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Die Reise in die Vergangenheit: Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert

Tagung an der Universität Siegen

6.-8. November 2014

Veranstalterinnen: Univ.-Prof. Dr. Angela Schwarz, Dr. des. Daniela Fleiß


Der Begriff des "Geschichtstourismus" ist in aller Munde, wie allein 65.900 Ergebnisse für den deutschen Begriff bei einer Stichwortsuche via Google bezeugen. Hierbei handelt es sich jedoch allein um eine populäre Verwendung des Begriffs, von der historischen Forschung wurde bisher weder der Begriff verstärkt verwendet, noch ein zugehöriges Konzept vorgelegt. Zwar liegen viele konkrete Studien zu einzelnen historisch bedeutsamen Orten und ih-rer populären Aufbereitung vor, allen voran die Forschungen zu Gedenkstätten kriegerischer Auseinandersetzungen. Es existieren jedoch kaum Studien zum Geschichtstourismus in der Vergangenheit oder konzeptionelle Überlegungen zu seiner Rolle und Funktionsweise. Beides ist jedoch äußerst wichtig, wenn es darum geht, Gründe dafür zu finden, warum Menschen in der Vergangenheit und der Gegenwart in ihrer Freizeit Orte aufsuchten, die Überreste aus der Vergangenheit zeigen oder an denen sich bestimmte Ereignisse abgespielten. Welche Rolle spielt die Geschichte für ein touristisches Erlebnis? Was macht die touristische Qualität der Betrachtung von Geschichte an einem bestimmten Ort aus? Was bewirkt der touristische Blick auf die Vergangenheit? Wie entsteht in diesem Prozess ein Bild von Geschichte und welche Zwecke erfüllt diese Geschichte?

Solche Überlegungen verweisen darauf, dass es sich beim Geschichtstourismus um Popularisierung von Geschichte handelt. Unter den eingehend analysierten Formen von Geschichtspopularisierung, die besonders seit dem 19. Jahrhundert vielfältige Funktionen erfüllen, darunter in der Aushandlung von nationalen, ethnischen und regionalen Identitäten, fehlt der Geschichtstourismus jedoch. Ein Blick auf die Forschungen zur Geschichtskultur wie in die einschlägigen Sammelbände zur Geschichtspopularisierung bestätigt diesen Eindruck.

Dabei existieren große Ähnlichkeiten zwischen dem, was generell im Tourismus geschieht, und dem, was Geschichtspopularisierung leistet. In beiden Fällen geht es um ein Erlebnis, das Abenteuer, das Zusammentreffen von Fremdem, Anderem, das ein Unterhaltungselement beinhaltet. In beiden handelt es sich jeweils um Konstruktionen zur Identitätsfindung. Die eigene Geschichte ist sowohl für den Einzelnen als auch für die soziale Gruppe für die Standortbestimmung in der Gegenwart notwendig, sie liefert individuelle, regionale oder nationale Selbstbestätigung und gesellschaftliche und politische Legitimierung. Der Tourismus konstruiert künstliche Welten, deren Erfahrung ebenfalls vorrangig zur Bestimmung des Eigenen dient. Beide, die populäre Produktion von Geschichte wie der Tourismus, suchen das Außeralltägliche, erfüllen das Bedürfnis, die Alltagsrealität hinter sich zu lassen, in die (zeitliche oder räumliche) Ferne zu gehen.

Der österreichische Historiker Valentin Groebner wies kürzlich auf die Verbindung von Geschichte und Tourismus hin. Gegründet auf die Annahme, er sei erst aufgrund einer Änderung des Geschichtsbewusstseins in jüngerer Zeit möglich geworden, untersucht er Geschichtstourismus vornehmlich als Erscheinung der Gegenwart. Die für November 2014 geplante Tagung an der Universität Siegen geht hingegen davon aus, dass es sich beim Geschichtstourismus um ein älteres Phänomen handelt. Zwar lässt sich der Wunsch, 'Stätten der Vergangenheit' aufzusuchen und an ihnen ein besonderes Erlebnis zu haben, nahezu in allen Zeiten finden. Die sozialen, wirtschaftlichen und medientechnischen Entwicklungen spätestens seit dem frühen 19. Jahrhundert ließen jedoch eine eigene Form der Produktion und Verbreitung von historischem Wissen entstehen und sorgten damit für einen einzigartigen Aufschwung von Geschichtstourismus und für eine für die Epoche charakteristische Ausprägung.

Die Tagung dient der Annäherung an dieses Phänomen, seine Spezifika und Funktionen. Bei-träge aus verschiedenen Disziplinen sollen Reisen in die Vergangenheit in verschiedenen Phasen der europäischen und nordamerikanischen Moderne zum Gegenstand machen und analysieren, wie die jeweils bereisten geschichtlichen Orte, die Motive für den geschichtstouristischen Akt und das sich einstellende Erleben in zeitgenössischen Quellen aufschienen.

Zu den Aspekten, die das Themenfeld erschließen helfen und die in Vorträge behandelt werden könnten, gehören:

  • die Epochen, die jeweils attraktiv wirkten, und ihre Konjunkturen
  • die Kategorien von Monumenten, die aufgesucht wurden, sowie ihre dinglichen und räumlichen Eigenschaften
  • die jeweiligen Träger des Geschichtstourismus in verschiedenen Zeiten und Ländern
  • die Sicht- und Verhaltensweisen, die Relikte der Vergangenheit zu touristischen Attraktionen werden ließen
  • die gesellschaftliche oder politische Aufgabe der touristischen Nutzung von Vergangenheit
  • die mediale Aufbereitung von Geschichtstourismus
  • die Art von Geschichte (Herrschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Nationalgeschichte etc.), die durch die touristische Nutzung von Vergangenheit erschaffen wurde.

Diese und weitere Aspekte können an exemplarischen Fällen untersucht werden, wobei jedoch über eine Ansammlung von Beschreibungen verschiedener "Reisen in die Vergangenheit" in der Vergangenheit hinaus das Phänomen des Geschichtstourismus in den verschiedenen Zeiten der Moderne an sich im Auge behalten und allgemeine Überlegungen mit speziellen Ergebnissen verknüpft werden sollen.

Eine spätere Veröffentlichung der Tagungsergebnisse in einem Sammelband ist geplant.

 
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