Mukoviszidose-Forschungs-Preis für Siegener Forscherin
Die Humanbiologin Dr. Mareike Müller von der Universität Siegen erhält den jährlich vergebenen Preis der Christiane Herzog Stiftung zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung auf dem Gebiet der Mukoviszidose. Mit ihrer Forschung möchte sie Grundlagen zur besseren Behandlung von PatientInnen schaffen.
Bis zu 8.000 Menschen in Deutschland leiden an Mukoviszidose. Die genetisch bedingte Krankheit betrifft wichtige Organe, beispielsweise die Lunge. PatientInnen entwickeln zähen Schleim, der die Organe verstopft. Die Lebenserwartung bei Neugeborenen liegt heute bei 53 Jahren, betroffenen ist statistisch gesehen eines von etwa 3.300 Neugeborenen. Dr. Mareike Müller vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie I der Universität Siegen trägt mit ihrer Forschung dazu bei, die Grundlagen für die Behandlung der Krankheit zu verbessern. Sie hat im Jahr 2019 den Christiane Herzog Preis für Mukoviszidose-Forschung gewonnen. Die Auszeichnung ist mit 50.000 Euro dotiert und sichert die Forschung, welche bereits im Rahmen einer Projektfinanzierung durch das Gleichstellungsbüro der Universität Siegen begonnen hatte, für ein weiteres Jahr.
Ausschlaggebend für den tödlichen Verlauf der Krankheit sind oft Bakterien mit dem Namen Pseudomonas aeruginosa. Sie vermehren sich in der Lunge, und produzieren selbst eine robuste schleimige Schutzschicht, die sie umgibt. In Form solcher sogenannten bakteriellen Biofilme verursachen sie bei den meisten PatientInnen in ihren 30er-Jahren schwere, chronische Lungeninfektionen. Bei Bakterien, die in Biofilmen geschützt sind, wirken Antibiotika oft nicht oder nur sehr schlecht. Frauen, die an solchen Lungeninfekten leiden, sterben im Schnitt etwa 1,7 Jahre früher als betroffene Männer.
Die Konzentration des Hormons Östradiol im Blut kann im weiblichen Körper etwa 25 Mal höher sein als im männlichen Körper, bei Schwangeren sogar 2.000 Mal höher. Der hormonelle Unterschied zwischen Männern und Frauen wird als ein Grund für die unterschiedlich hohen Lebenserwartungen angenommen. Dr. Mareike Müller und ihr Team erforschen nun, wie genau das Hormon Östradiol die Fähigkeit des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa verändert, Biofilme auszubilden. Die Erkenntnisse könnten mittel- bis langfristig die Behandlungskonzepte für PatientInnen verbessern. ÄrztInnen könnten Medikamente besser nachregulieren und Patientinnen umfangreichere Informationen zum Einfluss hormoneller Verhütung auf den Krankheitsverlauf geben.
Mareike Müller kooperiert im Rahmen ihrer Forschung mit der Universität der Westbretagne (UBO), und dem französischen Forschungsinstitut INSERM in Brest, Frankreich. Der Kooperationspartner isoliert aus dem Husten-Auswurf von Mukoviszidose-PatientInnen Bakterien der Art Pseudomonas aeruginosa, und stellt diese der Universität Siegen für Forschungszwecke zur Verfügung. Mit dem Preisgeld der Christiane Herzog Stiftung kann Dr. Mareike Müller die Fähigkeit zur Biofilmbildung dieser Isolate systematisch mit mikrobiologischen Methoden analysieren. Die Biologin prüft zum einen, ob sich Biofilme von Bakterien, die von Frauen isoliert wurden, von solchen, die von Männern isoliert wurden, unterscheiden. Zum anderen vergleicht sie das Biofilmwachstum der Isolate ohne hormonelle Behandlung mit dem Wachstum unter Zugabe verschiedener Mengen des Hormons Östradiol. Die Frage ist, in welcher Form sich das Hormon auf die Biofilme auswirkt und ob es zum Beispiel die Kommunikation zwischen den Bakterien und somit die Organisation der Bakterien zu einem Biofilm beeinflusst.
Die Siegener Forschung hat neben der Relevanz für die medikamentöse Behandlung der Mukoviszidosen auch eine psychologische Bedeutung. MukoviszidosepatientInnen sind in der Regel sehr gut über die eigene Krankheit informiert und müssen sehr diszipliniert sein, damit es ihnen möglichst lange gut geht. Sie müssen zum Beispiel auf ihre Ernährung achten und regelmäßig zur Physiotherapie gehen. „Für weibliche Patientinnen kann es emotional sehr wertvoll sein, zu wissen, dass es auch biologische Gründe dafür gibt, wenn es ihnen schlechter geht als männlichen Patienten und sie selbst nicht die Schuld dafür tragen, weil sie sich vielleicht nicht genug angestrengt haben. Diesen psychischen Faktor für Patientinnen dürfen wir nicht unterschätzen“, sagt Dr. Mareike Müller. Auch deshalb pflegt sie den Kontakt mit der Mukoviszidose e.V. Regionalgruppe Siegen. Die Betroffenen in der Region seien sehr interessiert an der Mukoviszidose-bezogenen Forschung der Universität Siegen, sagt Müller, die für 2020 zu einem Treffen der Regionalgruppe eingeladen ist, um Betroffenen von Ihrer Forschung zu berichten.
Dr. Mareike Müller leitet die Nachwuchsforschergruppe „Biofunktionale Materialien für zelluläre und angewandte Mikrobiologie“, welche dem Lehrstuhl der Physikalischen Chemie I angehört, die dem Forschungszentrum für Mikro- / Nanochemie und -technologie (Cµ) der Universität Siegen zugeordnet ist.
Kontakt:
Dr. rer. nat. Mareike Müller
0271 / 740 – 3823
m.mueller@chemie-bio.uni-siegen.de