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Mit neuer Technik gesund und autonom durchs Leben

Ob intelligente Gadgets, adaptive Technologien oder Pflegerobotik: Technische Assistenzsysteme gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Forschungskolleg der Uni Siegen (FoKoS ) wurde unter dem Titel „Gemischte Gefühle“ über Möglichkeiten und Grenzen solcher Systeme diskutiert.

Die Digitalisierung ist ein stark wachsendes Feld, in dessen Rahmen technische Assistenzsysteme eine wichtige Rolle spielen. So können etwa intelligente Gadgets oder Böden, die Veränderungen im Gangbild sowie Stürze erkennen, dazu beitragen, dass ältere Menschen länger und mit möglichst hoher Lebensqualität in ihrem persönlichen Umfeld leben können. Denkbar ist außerdem, dass für die Pflege im häuslichen Umfeld künftig Roboter mit Assistenzfunktionen eingesetzt werden. Sowohl die bereits existierende neue Technik, als auch die Zukunftsvisionen in diesem Bereich gehen mit Chancen und Risiken einher, die reflektiert werden müssen.

Neue Technik nah am Menschen

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Cognitive Village“ am Forschungskolleg der Universität Siegen hat sich in den letzten drei Jahren mit der partizipativen Gestaltung technischer Assistenzsysteme beschäftigt. Um Anwendungen anbieten zu können, die den Bedürfnissen der zukünftigen NutzerInnen entsprechen, wurden diese bei der Entwicklung einbezogen. Entstanden sind technische Lösungen, die das Verhalten von Menschen rund um die Uhr analysieren sowie benötigte Hilfestellungen schnell, individuell, gezielt und überall anbieten können.

Im Rahmen eines interdisziplinäreren Workshops mit renommierten WissenschaftsexpertInnen aus aller Welt wurden die im Projekt „Cognitive Village“ erreichten Fortschritte im Bereich intelligenter Algorithmen der Mustererkennung jetzt noch einmal vorgestellt. In mehreren Diskussionsrunden ging es um technologische Innovationen, zum Beispiel aus dem Feld künstliche Intelligenz, um gesellschaftliche Folgen und um die Verantwortung der Wissenschaft. Außerdem gab es eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema, an der Dr. Regina Görner (Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen), Prof. Dr. Barbara Hammer (Universität Bielefeld, CITEC Center), Heiner Vogelsang (Landesvertreter der Techniker Krankenkasse NRW) und Dr. Martin Brüchert (BMBF-Projektträger) teilnahmen. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von der Siegener Professorin Dr. Claudia Müller und ihrem Kollegen Prof. Dr. Marcin Grzegorzek (Universität zu Lübeck, Fellow am FoKoS).

Interdisziplinäre Forschung gefragt

Einig waren die Diskutierenden sich vor allem in einer Hinsicht: Damit technische Assistenzsysteme zur Lösung zentraler Zukunftsaufgaben beitragen können, müssen Forschende unterschiedlicher Disziplinen zusammenarbeiten – so werden für die Entwicklung eines Assistenzsystems nicht nur Informatiker benötigt, sondern zum Beispiel auch Psychologen. Darüber hinaus sollen auch Akteure außerhalb der Wissenschaft einbezogen werden. „Solche interdisziplinären Forschungsprojekte können einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass man den Menschen wirklich in den Blick nimmt“, bemerkte Dr. Regina Görner in diesem Zusammenhang, „Ich bin sehr froh darüber, dass die Ausrichtung auf die Nutzerperspektive in der Forschung jetzt eine größere Rolle spielt.“

Technische Assistenzsysteme sollten den Bedürfnissen der EndnutzerInnen entsprechen und dabei transparent und verständlich sein. Insbesondere im Kontext von künstlicher Intelligenz sei dies von Bedeutung, erklärte Prof. Dr. Marcin Grzegorzek: „Oft werden Systeme entwickelt, die am Ende nicht einmal die Entwickler verstehen. Wir haben es dann mit einer Black Box zu tun und stoßen auf ein Nachvollziehbarkeits-Problem, das zahlreiche gesellschaftliche und rechtliche Schwierigkeiten mit sich bringt.“ Wichtig sei es deshalb, die Funktionsweise neuer Technik verständlich zu machen. Die Wissenschaft habe hier eine große Verantwortung und müsse, wie Prof. Dr. Barbara Hammer hinzufügte, auch eine gewisse „Data Literacy“ der NutzerInnen fördern: Sie sollten verstehen können, wie die neuen Systeme funktionieren, und darüber hinaus wissen, welche persönlichen Daten gespeichert werden und was mit diesen passiert.

Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel

Prof. Hammer warnte auch vor falschen Erwartungshaltungen an künstliche Intelligenz: „Die Rolle von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz wird sowohl über- als auch unterschätzt. Es ist dringend notwendig, hier eine korrekte Erwartungshaltung zu erreichen – für das, was künstliche Intelligenz leisten kann, und für das, was sie nicht leisten kann. Wichtig ist außerdem ein Verständnis dafür, dass KI immer mit einer klaren Beschränkung kommt und kein Allheilmittel ist.“ Technische Assistenzsysteme, erklärte Prof. Dr. Hammer weiter, sollten die AnwenderInnen  unterstützen – und nicht abhängig machen.

Auch Heiner Vogelsang mahnte an, neben den Möglichkeiten neuer Technik auch deren Grenzen zu erkennen. Das Siegener Forschungsprojekt „Cognitive Village“ hob er positiv hervor: „Dass hier mit den Menschen gesprochen wird, ist wichtig. Es kann gefragt werden: ‚Was braucht ihr denn eigentlich?‘ oder ‚Welche Technologien könnten denn bei euch welches Problem lösen?‘. Hier wird nicht am Bedarf der Menschen vorbeigeforscht, sondern bedarfsgerecht entwickelt. So können digitale Lösungen gefunden werden, die den Menschen wirklich weiterhelfen.“

Die Entwicklung und Erforschung moderner Technik profitiert einerseits von der Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, andererseits aber auch von der Nähe zu den Bürgern. Dies hob auch FoKoS-Geschäftsführer Dr. Olaf Gaus hervor. Er betonte dabei die besondere Rolle des Forschungskollegs: „Wir sind hier in der Region Südwestfalen – und die ist uns wichtig. Unter dem Stichwort der zukünftigen gesundheitlichen Versorgung wollen wir wissen: Was ist zu tun, was wird von den Menschen verlangt? Und da darf man ‚gemischte Gefühle‘ haben. Wir alle möchten unabhängig und selbstbestimmt leben – unabhängig davon, ob wir 20, 40 oder 80 Jahre alt sind. Das ist eine große Herausforderung. Um sie anzunehmen, müssen wir uns in der Region Südwestfalen eine Meinung darüber bilden, wie unsere Zukunft aussehen kann.“

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V.l.n.r.: Dr. Regina Görner (Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen), Heiner Vogelsang (Landesvertreter Techniker Krankenkasse NRW), Dr. Martin Brüchert (VDI/VDE Innovation + Technik GmbH), Prof. Dr. Barbara Hammer (CITEC Center of Excellence - Cognitive Interaction Technology, Universität Bielefeld), Prof. Dr. Claudia Müller (Projekt Cognitive Village, Universität Siegen) und Prof. Dr. Marcin Grzegorzek (Projektleiter Cognitive Village, Universität zu Lübeck, Fellow am FoKoS).

 
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