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Wie viel Mittelalter steckt im Fantasyroman?

Interdisziplinäre Tagung an der Universität Siegen widmet sich der Faszination für J.R.R. Tolkien und dessen Erben.

Drachen, Elfen, Orks, aber auch Karten sind entscheidende Elemente des modernen Fantasyromans. Fantasyfans können nicht nur in eine Geschichte, sondern in eine neu erdachte Welt eintauchen. Bei vielen Autoren* weist diese Welt vermeintliche Parallelen zum Mittelalter bzw. zu Vorstellungen über diese Epoche auf. „Das Mittelalter ist eine Hohlform, in die man hineinprojizieren kann, was man möchte“, sagt der Mediävist Dr. Nathanael Busch. Zusammen mit seinem Fachkollegen Prof. Dr. Hans Rudolf Velten hat er die Tagung „Die Literatur des Mittelalters im Fantasyroman“ an der Universität Siegen organisiert. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Autoren und Fantasyfans trafen in Siegen aufeinander. Ihr Ziel: Die Faszination der Fantasyliteratur anhand der Erzählstrukturen, Handlungsräume und Figuren aus Sicht der Mediävistik – der Wissenschaft von der Geschichte und Kultur des europäischen Mittelalters – zu erklären.

Orks und Drachen, aber auch die Ritter und Helden aus Herr der Ringe und Games of Thrones haben fast nichts mit dem tatsächlichen Mittelalter gemeinsam. Ist es da nicht Aufgabe der Mediävistik, diese Verklärung des Mittelalters im Fantasyroman aufzudecken? „Nein, wir müssen nicht aufklären. Den Fantasyautoren steht es frei, ihre Welt so zusammenzubauen, wie sie es möchten“, sagt Prof. Dr. Hans Rudolf Velten, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Literatur und Sprache des Mittelalters an der Universität Siegen.

In der mittelalterlichen Literatur gab es zwar Texte mit fantastischen Elementen wie der Wigalois, ein Artusroman. Laut Velten sei dies aber nicht mit dem heutigen Fantasyroman vergleichbar. Trotzdem sieht er die Fantasyliteratur als Gegenstand der Mediävistik: „Viele Kollegen sagen, dass Fantasy zu trivial sei und nichts mit Mediävistik zu tun habe. Wir sagen das nicht. Wir versuchen herauszufinden, was am Mittelalter und den Vorstellungen hierzu so faszinierend ist und untersuchen die Formen und Vorgehensweisen. Welche Erzählstrukturen heutiger Fantasyromane finden wir beispielsweise bereits in der mittelalterlichen Literatur?“, so Velten. Sein Kollege Busch legt nach: „Wer, wenn nicht die Mediävistik sollte zuständig sein, um diese Texte zu erklären?“

Ein Beispiel für ein stilistisches Element, das von der mittelalterlichen Literatur in die heutigen Fantasywelten übertragen wird, ist der locus amoenus, der liebliche Ort, an dem sich die Liebenden Treffen. Eine Wiese bei Sonnenschein und lauem Wind, zwitschernden Vögeln, in der Nähe einer Quelle, genau diesen „lieblichen Ort“ hat auch Tagungsteilnehmer Bernhard Hennen in seinen Fantasyromanen übernommen. Hennen ist selbst Mediävist, vor allem aber weltweit mit seiner Romanreihe über Elfen erfolgreich. Er kann dank der Tagung neue Ideen und Erkenntnisse für zukünftige Werke mitnehmen: „J.R.R. Tolkien, der Autor von Herr der Ringe, hat in seinen Werken bewusst ungewöhnliche und unlogische Raumvorstellungen aus mittelalterlichen Texten eingebaut, so beschreibt er an einer Stelle eine Strecke als eine Tagesreise entfernt“, sagt Hennen. Die Entrückung des magischen Ortes von der greifbaren Welt, dieses Konzept wolle Hennen auf jeden Fall für einen zukünftigen Roman übernehmen. Eine Karte dieser Welt wird der Roman mit Sicherheit enthalten, vielleicht auch Drachen, Elfen und Orks.

 

*Zur besseren Lesbarkeit wird auf die ausdrückliche Nennung der weiblichen Form verzichtet, wenn diese mitgemeint ist.

 
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