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Wie der Mittelstand durch die Corona-Pandemie kommt

Soforthilfen, Konjunkturprogramme, Zukunftspaket – mit zahlreichen Maßnahmen versucht die Politik, Unternehmen in der Corona-Pandemie zu unterstützen. Welche Maßnahmen sind sinnvoll, welche nicht? Wie ist die Situation im Mittelstand? In welchen Branchen drohen Insolvenzen?

Professorin Friederike Welter, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management kleiner und mittlerer Unternehmen und Entrepreneurship, an der Universität Siegen, gibt Antworten.

Wie bewerten Sie die politischen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen und Selbstständigen während der Corona-Pandemie?

Professorin Friederike Welter: Wir unterscheiden drei Phasen. 1. Soforthilfemaßnahmen, 2. Konjunkturprogramme, 3. Hilfen für den Strukturwandel. Die Soforthilfen von Bund und Ländern zu Beginn der Pandemie waren wichtig und notwendig. Sie trugen maßgeblich dazu bei, abrupt auftretende Einkommensverluste abzufedern. Die Soforthilfemaßnahmen wurden im Sommer anschließend durch Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft und zum langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen ergänzt.

Mit dem Zukunftspaket wurde zudem erstmals eine über den unmittelbaren Unterstützungsbedarf hinausgehende wirtschaftspolitische Perspektive der Krisenbewältigung eingenommen, die auf eine nachhaltige und auf Erneuerung zielende Wirtschaftsentwicklung gerichtet ist. Leider spielen strukturelle Ansätze zur Belebung unternehmerischer Initiativen im Zukunftspaket jedoch nur eine untergeordnete Rolle, obwohl sie für den angestrebten Modernisierungsschub von Bedeutung wären.

Wie schätzen Sie die Robustheit und die Lage des Mittelstands in Siegen-Wittgenstein ein?

Welter: Aufgrund der asynchronen Entwicklungen der Pandemie und der weltweit immer wie-der auftretenden neuen regionalen Hotspots fordert die Pandemie so lange die Gesundheits-systeme und Wirtschaftsunternehmen in allen Staaten heraus, bis die überwiegende Mehrheit der Menschen geimpft ist. Selbst in Japan, Südkorea und China, wo die Eindämmung der Pandemie lange erfolgreich schien, steigen aktuell wieder die Infektionszahlen.

Die Flexibilität sowie die Kunden- und Marktnähe vieler mittelständischer Unternehmen, gera-de auch in Südwestfalen mit seiner gut aufgestellten industriellen Basis, sprechen jedoch grundsätzlich für eine hohe Anpassungs- und Gestaltungsfähigkeit des Mittelstands. Diese kann jedoch durch die Ressourcenengpässe und geringere Risikotragfähigkeit des Mittel-stands beeinträchtigt werden.

Wie sinnvoll waren die Hilfen für die Restaurant-Besitzer?

Welter: Sie sind unbedingt sinnvoll, hätten jedoch zügiger ausgezahlt werden müssen.

Die zeitweise Mehrwertsteuersenkung ist Ende 2020 ausgelaufen. Wie schätzen Sie die Maßnahme rückblickend ein?

Welter: Auch wenn die Mehrwertsteuersenkung mit Mehraufwand verbunden war und im Einzelfall nur relativ geringe Auswirkungen auf die Entscheidungen von Anbietern und Nachfragern hat, war sie sinnvoll. Nicht zuletzt, weil sie – anders als „gezielt lenkende“ Maßnahmen – zu keiner Verzerrung der Entscheidungen der Akteure führt. Stattdessen wird die steuerliche Belastung insgesamt reduziert, wodurch sich Produzenten und Konsumenten größere Handlungsspielräume eröffnen – und zwar unabhängig davon, ob die Senkung nun unmittelbar an die Konsumenten weitergereicht wird oder nicht. Aus diesem Grund wäre es auch gut gewesen, die Mehrwertsteuersenkung noch zu verlängern, da derartige strukturelle Maßnahmen eher mittel- bis langfristig wirken. Angesichts des geschätzten Finanzbedarfs von 20 Mrd. Euro ist es jedoch verständlich, dass die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf sechs Monate begrenzt wurde.

Als wie wertvoll hat sich die Kurzarbeitergeld-Regel in Deutschland bisher erwiesen?

Welter: Wie schon in der Finanzkrise in 2008/09 hat sie sich als sehr wertvoll erwiesen. Schließlich dient das Kurzarbeitergeld dazu, den Beschäftigtenstand in den mittelständischen Unternehmen kurz- bis mittelfristig aufrechtzuerhalten. Es ist somit eine wichtige Voraussetzung für eine rasche Wiederaufnahme der Produktion oder der Erbringung von Dienstleistungen. Davon hat die produzierende Wirtschaft nach Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 auch maßgeblich profitiert.

Rechnen Sie mit einem sprunghaften Anstieg der Insolvenzen? Welche Branchen sehen Sie als besonders bedroht, welche als relativ robust?

Welter: Der Unternehmensbestand ist insbesondere in der Kultur-, Unterhaltungs- und Freizeitwirtschaft, im Einzelhandel, Tourismus- und Gaststättengewerbe gefährdet. Es wird auf jeden Fall Unternehmen treffen, die bereits vor der Pandemie Probleme mit ihrem Geschäftsmodell und der Liquidität hatten.

Nicht vergessen werden sollte dabei jedoch, dass das Insolvenzrecht auch Möglichkeiten zur Eigensanierung oder zur übertragenden Sanierung durch einen Investor bietet. Dazu kann z.B. auch ein Verzicht der Gläubiger beitragen. Allerdings setzt dies ein Insolvenzverfahren voraus.

Wie lange hält der Mittelstand einen solchen Lockdown durch?

Welter: Das ist sehr unterschiedlich, schließlich zählen zum Mittelstand ja nicht nur produzie-rende Unternehmen und der Handel, sondern auch beispielsweise Freiberufler, das Handwerk und Soloselbstständige. Dies ist daher abhängig von den Wirtschaftszweigen: In den Branchen, in denen die Unternehmen sehr flexibel agieren (können) und im besten Fall ihre Produktion wie das Geschäftsmodell angepasst haben, werden die Unternehmen auf jeden Fall länger durchhalten können, als in den Wirtschaftszweigen, die durch Ressourcenengpässe sowie durch die pandemiebedingte Einschränkungen beeinträchtigt sind.

Prof. Dr. Friederike Welter hat die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management kleiner und mittlerer Unternehmen und Entrepreneurship, an der Universität Siegen inne. Zu-gleich ist sie Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn. Für ihre Forschung über kleine und mittlere Unternehmen ist die Ökonomin bereits mehrfach international ausge-zeichnet worden.
 

 
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