Müntefering: Den demografischen Wandel positiv gestalten
Der Bundesminister a. D. war auf Einladung des Forschungskollegs „Zukunft menschlich gestalten“ der Universität Siegen (FoKoS) zu Gast im Haus der Siegerländer Wirtschaft.
Das FoKoS erhält regelmäßige Impulse durch die Vortragsreihe „Zukunft menschlich gestalten“, im Rahmen derer Franz Müntefering mit den zahlreichen Zuhörern über die demografische Entwicklung in Deutschland und speziell im Siegerland diskutierte. Der SPD-Politiker veranschaulichte die sich rapide ändernde Altersstruktur unserer Gesellschaft. Dabei war ihm eine Botschaft besonders wichtig: „Der demografische Wandel ist kein Sachzwang, gesellschaftliche Entwicklungen sind formbar.“ Entsprechend gelte es, nach den Chancen zu fragen, die in dieser Veränderung lägen. Zentralen Handlungsbedarf bei der Gestaltung des demografischen Wandels sah Müntefering unter anderem im Umgang mit dem Fachkräftemangel: Wie kann Politik hohe Abbruchraten in Schule, Ausbildung und Studium senken? Wie muss das Bildungssystem insgesamt reformiert werden, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben? Dies seien zentrale Fragen, die künftige Regierungen beantworten müssten, betonte Müntefering. Insbesondere verwies der Sozialdemokrat auf die regionale Zuspitzung des Fachkräftemangels. Weil viele junge Erwachsene nach Ausbildung oder Studium in attraktive Metropolen zögen, litten ländlicher geprägte Gebiete wie das Siegerland deutlich stärker unter dem Mangel an qualifizierten Fachkräften.
Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, appellierte Müntefering an das Selbstverständnis der Siegerländer Region, die als Industriegebiet mit vielen produzierenden Arbeitsplätzen ein attraktiver Arbeitsort für junge Menschen sein könne. Aufgabe der Städte und Gemeinden in der Region sei es deshalb, ihre Stärken energischer zu kommunizieren: „Diese Region macht nicht deutlich genug, dass sie gut ist.“ Müntefering, der für die SPD in der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel maßgeblich an der Einführung der so genannten „Rente mit 67“ mitgewirkt hat, bekräftigte in seinem Vortrag die Notwendigkeit, ältere Menschen stärker in das Erwerbsleben einzubinden. Viele Menschen seien heute noch mit 65 Jahren bei bester Gesundheit und könnten ein längeres Leben erwarten. Die Frühverrentungspolitik früherer Regierungen sei deshalb ein teurer Fehler gewesen. Dennoch war es dem Sozialdemokraten wichtig zu betonen, dass Menschen und Berufe unterschiedlich seien und es deshalb individuelle Lösungen beim Renteneintrittsalter und der Gestaltung des Ruhestandes geben müsse.
Der 73 Jahre alte Abgeordnete machte gleichzeitig klar, dass die ältere Generation in der Verantwortung stehe, einen Beitrag zum Gelingen des demografischen Wandels zu leisten. Die Politik sei gefordert, Möglichkeiten zu schaffen, damit Ältere neue Berufe erlernen können. Die Vorstellung sei falsch, jeder müsse sein Leben lang nur einer Arbeit nachgehen. Der demografische Wandel ist seit Jahren ein zentrales Thema auf der politischen Agenda in Deutschland. Die Auswirkungen dieses Wandels zeigen sich in der Region des Siegerlandes besonders deutlich. Das FoKoS greift diese Entwicklung in seiner Forschung auf und verfolgt so das Ziel, sie durch eine enge regionale Anbindung wissenschaftlich zu begleiten und auf diese Weise an ihrer Gestaltung teilzunehmen.