Wie retten wir das Klima?
In der Vortragsreihe „Wie retten wir das Klima?“ an der Universität Siegen haben ExpertInnen aus verschiedenen Disziplinen die vielen Facetten des Klimaschutzes diskutiert.
An der Universität Siegen haben sich WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen ein Semester lang mit dem Thema Klimaschutz beschäftigt. ExpertInnen stellten ihre Ideen zur Diskussion, unter anderem im Bereich der Klimaforschung, der Energieversorgungstechnik, der Konsumpsychologie, des öffentlichen Rechts und der Wirtschaftswissenschaften. Veranstaltet wurde die Vortragsreihe „Wie retten wir das Klima?“ von Juniorprofessorin Svenja Flechtner von der Forschungsstelle Plurale Ökonomik an der Uni Siegen. Im Januar fand die abschließende Podiumsdiskussion statt. Eingeladen waren Professor Dr. Niko Paech, Postwachstums-Ökonom an der Uni Siegen, Alexandra Gauß, Bürgermeisterin von Windeck (Die Grünen) und Karl-Josef Koch, emeritierter Professor der Volkswirtschaftslehre der Uni Siegen.
Auf die Eingangsfrage, ob wir effektiven Klimaschutz betreiben und gleichzeitig unsere Lebensqualität halten können, antwortete Niko Paech mit einem nachdrücklichen „Nein.“ Wirtschaftswachstum sei immer verbunden mit der Abschaffung der Natur. Denn auch sogenannte grüne Technologien, wie etwa Windkraft, Passivhäuser oder Green IT, bekomme man nicht zum klimatischen Nulltarif. „Wenn wir am Ende alle Natur zerstört haben, bleibt keine mehr übrig, die wir noch schützen können“, sagte Paech. Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts sei die ökologische. „Jeder Einzelne muss die unabdingbare Konsequenz seines Handelns verstehen. Was ich mir zu viel nehme, fehlt irgendwo jemand anderem. Wenn die CO2-Bilanz des Einzelnen zu hoch ausfällt, ist das ein globales Problem.“
Karl-Josef Koch stimmte Paech zu: „Wir verbrauchen mehr als uns zur Verfügung steht und verschulden uns vor künftigen Generationen.“ Ganz entscheidend werde es seiner Meinung nach sein, dass Fragen des Wohlstands und des Wohlergehens im Auge behalten werden. „Und zwar nicht nur für die Menschen, die schon ein schrecklich hohes Niveau an Wohlstand haben“, betonte Koch. „Wir müssen unseren Wohlstand zu Gunsten der Bedürftigen nicht ganz aufgeben, aber begrenzen.“ Denn die Frage, die sich stelle, sei: Welche Lebensqualität ist weltweit möglich, ohne dass wir das Klima dafür zerstören?
Alexandra Gauß berichtete als Bürgermeisterin in einer ländlich geprägten Region aus ihrem Alltag. „Wir haben bei uns einen Mittelständler, der wiederverwertbare Verpackungen herstellt. Er möchte expandieren, weil seine Produkte stark nachgefragt sind. Ich kann ihm aber keine Erlaubnis dafür geben, weil das Gebiet von einem Fluss und von der Natur begrenzt ist. Dort darf laut Gesetz nicht gebaut werden.“ Sie machte damit auf die Widersprüchlichkeiten der Thematik aufmerksam, die oft in der Praxis entstehen. Auf der einen Seite solle verständlicherweise die Natur geschützt werden, auf der anderen Seite entstünden so aber keine der dringend benötigten neuen Arbeitsplätze – zudem noch Arbeitsplätze in einer Branche, die sich für den Klimaschutz einsetzt. „Wir wollen doch, dass die Leute in unserer Region arbeiten und nicht mit ihrem Privatauto pendeln müssen. Das schaffen wir so aber nicht.“
Alle drei Diskussions-TeilnehmerInnen brachten konkrete Lösungsideen mit. Gauß‘ Gemeinde ist stark verschuldet. Dadurch entstünden viele wirtschaftliche Zwänge, die dem Klimaschutz nicht unbedingt zuträglich seien. Ihre Idee: „Wir müssen für das bezahlt werden, was wir leisten.“ Dabei geht es ihr um die Ökoleistung, also zum Beispiel Waldflächen und Naturschutzgebiete. „Wir sind die Frischluftschneise für den gesamten Köln-Bonner-Raum. Das muss doch etwas wert sein.“
Paech meinte, es sei an der Zeit für eine kreative Rückbau-Strategie der Wirtschaft. Verbote, zum Beispiel aus der Politik, sieht Paech als wenig zielführend an. „Durch Vorgaben von oben werden wir kein Umdenken erreichen. Wir brauchen kulturelle Veränderungen, eine virulente Zivilgesellschaft, die Glaubwürdigkeit vorlebt.“ Für Paech bedeutet das konkret: Keine 40-Stunden-Arbeitswoche mehr, reparieren statt neu kaufen, teilen und gemeinschaftlich nutzen statt besitzen. Koch sieht das etwas anders: Es sollten alle Institutionen einbezogen werden, die einen entscheidenden Einfluss aufs Klima haben können – vom Individuum über Kommunen, Bund, EU bis hin zur UN. Gewisse Entscheidungen seien nur von oben zu treffen, zum Beispiel durch Gesetze.
Im Laufe des Semesters konnten Interessierte im Rahmen der Vortragsreihe aus unterschiedlichen Disziplinen Fachvorträge hören und verschiedeneMeinungen kennenlernen. Dr. Nicole Aeschbach (TdLab Geographie, Universität Heidelberg) zum Beispiel beleuchtete die Klimakrise aus naturwissenschaftlicher Sicht. Dr. Linus Mattauch von der University of Oxford argumentierte, dass es durchaus möglich sein könne, weiteres Wirtschaftswachstum mit Klimaschutz zu vereinbaren – dabei komme es aber darauf an, klimaschädliche wirtschaftliche Aktivitäten stark einzuschränken. Die gegenteilige Auffassung vertrat Jonathan Barth (Zoe.Institut Bonn): Er sah keine Anzeichen dafür, dass wir es in absehbarer Zeit schaffen, Wirtschaftswachstum von Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß absolut zu entkoppeln. Dr. Sebastian Gechert (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung Düsseldorf) diskutierte verschiedene Szenarien einer CO2-Bepreisung und deren sozialen Verteilungswirkungen. Dr. Stephanie Moser vom Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt der Universität Bern diskutierte welche Faktoren dafür ausschlaggebend sind, dass Menschen klimafreundlich(er) konsumieren.