Uni liest in der Stadt
Sprechzirkus III gastierte Donnerstagabend in der Musikbar Schellack. Von Wasserleichen und warmen Bier am Montagmittag.
Jetzt wo die Sieg freigelegt wird und die Stadt zu neuen Ufern aufbricht, bieten sich Texte über das kühle Nass an. So startet Dichter Crauss den dritten Siegener Sprechzirkus gleich mit zwei „Wasserleichengedichten“. Die Artisten im Sprechzirkus sind Studenten aus Seminaren, die Crauss gehalten hat, aber auch Musiker und nach Siegen angereiste Dichter: „ein Nukleus, der sich fortlaufend erweitert“, so beschreibt Crauss seine Künstlergruppe. Als Manege für ihre poetischen Texte haben sie sich am Donnerstagabend die Musikbar Schellack in der Oberstadt ausgesucht. Sprechzirkusdirektor Crauss begrüßt und beschreibt das Publikum mit den Worten: „Die Uni kommt in die Stadt. Jetzt ist mehr Uni hier als Stadt“.
Die Texte der Studenten sind nicht selten so alkoholhaltig wie die Bar und stellenweise blutrot wie der Farbton an den Wänden des Schellacks. So stellt Sven Draht den Alkoholiker Manfred vor, der in seinem blauen Ford Taurus sturzbetrunken durch die Sonntagnacht rast. Im vollkommen hoffnungsfreien Zustand der Selbstaufgabe bringt er jedoch nicht mehr zustande, als Erbrochenes auf einem Autobahnrastplatz zu verteilen und am Montagmittag wieder in seiner Wohnungen neben einer Plastiktüte mit Bier aufzuwachen. Aber: „Ein warmes Bier für den Anfang des Tages geht schon in Ordnung“, denkt sich Manfred.
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Beim Text „Das rote Kissen“ gesellt sich zu der anfänglichen Tragik nun inhaltlich sowie im Vortragsstil die Komik. Laura Puglisi und Benedikt Smaluhn geben das hoffnungslose Paar, bei der Sie für einen anderen schwärmt und Er vor Liebe und Eifersucht zwar den Facebook-Status seines Nebenbuhlers eifrig verfolgt, jedoch den nicht vorhandenen Beziehungsstatus seiner Angebeteten fortwährend fehldeutet.
Wie in einem echten Zirkus wird die Vorstellung auch immer wieder von Musik begleitet. Zirkus auch, wenn Mario Löhr seinen Musikbeitrag ankündigt mit „Wer im Raum kennt Oasis?“, was vom Publikum ähnlich zurückhaltend belächelt wie beantwortet wird.
Applaus gibt es hingegen verdient und nachhaltig beim abschließenden Stück „Jolene“. Crauss‘ deutsche Übersetzung des Dolly Parton Hits, in der er jeder Frau davor warnt, sich an seinen Mann ranzumachen.