Reise und Identität
Studierende des romanischen Seminars stellen innovative Exponate zu Reiseberichten der Weltliteratur in der Universitätsbibliothek aus. Die Ausstellung läuft bis zum 29. Juni.
Je weiter man reist, umso näher kommt man sich selbst. Reisen bedeutet Suche ebenso wie Entdeckung, Faszination ebenso wie Irritation, Eigenes ebenso wie Fremdes, aber immer: eine Bereicherung. Doch wie funktioniert das Ausbilden unserer Identität auf unseren Reisen genau? Warum lernen wir in der Fremde mehr über uns selbst als in der Heimat? Welchen Sehnsüchten folgen wir und welchen Ängsten möchten wir entfliehen? Was halten wir auf Fotos und in Reisetagebüchern fest? Was nehmen wir mit zurück? Wem erzählen wir über unsere Reisen und wie erzählen wir unsere Geschichten?
Begegnen, Erleben und Erzählen bilden die Bindeglieder zwischen Reisen und Identitäten. Die Ausstellung geht diesen Verbindungen nach. Studierende des romanischen Seminars „Reisen und Identität“ haben Modelle entwickelt und in innovative Ausstellungsexponate überführt, in denen zentrale Elemente und theoretische Zusammenhänge veranschaulicht werden: Weltkarten, Reisekoffer, Globus, Flaschenpost, Theorietagebücher, Puzzle, Briefe, Identitäten-Roulette und vieles mehr laden die Besucher dazu ein, sich selbst auf eine spannende Reise zu begeben.
Die Exponate basieren auf einem der magischsten und faszinierendsten Reiseberichte der Weltliteratur, den Abenteuern und Irrfahrten des Gaviero Maqroll (Empresas y tribulaciones de Maqroll el gaviero), verfasst zwischen 1986 und 1993 von dem berühmten lateinamerikanischen Autor Álvaro Mutis (1923-2013). Mutis hat selbst von seiner Geburt in Kolumbien bis zu seinem Tod in Mexiko ein sehr bewegtes und reisereiches Leben geführt. Seine literarische Figur Maqroll kann als ein Alter Ego gelten, das ihn viele Jahre lang begleitete. In sieben Bänden bereist Maqroll die Meere der Welt, die Gipfel der Anden, die Höhlen der Berge, den Dschungel und die Städte Lateinamerikas. Er begegnet armen und reichen Menschen, Polizisten und Soldaten, Banditen, Drogenbossen und Terroristen, einfachen Arbeitern und Plantagenbesitzern, Prostituierten, Kapitänen, indigenen Völkern und natürlich anderen Reisenden sowie den unsteten Lieben seines Lebens. Die bekanntesten Persönlichkeiten sind hierbei die unordentliche und raue, jedoch gutherzige Flor Esterez, mit welcher er eine kurze Affäre führte, sowie Abdul Baskur und Ilona, welche undurchsichtig, jedoch sympathisch und unkonventionell sind. Diese Reisen und Begegnungen machen aus ihm einen Geschichtenerzähler sondergleichen und eine schillernde Persönlichkeit, die sich zwischen Sehnsucht und Flucht durch die Gefahren und Schönheiten der zeitgenössischen Welt bewegt. Die Ausstellung dauert bis Sonntag den 29. Juni und konzentriert sich auf Elemente von Seereisen und Reisetagebüchern, wobei ein zumeist nostalgischer und kreativer Stil gepflegt wird. Wo fängt Identität an und wo hört die Reise auf? Nicht umsonst sagt die Forschung, dass in jedem von uns ein bisschen Maqroll steckt.
Die Ausstellung kann vom 23. bis zum 29. Juni 2014 im Foyer der Universitätsbibliothek der Universität Siegen, Adolf-Reichwein-Str. 2, 57076 Siegen besichtigt werden.