Erfolg kennt kein Geschlecht. Oder doch?
Um „Karrierewege von Frauen in der Wissenschaft“ ging es beim Jubiläums-Festakt des Gleichstellungsbüros der Universität Siegen. Der Festband des Gleichstellungsbüros beleuchtet die 50jährige Geschichte der Frauen sowie der Frauenförderung an der Uni Siegen.
An deutschen Universitäten gibt es heute ebenso viele weibliche Studierende, wie männliche. Unter den ProfessorInnen liegt die Zahl der Männer dennoch nach wie vor deutlich über der Zahl der Frauen – und das flächendeckend. An der Universität Siegen ist derzeit jede vierte Professur durch eine Frau besetzt, womit Siegen sogar noch über dem landesweiten Schnitt liegt. In der Wissenschaft kennt Erfolg also offensichtlich sehr wohl ein Geschlecht. Warum das so ist, diese Frage stand im Mittelpunkt des Jubiläums-Festaktes des Gleichstellungsbüros der Uni Siegen. Die Gleichstellungsbeauftragte Dr.‘in Elisabeth Heinrich präsentierte außerdem den frisch gedruckten Festband des Gleichstellungsbüros, der die 50jährige Geschichte der Frauen sowie der Frauenförderung an der Uni Siegen beleuchtet.
„Es ist wichtig, dass Frauen in der Wissenschaft sichtbar sind – und zwar gerade auch auf der Ebene der ProfessorInnen und in Leitungspositionen der Fakultäten und Universitäten“, betonte Prof.‘in Dr. Alexandra Nonnenmacher, Prorektorin der Uni Siegen für Forschung und Lehre in ihrem Grußwort, um sich dann direkt an Dr.‘in Elisabeth Heinrich zu wenden: „Sie tun sehr viel dafür und weisen stets deutlich darauf hin, wo noch Luft nach oben ist. Wir haben an der Uni Siegen in punkto Gleichstellung schon viel erreicht. Ich wünsche mir für die Zukunft aber noch mehr.“ Dr.‘in Beate Kortendiek vom Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass Gleichstellungsarbeit nicht ohne Geschlechterforschung funktioniert – und umgekehrt: „Ich danke Elisabeth Heinrich insbesondere dafür, dass sie stets beide Säulen im Blick hat.“
Den Festvortrag hielt Prof.‘in Dr. Brigitte Riegraf, die erste weibliche Präsidentin der Universität Paderborn, die sich in ihrer Forschung unter anderem mit den Themen Care-Arbeit und innerbetriebliche Gleichstellung beschäftigt. In ihrem Vortrag ging sie insbesondere der Frage nach, was Exzellenz und Geschlecht im Wissenschaftsbetrieb miteinander zu tun haben. Exzellenzzuweisungen seien unter WissenschaftlerInnen extrem begehrt, erklärte Riegraf. Welche Personen oder Leistungen „exzellent“ seien, werde dabei durch die Wissenschaftscommunity selbst bewertet. „In Begutachtungsverfahren beurteilen exzellente WissenschaftlerInnen anhand bestimmter Kriterien, wer oder was von herausragender Qualität ist“, so Riegraf. Dieser Prozess der Bewertung sei jedoch kein objektiver, sondern ein sozialer Prozess, ebenso, wie die Wissenschaftscommunity eine soziale Gemeinschaft sei. Frauen seien in diese Gemeinschaft nicht in gleichem Maße integriert wie Männer, da sich das System über Jahrhunderte unter dem Ausschluss von Wissenschaftlerinnen entwickelt habe, stellte Riegraf fest: „Als sozialer Prozess folgen Exzellenz-Bewertungen dem Prinzip ‚Wer bereits hat, dem wird gegeben‘ – mit der Folge, dass Wissenschaftler gegenüber Wissenschaftlerinnen bevorteilt werden.“
Auf der Organisationsebene einzelner Hochschulen hänge es stark von den jeweiligen Konstellationen vor Ort ab, wie sich die Kategorien Geschlecht und Exzellenz miteinander verbinden, erläuterte Riegraf weiter. Mit der Idee der Autonomie für Hochschulen habe die Landesregierung den einzelnen Institutionen mehr Spielraum gegeben. Jedoch müssten Gleichstellungsanliegen an zentralen Stellen verankert werden. Pessimistisch beurteilte die Professorin die Auswirkungen der Corona-Pandemie: „Die vergangenen zwei Jahre haben ein großes Potenzial, uns um mehrere Schritte zurückzuwerfen. Jüngere Wissenschaftlerinnen haben in dieser Zeit deutlich weniger veröffentlicht als ihre männlichen Kollegen. Das wird sich durch die Biografien weiterziehen.“
Um individuelle Karrierewege und Erfahrungen von Professorinnen unterschiedlicher Generationen ging es in der anschließenden Podiumsdiskussion. Moderiert von Prof.‘in Dr. Diana Lengersdorf diskutierten Prof.‘in Dr. Sigrid Baringhorst, Jun.-Prof.‘in Dr. Anika Gomille, Prof.‘in Dr. Inken Lind und Prof.‘in Dr. Kerstin Lesney. Alle betonten, wie wichtig es ist, jungen Frauen Karrierewege in der Wissenschaft aufzuzeigen und sie dabei aktiv zu unterstützen – zum Beispiel durch entsprechende Vorbilder oder den Austausch mit anderen Professorinnen. An der Universität Siegen gibt es dazu unter anderem das Tandemprogramm „Fast Forward“ für neuberufene Professorinnen: In den ersten sechs Monaten haben sie die Möglichkeit, sich von einer erfahrenen Professorin begleiten zu lassen, die ihnen Tipps gibt und Gelegenheit zur Vernetzung bietet. So entstehende Frauen-Netzwerke sollten jedoch nicht zu geschlossen sein, betonten die Podiums-Teilnehmerinnen. Auch Kategorien wie soziale Herkunft, Migrationshintergründe oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollten berücksichtigt werden.
Musikalisch begleitet wurde der Festakt mit persischer Musik von Yalda Yazdani und Kimia Bani sowie von Mario Mammone und seinem Jazzensemble.
Den Festband des Gleichstellungsbüros können Interessierte per Mail bestellen: gleichstellungsbeauftragte@uni-siegen.de