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„Trump verstößt gegen Üblichkeiten“

Ethikrats-Mitglied Prof. Dr. Dr. Carl Friedrich Gethmann von der Universität Siegen über 100 Tage Donald Trump.

Donald Trump beschimpft Journalisten, verbreitet bewusst Unwahrheiten, trennt Politik nicht eindeutig von seinen Privat-Geschäften und weigert sich, seine Steuererklärungen zu veröffentlichen. In 100 Tagen im Amt hat der amerikanische Präsident gegen zahlreiche „Üblichkeiten“ verstoßen, sagt Philosophie-Professor Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann vom FoKoS - Das Forschungskolleg "Zukunft menschlich gestalten" der Uni Siegen. Er ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Ethikrates, der Bundesregierung und Bundestag in kritischen Grenzfragen berät.

Prof. Gethmann über „Üblichkeiten“ und ihre Bedeutung in der Politik: „Anstelle des etwas altmodischen Begriffs ‚Sitte‘ spreche ich lieber von ‚Üblichkeiten‘. Jedes soziale System hat sein spezifisches Set von Üblichkeiten – angefangen von der Familie, über den Volleyballverein, bis hin zur Politik. In den Vereinigten Staaten ist es zum Beispiel üblich, dass Präsidentschafts-kandidaten schon vor der Wahl ihre Steuererklärungen veröffentlichen. Mit seiner Weigerung, dies zu tun, verstößt Donald Trump gegen diese Üblichkeit – nur eins von vielen Beispielen. Dabei ist die Bedeutung von Üblichkeiten nicht zu unterschätzen, denn sie haben sich in dem jeweiligen System meist über einen langen Zeitraum bewährt und bestimmen das alltägliche Leben viel mehr, als beispielsweise Strafgesetze. Verstöße gegen Üblichkeiten führen daher zu Konflikten bis hin zu Protesten, wie wir aktuell ja auch in den USA beobachten können. Letztlich können sich die Wähler allerdings erst dazu verhalten, indem sie Trump nicht wiederwählen.“

Prof. Gethmann über Trumps Politik-Stil: „Die Praxis, über Twitter-Nachrichten und Dekrete zu regieren, wird Trump langfristig nicht durchhalten können. Dekrete können jederzeit rückgängig gemacht oder gerichtlich gestoppt werden, wie beim Einreisestopp geschehen. Will Trump Dinge dauerhaft umsetzen, kommt er nicht umhin, diese mit dem Parlament auszuhandeln. Er braucht eine Strategie, muss argumentieren, verhandeln und sich Mehrheiten für langfristig wirksame Gesetze suchen. Diese Kunst des Regierens wird er sich ‚learning by doing‘ aneignen müssen, sonst läuft er sich mit seinen Dekreten wund.“

Prof. Gethmann über den Stellenwert politischer Beratung: „Politik braucht Beratung – auf fachlicher Ebene ebenso wie in ethischen Fragen. Das gilt selbstverständlich auch für Donald Trump. Nehmen Sie etwa das Beispiel ‚Gesundheitsversorgung‘: Trump hat den Wählern versprochen, Obama-Care durch ein besseres System zu ersetzen, viele haben ihn auch deshalb gewählt. Mit der Abschaffung von Obama-Care ist Trump vorerst gescheitert und ohne fachliche Expertise wird ihm eine Reform der Gesundheitsversorgung auch kaum gelingen. Nicht umsonst gibt es Medizinethiker, die sich beispielsweise damit beschäftigen, welche Leistungen eine Versicherung bezahlen sollte oder wie ‚Krankheit‘ überhaupt zu definieren ist. Trump braucht Leute, die das nötige Wissen und die Routine haben, solche Themen zu erörtern. Gerade Fachleute fehlen ihm aber aktuell, in den Ministerien sind nach wie vor zahlreiche Posten unbesetzt.“

Prof. Gethmann über Machtkontrolle: „Die vergangenen 100 Tage zeigen, dass auch Trump sich als Präsident nicht dem politischen System mit seinen machtkontrollierenden Elementen entziehen kann. Mit seinen Dekreten zur Einwanderungspolitik hat er mehrere Gerichtspleiten erlebt, bei Obama-Care hat ihn das Parlament zurückgepfiffen. In 18 Monaten finden in den USA Zwischenwahlen statt. Die Abgeordneten schauen daher auf die Wähler, von denen nach Trumps Gesundheitsplan Millionen der Verlust ihres Versicherungsschutzes droht. Die Kontrolle des Präsidenten durch Gerichte, das Parlament und die kritische Öffentlichkeit funktioniert also. Die Ereignisse in den USA zeigen, wie wichtig solche Machtfilter für Demokratien sind. Zu ihnen zählen bei uns in Deutschland beispielsweise auch das Föderalsystem oder Zeit-Dilatationen wie das Dreilesungs-Verfahren im Bundestag: Gesetzesentwürfe müssen drei Beratungen, die so genannten ‚Lesungen‘ durchlaufen, bevor über sie entschieden wird.“

Prof. Gethmann über die Verantwortung der Wähler: „Wer Trump gewählt hat und nun enttäuscht ist, muss sich auch nach dem eigenen Anteil an dem Schlamassel fragen. Einiges hätten die Wähler vorher wissen können, hätten sie sich gründlich informiert. Die Vernünftigkeit des Wählers spielt in Demokratien eine entscheidende Rolle. Jeder sollte sich klarmachen, welches Thema ihm zuvörderst wichtig ist und welcher Kandidat dafür am meisten einsteht. Es ist daher eine demokratische Pflicht, sich über die relevanten Themen und die jeweiligen Positionen der Kandidaten zu informieren. Würde jeder Wähler dafür etwa so viel Zeit investieren, wie in den Kauf einer Waschmaschine, wäre schon viel gewonnen.“

Prof. Gethmann über die kommenden Monate: „Ich bin überzeugt, dass die Demokraten bei den Zwischenwahlen deutlich aufholen, sie vielleicht sogar gewinnen werden. Zahlreiche Wahlversprechen und innenpolitische Projekte wie etwa die Aufhebung von Obama-Care konnte Trump bisher nicht umsetzen. Aus Wählersicht ist das sehr enttäuschend. Hinzu kommt, dass es in den USA ja auch eine sehr große Gruppe gibt, die Trump nicht gewählt hat. Wahlgewinner sollten die überstimmte Minderheit grundsätzlich nicht vernachlässigen – vor allem, wenn die Minderheit so groß ist, dass sie eigentlich eine Mehrheit stellt. Denn Donald Trump hat bei der Wahl rund zwei Millionen Stimmen weniger bekommen, als seine Gegnerin Hillary Clinton.“

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. hc Carl Friedrich Gethmann
E-Mail: carl.gethmann@uni-siegen.de,
Tel.: 0271- 740 3848

 
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