Was Pausengespräche verraten
Wissenschaftler der Uni Siegen erforschen in einem neuen Projekt die Publikumskommunikation im Apollo-Theater. Für Gesprächsstoff sorgt „Verrücktes Blut“.
Der gemeinsame Theaterbesuch ist nicht nur ein geselliges Ereignis par excellence, sondern auch die erste Gelegenheit, über anregende oder aufwühlende Bühnenerlebnisse ins Gespräch zu kommen. Wie Pausengespräche im Theater ablaufen und welchen Aufschluss sie über die Rolle des Theaters in der Gesellschaft geben, ist das Thema eines germanistischen und sprachwissenschaftlichen Forschungsprojekts, das unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Habscheid (Universität Siegen) und Dr. Erika Linz (Universität Bonn) angelaufen ist. Kooperationspartner des – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten – Projekts „Theater im Gespräch. Sprachliche Kunstaneignungspraktiken in der Theaterpause“ sind das Schauspiel Köln und das Apollo-Theater Siegen.
Im Apollo starten die Erhebungen am 26. Oktober. Bei der Aufführung von „Verrücktes Blut“ werden Probandinnen und Probanden des Forschungsprojekts teilnehmen. Das Stück gehört, so Apollo-Intendant Magnus Reitschuster, zu den „wichtigsten und witzigsten Stücken der Gegenwart“. Mit seiner originellen Herangehensweise an ein ernstes Thema, den Schulalltag in einem sozialen Brennpunkt, stelle diese Inszenierung einen Beitrag des Theaters zur Integrationsdebatte dar. Aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler repräsentiert „Verrücktes Blut“ damit „einen Typ von Produktionen, den wir in unserem Projekt unbedingt berücksichtigen wollen“, erklärt Prof. Habscheid. Nach der Vorstellung, die um 19 Uhr beginnt, wird es auch ein Theatergespräch geben.
Das Uni-Projekt beruht auf der Methode der Beobachtung und Aufzeichnung von Sprachdaten. Theaterbesucherinnen und -besucher werden vorab von den Projektleitern gebeten, selbst ihre Pausengespräche aufzunehmen und ihr Einverständnis dahingehend zu erklären, dass die Aufnahmen unter Beachtung des Datenschutzes für wissenschaftliche Zwecke anonymisiert verwendet werden dürfen. Dafür erhält jedes Mitglied einer Gruppe ein kleines Aufnahmegerät mit Steckmikrofon; alle Beteiligten werden instruiert, die Geräte mit dem Einsetzen des Applauses in der Pause einzuschalten und erst wieder auszuschalten, wenn sie zum Beginn des nächsten Aktes wieder an ihren Platz im Zuschauerraum zurückgekehrt sind.
Die Methode wurde im Rahmen einer Pilotstudie am Apollo Theater Siegen und am Theater Hebbel am Ufer in Berlin erprobt. Die ersten Erhebungen im Rahmen der Hauptstudie fanden im Frühsommer 2014 in Köln statt. Zu den Kooperationspartnern des Projekts gehört neben den genannten Theatern auch das Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, wo ein Teil der Gesprächsdaten archiviert wird.
Foto: Dietrich Dettmann