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Nachruf auf Gundolf Winter

Wir trauern um Prof. Dr. Gundolf Winter, von 1984 bis 2008 Professor für Kunstgeschichte von der frühen Neuzeit mit Schwerpunkten im Barock bis zur Klassischen Moderne und der Nachkriegskunst an der Universität Siegen, Initiator und Vorstandsmitglied des neugegründeten und 2001 eröffneten Museums für Gegenwartskunst in Siegen. Prof. Winter verstarb am Dienstag, den 25. Januar 2011.

Wer Gundolf Winter gekannt hat, weiß, welche Lebendigkeit sich mitteilen konnte, wenn der Siegener Kunsthistoriker über Bilder sprach, sowohl in seinen Texten, in denen die Bilder nie hinter Begriffen zurückblieben, und erst recht, wenn er spontan vor Originalen in Museen oder auf Exkursionen in Konfrontation mit Architektur und Platzanlagen extemporierte. Für Gundolf Winter und mit ihm wurde die Begegnung mit einem Kunstwerk zu einem Ereignis des Sehens. Der langjährige Siegener Hochschullehrer ist in der vergangenen Woche nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 67 Jahren verstorben.

Gundolf Winter, gebürtig aus Münster, hat zunächst Architektur an der TU Berlin, dann Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Gießen, Wien und Paris studiert. 1972 wurde er an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit der Arbeit "Johann Conrad Schlaun. Das Gestaltungsprinzip und seine Quellen" promoviert. Seine Assistentenzeit verbrachte er an der Ruhr-Universität Bochum, wo er 1981 mit einer Arbeit zu Bildnisbüsten der Renaissance und des Barock ("Zwischen Individualitiät und Idealität. Die Bildnisbüste") habilitiert wurde. Winters akademische Laufbahn führte ihn dann über Gießen (1982-1984) nach Siegen, wo er ab 1984 bis zu seinem Ruhestand 2008 den Lehrstuhl für Kunstgeschichte innehatte. Dort vertrat er die Kunstgeschichte von der frühen Neuzeit mit Schwerpunkten im Barock bis zur Klassischen Moderne und der Nachkriegskunst. Die Vielfalt und Breite seiner Forschungsgegenstände gab ihm die Möglichkeit, historische oder methodische Grenzen der eigenen Disziplin kritisch aufzuspüren und zu befragen. Er war ein überzeugter und überzeugender, ja ein mitreißender akademischer Lehrer, der seine Begeisterung für die Kunst offen zum Ausdruck bringen konnte.

Für Winters intellektuelle Biographie sind neben Odo Marquard in der Philosophie im eigenen Fach Günther Fiensch in Gießen und Max Imdahl in Bochum prägende Figuren gewesen. Fienschs Forderung nach Präzision und Evidenz der Erkenntnis bildlicher Formzusammenhänge war für den jungen Kunsthistoriker ebenso herausfordernd wie Imdahls von der Hermeneutik geprägtes Kunstverständnis. So aktiv er an den methodologischen Diskussionen der Kunstgeschichte / Kunstwissenschaft in seiner Bochumer Zeit teilnahm, so sehr setzte er – Imdahls ‚Ikonik‘ folgend – das künstlerische Werk als Maßstab seines Denkens und Forschens, so wenn er für Schlaun die ordre absent und das Tafelmotiv als Gestaltungsprinzipen beschrieb, oder wenn er das Individualportrait im Bildmedium der Skulptur am Beispiel der Portraitbüsten Berninis diskutierte. Neben diesen Schwerpunkten im Barock bzw. im 17. und 18. Jahrhundert, galt Winters Interesse Forschungszusammenhängen, in denen er das Verhältnis von Bild, Medium und Form in unterschiedlichsten historischen Kontexten diskutieren konnte. Wichtige Veröffentlichungen betreffen die peinture parlante (Courbets) wie die architecture parlante (Jacob van Campens), aber auch die Genese des modernen Bildbegriffs bei Delaunay, Gauguins Ideismus oder Richard Serras Ortsbestimmungen.

Winter vertrat also einen Bildbegriff, der nie nur auf die Malerei oder auf zweidimensionale Darstellungen beschränkt blieb. Vielmehr war er in besonderer Weise an dreidimensionalen Bildformen interessiert, an Architektur und Skulptur, nicht zuletzt um daran dem zunehmend inflationär gebrauchten Bildbegriff in den jüngeren Bildwissenschaften neue Konturen zu geben. So stand etwa die Skulptur als Bildmedium auch im Zentrum des von ihm initiierten und geleiteten DFG Forschungsprojektes zur Virtualisierung der Borgheseskulpturen Gian Lorenzo Berninis, das auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Informatik einschloss. Und in einem anderen langjährigen Forschungsprojekt zur Kunst im Fernsehen ging es ihm darum, in der Verschränkung von alten und neuen Bildmedien die Eigenheiten der jeweiligen Bildformen genauer zu bestimmen.

Winters Passion für die Kunst und ihre Vermittlung blieb nie auf den akademischen Bereich beschränkt. Zu sehr lag ihm die Kunst, zumal die Kunst der Moderne und der Gegenwart, auch in bürgerschaftlicher Hinsicht am Herzen. Er gehörte zu den Initiatoren, später zum Vorstand des neugegründeten und 2001 eröffneten Museums für Gegenwartskunst in Siegen. Als Berater der Sammlung Barbara Lambrecht-Schadeberg / Rubenspreisträger der Stadt Siegen hat er dazu beigetragen, dass das Museum heute neben dem Themenschwerpunkt „Kunst und Medien“ eine hochkarätige Sammlung zur europäischen Malerei des 20. Jahrhunderts mit einem singulären Sammlungskonzept zu bieten hat. Auch im Umgang mit dieser Sammlung und im Gespräch im Museum bewies Gundolf Winter eindrücklich sein Vertrauen in die Fähigkeiten des Auges, Bilder zum Sprechen zu bringen. Einem seiner letzten Aufsätze hat er mit einem Zitat Wilhelm Genazinos ein Motto gegeben, mit dem er uns den Antrieb seiner eigenen Arbeit umreißt: „Denn alles, was wir immer wieder und länger als nötig anschauen, beginnt eines Tages in uns zu sprechen. Diesen inneren Text, quasi ein Selbstkommentar unseres unentwegt erlebenden Ichs, wollen wir hören, er ist der Lohn für unsere Seh-Arbeit.“

Martina Dobbe und Christian Spies

 
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