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Neue Forschungsergebnisse im Bereich chiraler magnetischer Ordnungen auf der Nanoskala

Internationales Forschungsteam macht erstmals die Dynamik der chiralen Ordnung magnetischer Strukturen sichtbar. Die Erkenntnisse sind vor allem für den Bereich der Spintronik interessant.

Ob Schneckenhaus, Wirbelstürme oder die DNA – viele Objekte in unserem Alltag und in der Natur besitzen einen besonderen Drehsinn. Diesen bezeichnet man als Händigkeit oder Chiralität. Seit einiger Zeit kennt man auch im Nanokosmos der Festkörperphysik chirale Phänomene. Diese hängen mit den magnetischen Eigenschaften von Materialien zusammen. So können sich in Festkörpern mikroskopisch kleine magnetische Wirbel oder auch Spiralen ausbilden. Die magnetische Ordnung mit Drehsinn unterscheidet sich somit von einer linearen Ordnung, in der die magnetischen Momente nur in einer Richtung angeordnet sind.

Ein Forschungsteam aus Mitgliedern der Universität Siegen, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des Forschungszentrum Jülich und dem ELETTRA Synchrotron in Triest hat dazu Experimente an einem Röntgenlaser durchgeführt, deren Ergebnisse jetzt in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht worden sind. Die Herausforderung war dabei, dass die Forscher magnetische Prozesse und den Drehsinn des Magnetismus auf einer Längenskala von wenigen Nanometern und der Zeitskala von wenigen Femtosekunden sichtbar machen müssen. Das ist nur mit Hilfe eines Röntgenlasers möglich, wie dem in der Großforschungsanlage im italienischen Triest. In einer 400 Meter langen Anlage werden dort ultrakurze und hochintensive Röntgenpulse erzeugt, die die Probe durchleuchten.

Chirale Objekte sind nicht nur für die Grundlagenphysik interessant, sondern haben auch praktische Anwendungen, weil man mit ihnen Informationen nahezu stromlos verarbeiten kann. Gerade im Bereich der zukünftigen Spintronik, etwa bei der Entwicklung von Speicherchips, ist ultraschnelles Schreiben und Löschen von magnetischen Informationen sehr wichtig. Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern die chirale magnetische Ordnung die gleichen dynamischen Eigenschaften aufweist, wie man sie von einer linearen Ordnung kennt. Professor Christian Gutt von der Universität Siegen erklärt dazu: „Der Weg zu diesen Experimenten war ein Marathon, der sich über zwei Jahre erstreckte. Zunächst mussten Proben von sehr hoher Qualität hergestellt und auch genau vorcharakterisiert werden. Nur dann hat man überhaupt eine Chance, eine der begehrten Experimentierzeiten an einer Röntgen-Laseranlage zu bekommen. Der entsprechende Experimentiervorschlag wird einem strengen internationalen Begutachtungsprozess unterworfen und nur dann bewilligt, wenn er den Qualitätsanforderungen genügt, die den Einsatz der Betriebskosten für das Experiment, welche  im Bereich von einer Million Euro liegen, rechtfertigt. Damit will man sicherstellen, dass alles am Experiment funktioniert und die Ergebnisse auch wissenschaftlich interessant sind“.

Für die Experimente wurden dann magnetische Multilagenfilme in Mainz hergestellt. Die atomar glatten Grenzflächen in diesen Multilagenfilmen ermöglichen überhaupt erst das Entstehen einer chiralen magnetischen Ordnung. Mit Hilfe der Röntgenblitze konnte das Forscherteam dann erstmals die nanoskalige Dynamik der chiralen Ordnung nach Anregung mit optischem Licht sichtbar machen. Dazu haben sie die magnetische Struktur  auf Zeitskalen im Femtosekundenbereich optisch ausgelöscht und verfolgt, wie sich die magnetische Ordnung nach Abschalten des Pulses dann wieder etabliert. Dabei hat sich gezeigt, dass die chirale Ordnung deutlich stabiler ist als die lineare Ordnung und sich schneller von einer optischen Anregung erholt. Diese neue Erkenntnis ist für das gezielte Erzeugen und Manipulieren von chiraler Ordnung und magnetischen Nanowirbeln hochinteressant. Es eröffnet beispielsweise die Möglichkeit, magnetische Nanowirbel zu verstärken oder in ganz neue Formen zu überführen.

„Das war zunächst eine unerwartete Entdeckung. Hier waren wir auch froh, dass wir Unterstützung durch die theoretische Physik aus Mainz und Jülich bei der Interpretation und Modellierung hatten“, berichtet Dr. Ksenzov, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Physik der Universität Siegen. Nico Kerber, Erstautor der Studie und Doktorand aus der Arbeitsgruppe von Professor Mathias Kläui aus Mainz, fügt hinzu: „Aber die Datenlage war zunächst nicht so eindeutig wie erhofft. Die Gutachter waren noch nicht ganz überzeugt und wollten gerne mehr Datensätze sehen. Das war allerdings nicht ganz einfach: Europa und insbesondere Norditalien waren im Pandemie Lockdown.“ Die italienischen Kollegen haben aber schließlich einen Weg gefunden, über Postversand der Proben und mit Videokonferenz-Experimenten die entscheidenden Datenpunkte zu messen. „Das Ergebnis war eindeutig und hatte unsere ersten Experimente voll bestätigt, so dass auch die Gutachter überzeugt waren“, so Kerber. Professor Mathias Kläui von der JGU Mainz fügt hinzu: "Ich bin sehr froh darüber, dass hier erfolgreich die nächsten Schritte unternommen werden konnten, um chiralen Magnetismus zur Anwendung in der neuen Spintronik zu bringen. Internationale Kollaborationen mit Großforschungsanlagen sind hierbei von zentraler Bedeutung, um neue Erkenntnisse zu erzielen, aber auch um unsere Nachwuchswissenschaftler auszubilden."

„Wir freuen uns darauf, die Experimente wieder bei unseren Kollegen in Italien durchführen können, wenn die Pandemie vorbei ist“, so Christian Gutt. Die nächsten Experimente im Bereich der Nanowirbel sind schon geplant.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christian Gutt
Department Physik
Telefon 0271/740-3741

 
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