vor. So könnte erörtert werden, welche Erwartungen die Schulen an die Uniabsolventen hätten, aber auch welche Grundlagen Abiturienten für ein Studium benötigten. „Das Lehrerbildungszentrum der Universität Siegen ist der Dialogort.“