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„So stark durcheinandergerüttelt wurde das Verbrauchverhalten in den vergangenen Jahrzehnten nie“

Lebensmittel, Energiepreise und viele weitere Bereiche: Die Inflation bewegt sich auf Rekordniveau, das Leben ist in vielen Bereichen teurer geworden. Über die Auswirkungen spricht Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Mitinitiatorin des Zentrums für Verbraucherschutz und verletzliche Verbraucher.

Wie gehen die Verbraucher mit den gestiegenen Preisen in fast allen Bereichen um und warum führt die aktuelle Situation derzeit sogar zu mehr Nachhaltigkeit? Wie werden sich die Preise entwickeln? Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein im Interview.

Prof. Hanna Schramm-Klein, als Verbraucher hat man den Eindruck, überall auf steigende Preise zu stoßen. Welche Bereiche sind vor allem von den Preissteigerungen betroffen?
Letztendlich sind alle Bereiche betroffen oder werden langfristig betroffen sein. Im Mai lag die Inflationsrate bei plus 7,9 Prozent – über den gesamten Warenkorb gesehen. Wenn man sich die einzelnen Warengruppen anschaut, fallen aber Unterschiede auf. Die Verbraucherpreise für Energie treiben die Inflation am stärksten, diese sind im Jahresvergleich um 38,3 Prozent gestiegen. Die Preissteigerungsrate für Nahrungsmittel lag bei 11,1 Prozent. Das zeigt, wo die Inflation die Verbraucher vor allem trifft – nämlich bei den Gütern des täglichen Bedarfs. Die Verbraucher bemerken bei ihren täglichen Einkäufen, dass sie weniger für ihr Geld bekommen. Wir haben also in Bereichen höhere Preise, denen man nicht so einfach ausweichen kann.

Wie wirkt sich das auf die Verbraucher aus?
Wir haben durch die Coronapandemie bedingt schon lange eine schlechte Konsumstimmung. Zwischenzeitlich hatte sich die Situation zwar verbessert, das war aber spätestens mit Kriegsbeginn in der Ukraine vorbei. Mit der Pandemiesituation und dem Krieg verbunden ist das Thema Engpässe. Und zwar Engpässe, bei denen es nicht nur um Luxusartikel geht, sondern bei denen auch bestimmte Lebensmittel betroffen sind. Wenn es kein Mehl mehr gibt, löst das Ängste bei den Verbrauchern aus. Dadurch haben wir es mit einer generellen Verunsicherung zu tun.

Gibt es Reaktionen im Einkaufsverhalten?
Wir haben eine Pandemie, wir haben Knappheit, wir haben einen Krieg, der ganz nah ist. So stark durcheinandergerüttelt wurde das Verbraucherverhalten in den vergangenen Jahrzehnten nie. Es wurden viele Gewohnheiten abgelegt oder verändert und neue Gewohnheiten entwickelt. Was man beobachten kann, ist, dass viele Menschen ihren Konsum eingeschränkt haben oder dass sie vorhaben, den Konsum einzuschränken. Verbraucher kaufen viel stärker Produkte aus Aktionsangeboten und versuchen, Preisvorteile zu erreichen. Aber man kann der Inflation kaum aus dem Weg gehen. Deshalb gibt es vor allem eine Zurückhaltung bei größeren Anschaffungen oder langlebigen Konsumgütern wie Bekleidung, Schuhen, Unterhaltungselektronik. Es gibt zudem auch immer mehr Verbraucher, die an ihr Erspartes ranmüssen, deren normales Haushaltseinkommen nicht mehr ausreicht. Was man oft unterschätzt: Das betrifft besonders stark die Durchschnittsfamilie. Sie muss sich nun viel stärker einschränken als zuvor, weil das Einkommen nicht mehr ausreicht, um den gewohnten Konsum abzudecken.

Beobachten Sie noch weitere Entwicklungen?
Wir haben derzeit eine sehr starke Nachhaltigkeitsorientierung. Wenn ich mich zurückhalte und nicht immer wieder neue Klamotten kaufe, bin ich automatisch nachhaltiger. Das ist gerade aktuell nicht immer nur freiwillig, hat aber den Nebeneffekt, dass es sich langfristig im Konsumentenverhalten niederschlagen kann. Die Situation führt außerdem dazu, dass andere Formen des Konsums neues Leben bekommen. Dinge, die man nicht langfristig braucht, können z.B. gemietet werden, und gerade Second-Hand-Märkte in allen Bereichen haben derzeit großen Zulauf.

Welche Möglichkeiten haben Verbraucher darüber hinaus mit den Preissteigerungen umzugehen?
Man kann der Inflation kaum aus dem Weg gehen. Verbraucher in Deutschland sind sehr preisbewusst und vergleichen Preise. Das führt einerseits dazu, dass die sogenannte gefühlte Inflationsrate viel höher ist als die tatsächliche Inflation. Wir haben Referenzpreise im Kopf: Was kostet ein Liter Milch? Was kostet ein Stück Butter? Die Preise, die die Verbraucher dafür im Kopf hatten, stimmen in fast allen Bereichen nicht mehr. Verbraucher verlieren ihre Referenzen und dadurch auch die Übersicht. Irgendwann wissen sie nicht mehr, was ist billig und was ist teuer. Das führt dann dazu, dass sie einfach kaufen. Und irgendwann müssen sie ja auch kaufen.

Gehen Sie davon aus, dass sich die Preise wieder stabilisieren werden?
Ich glaube, dass wir noch über einige Monate oder sogar Jahre mit Preissteigerungen rechnen müssen. Wir haben Lieferketten und Abhängigkeiten, die über Jahrzehnte aufgebaut worden sind. Jetzt gibt es erste Länder, die Waren zurückhalten. Es entstehen Logistikprobleme, Kapazitätsengpässe, es fehlen bestimmte Produkte für die industrielle Produktion. Es ist schade, dass bei den ganzen Betrachtungen zu wenig auf die globalen Wertschöpfungsketten geguckt wird. Das Verständnis dafür würde helfen, Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Bei vielen Maßnahmen handelt es sich eher um Aktionismus: Wo können wir jetzt schnell Geld reinschießen? Aber das wird langfristig nicht helfen.
 

 
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