Alexa, bestelle bitte Lebkuchen und Weihnachtskerzen
Wie können Menschen über 60 Jahre Smart Speaker zum Shoppen nutzen? Ein Forschungsteam, geleitet von der Universität Siegen, hat erforscht, welche Chancen und Tücken aus Verbrauchersicht bestehen.
Etwa jeder Fünfte hat seinen Smart Speaker schon einmal fürs Einkaufen genutzt. Ein Forschungsteam der Universität Siegen und der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin hat das Phänomen aus Sicht des Verbraucherschutzes beleuchtet, um potenziellen Nutzen und mögliche Risiken speziell für Menschen über 60 Jahre zu identifizieren.
„Einkaufen über Distanz hat Hürden, vor allem für ältere
Menschen“, sagt Professorin Hanna Schramm-Klein,
Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Siegen.
Für manche ältere Menschen könne es zum Beispiel schwierig
sein, auf kleinen Geräten – wie einem Smartphone – zu
tippen oder zu lesen. Digitale Sprachassistenten hingegen
seien einfach und intuitiv zu bedienen. Um zu erfahren, was
Menschen über 60 Jahren vom Einkaufen mit einem Smart
Speaker halten, haben Schramm-Klein und ihr Team eine groß
angelegte Studie umgesetzt. Die ExpertInnen aus den
Bereichen Verbraucherschutz und Psychologie führten eine
repräsentative Umfrage durch. Darüber hinaus erforschten
sie durch eine Beobachtungsstudie, wie Menschen über 60
tatsächlich beim Shopping mit den Geräten umgehen. Aus
technisch bedingten Gründen wurden in dieser Studie
ausschließlich Alexa-Geräte eingesetzt.
Die repräsentative Umfrage zeigte, dass aktuell nur 9,2
Prozent der befragten Personen grundsätzlich für die Idee
offen sind, mithilfe eines Smart Speakers Produkte zu
erwerben. Vorteile sahen die Befragten besonders für
bewegungseingeschränkte Menschen, weil dadurch eine
unabhängige Lebensweise gestärkt werden könne. Generell
können sich die älteren Menschen vor allem vorstellen, die
gleichen Produkte nachzukaufen, mit denen sie bereits
positive Erfahrungen gemacht haben. Niedrigpreisige Artikel
und Artikel, bei denen es nicht auf Aussehen oder
individuelle Spezifikationen ankommt, würden die Befragten
am ehesten über digitale Sprachassistenten bestellen. Dazu
zählen zum Beispiel Bücher, Lebensmittel und
Haushaltswaren, wie zum Beispiel Waschmittel.
Zu starke Vorauswahl, zu wenig Kontrolle
Deutlich wurde in der Beobachtungsstudie, dass die
TeilnehmerInnen nicht unendlich viele Optionen erfassen und
sich diese merken konnten. Dass das in der Studie
eingesetzte Alexa-Gerät nur ausgewählte Optionen aufzählte,
erleichterte die Auswahl. Gleichzeitig sahen viele
StudienteilnehmerInnen aber genau hier Nachteile durch eine
zu starke Kontrolle. Der individuelle, selbstbestimmte
Konsum wurde zu sehr reduziert. Bei Alexa besteht die
Vorauswahl ausschließlich aus Amazon‘s Choice Produkten.
Dabei bleibt unklar, nach welchem Algorithmus diese
Produkte ausgewählt werden. „Es handelt sich nicht immer
zwingend um das Produkt, das das beste
Preis-Leistungs-Verhältnis oder die besten Bewertungen
hat“, sagt Schramm-Klein. Viele StudienteilnehmerInnen
empfanden diese Vorauswahl als zu intransparent.
Anders könnte es aussehen, wenn der Algorithmus nach
persönlichen Präferenzen die Produkte vorauswählt, sagt die
Siegener Professorin. Das Gerät könnte zum Beispiel nur
zuckerarme Ernährung vorschlagen, weil eine gesundheitliche
Einschränkung besteht. Wenn man zudem eigene Präferenzen
hinterlegen könnte – nur Kleidung aus nachhaltiger
Produktion oder ausschließlich regional angebaute
Lebensmittel – hätte die Vorauswahl aus Verbrauchersicht
einen klaren Mehrwert. Viele der Befragten gaben an, bereit
zu sein, einen gewissen Grad an Kontrolle abzugeben, wenn
der Nutzen für die überwiegt. Technisch wäre die
Implementierung solcher Algorithmen möglich, die digitalen
Sprachassistenten bieten dies aber in Deutschland bisher
nicht an.
Unter gewissen Bedingungen bereit zu einem
Autokauf
„Generell müssen wir die Äußerungen innerhalb unserer
Studie zur fehlenden Transparenz und zur fehlenden
Privatsphäre mit Vorsicht genießen“, erklärt Schramm-Klein.
„Für die Einschätzungen war es sicherlich mit
ausschlaggebend, dass als Händler immer Amazon auftrat –
technisch ist bei Alexa-Geräten aktuell nichts anderes
möglich.“ Anders könnte es aussehen, wenn als Händler der
lokale Bioladen oder der im Nachbarort ansässige
Autohändler auftritt, mit dem man seit Jahrzehnten auch
persönlich gute Erfahrungen gemacht hat. „Vertrauen und
Vertrautheit mit dem Händler sind entscheidend, um die
durch die KundInnen empfundenen Unsicherheiten beim Einkauf
über Smart Speaker zu reduzieren“, verdeutlicht Prof. Dr.
Gunnar Mau, Psychologie-Professor an der Deutschen
Hochschule für Gesundheit und Sport. Eine Testperson
äußerte sogar, dass sie unter bestimmten Bedingungen bereit
wäre, ein Auto über einen Smart Speaker zu erwerben –
vorausgesetzt, dass sich das Produkt exakt beschreiben
lässt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht und der
Bestellvorgang reibungslos funktioniert.
Die Studie wurde gefördert durch das Kompetenzzentrum
Verbraucherforschung NRW (KVF NRW) der Verbraucherzentrale
NRW e. V.
Kontakt
Univ.-Professor Dr. Hanna Schramm-Klein, Universität Siegen
Telefon: 0271 740-4281