„Nett-Werkzeug“ soll Flüchtlingen das Ankommen erleichtern
Forscherinnen und Forscher der Uni Siegen entwickeln zusammen mit dem Düsseldorfer Unternehmen „appcom interactive GmbH“ eine digitale Plattform für Flüchtlinge und HelferInnen. Das Projekt „Nett-Werkzeug“ wird von der Leitmarktagentur NRW mit mehr als 1 Million Euro gefördert.
Auf einer Stadtkarte sind zahlreiche Punkte mit blauen Fähnchen markiert: Darunter das Rathaus, Supermärkte, eine Food-Sharing-Stelle – und der türkische Metzger. Alles Orte, die für Flüchtlinge wichtig sind, um in einer für sie fremden Stadt ihren Alltag zu organisieren. Das Besondere: Die Karte wurde von Menschen mit Fluchtgeschichte erstellt. „Sie kennen die eigenen Bedürfnisse ja selbst am besten“, sagt Konstantin Aal, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien“ der Universität Siegen. ForscherInnen des Lehrstuhls setzen das Projekt „Nett-Werkzeug“ gemeinsam mit der „iSchool – School of Media and Information“ der Uni und dem Düsseldorfer Unternehmen „appcom interactive GmbH“ um. In den kommenden drei Jahren möchten die Projektpartner eine umfassende digitale Plattform für Flüchtlinge und HelferInnen entwickeln. Gut 1 Million Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Land NRW stehen dafür zur Verfügung.
„Die von Flüchtlingen erstellte Stadtkarte ist nur ein Element der geplanten Plattform“, erklärt Projekt-Koordinator Dr. Helmut Hauptmeier (iSchool). Er und sein Team möchten die unterschiedlichen Bedürfnisse von Flüchtlingen, ehrenamtlichen HelferInnen, Organisationen und Kommunen sammeln und im „Nett-Werkzeug“ bündeln. „Flüchtlinge haben besonders anfangs viele Fragen: Wie finde ich eine Wohnung, einen Sprachkurs und wie komme ich günstig an Kleidung oder Möbel?“, sagt Konstantin Aal. Hilfsorganisationen und Ehrenamtliche sollen über die neue Plattform unkompliziert Aktionen koordinieren können. Über einen Dolmetscher-Pool könnten Flüchtlinge und Übersetzer zusammenfinden. Die ForscherInnen haben aber auch Einzelpersonen im Blick: „Angenommen, ich möchte ein Fahrrad spenden. Dann ist es bisher ein riesiger Aufwand herauszufinden, wo dieses Fahrrad wirklich gebraucht wird – und bei wem ich es abgeben kann. Das möchten wir erleichtern“, erklärt Projekt-Mitarbeiterin Anne Weibert.
Beim „Nett-Werkzeug“ geht es aber nicht nur um solche Ersthilfe-Angebote, es soll darüber hinaus einen Beitrag zur Integration leisten. Zum Ankommen gehört für Flüchtlinge auch, in der neuen Heimat einen Fußball-Verein zu finden, Kindern finanzierbare Hobbys anzubieten, Kontakte zur Dorfgemeinschaft oder Nachbarschaft aufzubauen und ihr Deutsch weiter zu verbessern. Entsprechende Anbieter und Anlaufstellen könnten ebenfalls über die Plattform vermittelt werden.
Um diese Angebote passgenau auf die künftigen NutzerInnen zuzuschneiden, sei in den kommenden Monaten viel Forschungsarbeit gefragt, sagt Anne Weibert: „Bevor wir die Technik entwickeln, müssen wir uns die Situation derjenigen, die wir damit ansprechen wollen, genau anschauen und sie verstehen.“ Die ForscherInnen möchten dazu eng mit Flüchtlingen, Ehrenamtlichen und MitarbeiterInnen von Kommunen zusammenarbeiten, sie interviewen und zu Workshops einladen. „Nur so erfahren wir, was wirklich gebraucht wird. Wir werden unser Konzept immer wieder gemeinsam diskutieren, um es dann eventuell noch nachzubessern“, so Aal. Entsprechende Kontakte habe das Team schon geknüpft: „In Dortmund arbeiten wir zum Beispiel schon länger mit ehrenamtlichen Organisationen und mit Flüchtlingen in Flüchtlings-Cafés zusammen. Das ist wichtig, um Vertrauen aufzubauen.“
Damit das „Nett-Werkzeug“ in der Praxis funktioniert und von den NutzerInnen akzeptiert wird, müsse vieles beachtet werden: „Die wenigsten Flüchtlinge haben ein Laptop oder einen Rechner, die meisten gehen über ihre Smartphones online. Es macht also Sinn, das Angebot als App zu entwickeln“, so Aal. Mehrsprachig soll die Anwendung auf jeden Fall sein und nicht zu Text-lastig, damit sie leicht verstanden und bedient werden kann.
Das Forscherteam möchte außerdem bereits bestehende Online-Angebote aus dem Bereich der Flüchtlingshilfe unter die Lupe nehmen. „Es gibt zahlreiche Apps oder Internetseiten, die aber meist lokal ausgerichtet oder auf einzelne Probleme bezogen sind“, sagt Hauptmeier. „Wo es Sinn macht, können wir solche Ansätze integrieren. Dass Nett-Werkzeug soll aber darüber hinausgehen und mit innovativen Lösungen einen echten Mehrwert bieten – für Flüchtlinge, Organisationen, Kommunen – und für Ehrenamtliche, deren wichtige Arbeit wir erleichtern und unterstützen möchten.“
Ansprechpartner am „Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien“: Konstantin Aal, E-Mail: konstantin.aal@uni-siegen.de, Tel:0271-740 3383 und Anne Weibert, E-Mail: anne.weibert@uni-siegen.de, Tel: 0271-740 3383
Der Stadtplan mit wichtigen Orten und Anlaufstellen für Flüchtlinge ist ein Element des Nett-Werkzeug.