Romseminar 2020
 
        Romseminar 2020
Digitalisierung
            
            Wie diskret wollen wir leben?
            
            Annäherungen durch Mathematik und Informatik
            
“Computing machines are like the wizards in fairy
            tales. They give you what you wish for, but do not tell
            you what that wish should be.” Norbert Wiener
            (1894–1964)
            
            Das Schlagwort „Digitalisierung“ adressiert ein
            komplexes Phänomen mit vielen Dimensionen, zumindest
            einer wissenschaftlichen, einer technologischen, einer
            politischen und einer im weiteren Sinne kulturellen.
            Der Begriff des „Digitalen“ stammt dabei zunächst aus
            dem Bereich der Nachrichtentechnik und bedeutet
            lediglich, dass ein „digitales“ Signal (im Gegensatz
            zum „analogen“) einen diskreten, also abgegrenzten und
            gestuften Wertvorrat umfasst. Die Möglichkeit zur
            Verarbeitung dieser „digitalen Daten“ durch
            elektronische Rechenmaschinen gab dann einer ganzen
            technologisch-kulturellen Revolution ihren Namen. Unter
            Digitalisierung wird schließlich die durch den Einsatz
            elektronischer Rechen- und Kommunikations-Mittel
            vorangetriebene gesellschaftliche Umgestaltung
            verstanden.
            
            Das Romseminar 2020 wird sich dem Thema
            „Digitalisierung“ auf zwei Ebenen widmen. Zum einen
            sollen zentrale Begriffe bzw. Phänomene im Kontext der
            Digitalisierung geklärt werden. Dies betrifft die
            elementaren Begriffe: Daten, Zahlen, digital vs.
            analog, Algorithmen, etc., aber auch technisch
            anspruchsvollere Themen wie etwa ‛Big Data’,
            ‛Künstliche Intelligenz’, ‛Autonome Maschinen’. Hier
            geht es also darum, die technische Seite der
            Digitalisierung durch adäquate (!) Elementarisierung so
            weit transparent zu machen, dass deren begriffliche
            Voraussetzungen und technische Möglichkeiten beurteilt
            werden können, ohne auf tendenziöse (teils
            dystopisch-dramatisierende, teils euphorisch-werbende)
            Interpretationen angewiesen zu sein.
            
            Zum anderen geht es um einen vertieften Blick auf
            ausgewählte gesellschaftliche Bereiche, die durch den
            Prozess der Digitalisierung wesentlich umgestaltet
            werden, wobei sich u.a. die Frage nach den Akteuren
            bzw. der (anonymen?) Dynamik dieser Umgestaltung
            stellt. Als Themen kommen hier unter anderem in
            Frage:
- Der Bereich der Wissenschaften selbst: Inwiefern wird etwa in den Naturwissenschaften das Ziel, natürliche Systeme durch eine Analyse von bzw. Beschreibung durch Kausalbeziehungen zu verstehen, ersetzt durch die (automatisierte) Erhebung von riesigen Datenmengen und die anschließende Suche nach Korrelationen? In welcher Weise ändern aber auch klassische Geisteswissenschaften (etwa Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte oder Archäologie) durch den Computer-Einsatz ihre Methodik in wesentlicher Weise und damit auch ihr Selbstverständnis? Und nicht zuletzt: wie weit prägt das Erheben von Daten und deren Auswertung (nach welchen Kriterien?) die Sozialwissenschaften?
- Im politischen (juristischen) Bereich können Fragen des Datenschutzes oder etwa die Transformation des Urheberrechts diskutiert werden.
- Brisanter ist vermutlich die Frage nach den extrem gewachsenen Erfassungs- und Kontroll-Möglichkeiten, wie dies private Unternehmen – Amazon und Google sind nur die bekanntesten – längst praktizieren. In diesen Bereich gehören wohl auch die neueren Entwicklungen zu einer Digitalisierung der sozialen Kontrolle etwa in China und anderen autoritären Staaten.
- Die Transformation der Arbeitswelt wird inzwischen viel diskutiert: welche Konsequenzen ergeben sich etwa für die weltweite, aber auch die lokale Wirtschaft, einzelne Unternehmen und Arbeitnehmer?
- Es ist nicht untypisch in der Geistesgeschichte, dass die jeweils avancierteste Technologie für das menschliche Selbstbild prägend wird (siehe die Hydraulik der Barock-Orgel oder die mechanischen Automaten der Uhrmacher). Welchen Einfluss hat also die Digital-Revolution auf das Menschenbild? Aber auch: Was bedeuten die konkreten, oder auch nur die ideologischen Perspektiven eines „Transhumanismus“?
- Was bedeutet es für das Erziehungssystem, wenn unter dem Schlagwort „Schulen an’s Netz“ eine verstärkte Orientierung der Schulpolitik an elektronischen Medien stattfindet?
- Schließlich kann auch die Erweiterung der Schlachtfelder des Militärs in die „virtuellen Welten“ und die Entwicklung „autonomer Kampfsysteme“ diskutiert werden.
Diese und weitere Themen will das Romseminar 2019
            ansprechen und bietet damit die besondere Möglichkeit,
            über den Tellerrand des eigenen Studienfachs hinaus zu
            schauen. Daneben geht es auch darum, Präsentation,
            Rhetorik und Diskussion zu üben.
            
            Im Laufe des Wintersemesters werden wir uns zunächst
            das Thema durch gemeinsame Lektüre, kleine
            Impulsreferate und Diskussionen auf- und erschließen.
            Bis Ende Dezember soll dann jeder Teilnehmer ein
            eigenes Projekt gefunden und im Dialog mit den
            Studierenden vor Ort erprobt haben. Dieses wird
            schließlich während der Exkursionsphase in Rom (24. bis
            29. Februar 2020) vorgestellt und diskutiert. Dabei
            lassen wir uns durch ein vielfältiges Begleitprogramm
            auch zu sonst nicht zugänglichen Orten dieser ‘Ewigen
            Stadt’ inspirieren.
            
            Voraussetzung für das Seminar ist Bereitschaft, sich
            mit der Thematik engagiert auseinander zu setzen;
            geeignet ab dem ersten Semester.
