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Thema13

Vom Denken der Medien in der Kybernetik bis in die Medienwissenschaft — epistemologische und institutionelle Genesen

von Annette Bitsch

Mein Vortrag wird bei den Überlegungen zu der Frage ‚[Das] Denken [der] Medien‘ mit der Grundannahme des medialen Apriori arbeiten: Denken und Medien sind untrennbar verbunden derart, dass die Medien einer jeweiligen historischen Epoche die Weisen und Wege des Denkens präformatieren. Auf der Basis dieser Ausgangshypothese von der Vorgängigkeit des Medialen (Denkens) werde ich mich der Epoche der Kybernetik zuwenden, in der eine Prozession binärer Elemente anhob, die seitdem und bis auf den heutigen Tag, unentwegt und unaufhörlich, faktisch oder phantasmatisch, durch elektronische Transistoren, elektromagnetische Wellen oder cerebrale Nervenfasern läuft. In Bezug auf [Das] Denken [der] Medien stellt die Kybernetik eine fundamentale epistemologische Zäsur dar, sofern die kybernetischen Medien und ihre Funktionsweisen wesentliche Umbrüche und Konsequenzen für das Denken bedeuten, von denen zwei hier genauer betrachtet werden sollen:

Erstens: auf dem Hintergrund digitaler Maschinenoperationen bricht das zu dieser Zeit bereits sehr fragile Verhältnis zwischen einem Cogito und einem substantiellen Inhalt endgültig zusammen — Reflexionen werden in Operationen, Was-Relationen in Wie-Relationen transformiert.

Zweitens: eng damit verbunden ist eine sich in und seit der Kybernetik konfrontierende Aporie, die die Reflexivität der Maschinenoperationen betrifft und die in respektiver Weise auch das in eine temporalisierte Kette differentieller Elemente verwandelte Denken befällt: Prozesse in operando und die Reflexion auf diese Prozesse schließen sich aus.

Diese beiden zentralen, durch die kybernetischen Medien ausgelösten epistemologischen Zäsuren reflektieren sich im zeitlichen Anschluss an die Kybernetik in den 1950er Jahren in den Schriften zahlreicher Philosophen und Schriftsteller: Derrida, Lacan, Deleuze, Foucault, Luhmann, Maturana u.a. In meinem Vortrag werde ich mich, um einen kurzen Einblick in diesen Niederschlag zu geben, auf Stellen aus den Werken von Jacques Lacan und Niklas Luhmann konzentrieren. Die Wahl dieser beiden Denker hat ihr Motiv darin, erstens einen epistemologischen Transport von kybernetischen Operatoren in Denkoperatoren und weiter in medienwissenschaftliche Grundbegriffe und zweitens mit dem Blick auf wissenschaftshistorische und institutionelle Entwicklungen und Umschichtungen eine Bahn von der Kybernetik in die Medienwissenschaft aufzuzeigen. Denn Jacques Lacan und Niklas Luhmann sind Vertreter zweier Schulen, die sich in der Nachsaison der Kybernetik etabliert hatten und die die größtenteils technisch und naturwissenschaftlich fundierten kybernetischen Forschungen gemäß jeweils unterschiedlichen philosophischen Grundausrichtungen adaptierten: Poststrukturalismus und Systemtheorie. (Die Systemtheorie ging neben dem Radikalen Konstruktivismus aus Heinz v. Foersters Second Order Cybernetics, der ‚Erkenntnistheorie der Kybernetik‘ hervor). Zwischen den 1970ern und den frühen 1990er Jahren, als an den Universitäten noch die Dilthey’sche Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften vorherrschte und jene Interdisziplinarität, die sich dieser Tage zum Must-Have vom Thema der ersten Hausarbeit bis zum SFB-Antrag hochgeschraubt hat, noch sehr fern war, realisierten Poststrukturalismus und Systemtheorie eine Schleusenfunktion, indem sie zusammen mit ihren eigenen Konzepten auch das Denken der Medien in die Geisteswissenschaften bzw. Humanities übertrugen und nicht zuletzt an institutionellen Umstrukturierungen und u.a. an der Gründung der Medienwissenschaften mitwirkten.

Schließlich wird mein Vortrag die große epistemologische Bedeutung der beiden Schulen für die Medienwissenschaft darlegen, die natürlich weit über den Transfer der genannten Beispiele des kybernetischen Medien-Denkens hinausreicht: Bis heute bezieht die Medienwissenschaft zu großen Anteilen Programme und Theorien, Konzeptionen und Grundbegriffe aus der Systemtheorie und dem Poststrukturalismus (auch in seiner Weiterentwicklung zur französischen Gegenwartsphilosophie, zentriert um Badiou, Nancy, Stiegler, Rancière).

 
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