Romseminar 2026

Romseminar 2026
Zwischen Zweifel und Vertrauen
Mathematik, Informatik und der Umgang mit
Unsicherheit
„Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und
zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ - André
Gide
Unsere Zeit scheint in dramatischer Weise von einer
Krise des Vertrauens betroffen zu sein. Das zeigt sich
nicht zuletzt in der wachsenden Sorge um die Stabilität
des demokratischen Gemeinwesens und im Erstarken
populistischer und extremistischer Kräfte, aber auch im
verbreiteten Zweifel an der Wirksamkeit der modernen
Schulmedizin oder in den Protesten einer „letzten
Generation“, die den politischen Akteuren nicht mehr
zutrauen, wirksam gegen die drohende Klima-Katastrophe
anzugehen.
In dieser Gemengelage spielen Mathematik und Informatik
ganz unterschiedliche Rollen. Einerseits kann die
Objektivität und Zuverlässigkeit einer ‛durch- und
nach-gerechneten’ Lösung das Grundvertrauen in eine
sozial-stabile Ordnung stärken, andererseits sind die
Argumente der Mathematik, die Algorithmen der
Informatik ab einem gewissen Level für die meisten
Menschen völlig unverständlich, und so verbleibt ggf.
der Zweifel an der Lauterkeit der Experten, die für die
undurchsichtigen Rechnungen aufkommen.
Die ambivalente Funktion der beiden Disziplinen im
Spannungsfeld von Zweifel und Vertrauen soll im
Romseminar diskutiert werden, wobei uns folgende Themen
und Fragen leiten können:
- Worauf basiert das Vertrauen in die Gültigkeit mathematischer Beweise und das fehlerlose Funktionieren von Algorithmen und inwiefern ist es gerechtfertigt?
- Wie verliefen Debatten um die Grundlagen der Mathematik etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts?
- Welche Rolle spielen die sog. Sozialen Medien („asoziale Hetzwerke“) für das schwindende Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Staaten?
- Ist der 'Modellierungskreislauf' – im Bereich der Didaktik vielfach diskutiert – vielleicht doch ein wenig zu naiv konzipiert?
- Welche Rolle spielen können Bilder und Filme als Beleg für Tatsachen vor dem Hintergrund computergenerierter ‛deep fakes’ noch spielen?
- Welche Rolle spielt der methodische Zweifel (Descartes) für die Entwicklung der neuzeitlichen exakten Wissenschaften; ist die prinzipielle Falsifizierbarkeit ihrer Resultate Grund zum Zweifel oder vielmehr zum Vertrauen in ihre Methode?
- Wie sehen philosophische Positionen aus, die grundsätzlich an der wissenschaftlichen Erkennbarkeit der Welt zweifeln (Skeptische Positionen von der Antike bis heute)?
Diese und andere Themen werden, je nach Interessen
der Teilnehmenden, im Romseminar angesprochen. Es
bietet damit die besondere Möglichkeit, über den
Tellerrand des eigenen Studienfachs hinauszuschauen und
Themen von allgemeiner Relevanz (vor dem Hintergrund
unserer Fächer) zu diskutieren. Daneben geht es aber
auch darum, Präsentation, Rhetorik und Diskussion in
einem fachlichen Kontext zu üben.
Im Laufe des Wintersemesters 2025/26 werden wir uns
zunächst das Thema durch gemeinsame Lektüre, kleine
Impulsreferate und Diskussionen auf- und erschließen.
Bis Ende Dezember soll dann jeder Teilnehmer ein
eigenes Projekt gefunden haben. Dieses wird schließlich
während der gemeinsamen Exkursionsphase in Rom (1. bis
8. März 2026) vorgestellt und diskutiert. Dabei lassen
wir uns durch ein vielfältiges Begleitprogramm auch zu
sonst nicht zugänglichen Orten dieser "Ewigen Stadt"
inspirieren.
Voraussetzung für das Seminar ist die Bereitschaft,
sich mit der Thematik engagiert auseinanderzusetzen;
geeignet ab dem ersten Studiensemester.
„Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt.“ - Franz Kafka
Link zu Unisono-Veranstaltung