Die frühe Evolution des Menschen: Wissenschaftliche Diskussion und populäre Darstellungen (1859-1900)
Die Frage nach dem Ursprung allen Lebens auf der Erde ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Boten früher mythische und religiöse Vorstellungen einfache Antworten, so setzten sich etwa ab dem späten 18. Jahrhundert immer mehr komplexe wissenschaftliche Erklärungen durch, die statt auf reinem Glauben auf Beobachtung und Analyse fußten. Zu den wichtigsten dieser wissenschaftlichen Theorien im modernen Sinne zählt die 1859 von Charles Darwin vorgelegte Evolution durch natürliche Auswahl, die alsbald als ‚Streitfall Evolution‘ nicht allein in wissenschaftlichen Zirkeln sondern ebenso in einer immer breiter werdenden Öffentlichkeit diskutiert wurde.
Darwins Theorie entstand keineswegs im luftleeren Raum. Wichtige Grundlagen wie zum Beispiel das hohe Alter der Erde waren in den Jahrzehnten vor Darwins wichtigster Publikation bereits ausgearbeitet. Zudem verwendete Darwin rund zwei Jahrzehnte darauf, möglichst viele und eindeutige Belege für seine Theorie zusammenzutragen, sei es allein aus wissenschaftlicher Gründlichkeit oder um einer öffentlichen Kritik an seinen Thesen besser entgegentreten zu können. Denn das seine Theorie Fragen und Kritik von vielen Seiten hervorrufen würde, war Darwin klar. Das betraf nicht allein Widerstand von kirchlicher, sondern auch von wissenschaftlicher Seite, existierten Mitte des 19. Jahrhunderts doch unterschiedliche Theorien über die so faszinierende Frage, wie sich das Leben auf der Erde entwickelt haben mochte.
Debattiert wurde das Für und Wider von Darwins Evolutionstheorie abseits der reinen Wissenschaft überwiegend in den Medien. Vor allem der seinerzeit noch recht jungen Technik der Fotografie kam die wichtige Rolle zu, als Mittel der vermeintlich unbestechlichen Dokumentation mit dazu beizutragen, die Theorie mit visuellen Belegen zu stützen, was sich Darwin selbst vor allem in seiner Schrift über die Emotionen beim Menschen und Tieren zunutze machte.
Neben der Fotografie waren auch alle anderen Formen von Visualisierungen eine wesentliche Säule in der Verbreitung von Darwins Theorie in einem weiten Umfeld. Materielle Inszenierungen kamen hinzu, wie etwa bei den Vorstellungen von den frühen Menschen. Diese wurden in Form von Überresten wie Knochenfunden oder Gerätschaften wie in auf den Funden aufbauenden Rekonstruktionen einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Manche Bilder vom ‚wilden Mann‘ bestehen bis heute fort. Im 19. Jahrhundert wurden derartige Ansichten wie Informationen über die Evolution noch weiter verstärkt durch die Ausstellung von Menschen aus Übersee in Zoologischen Gärten Europas und Nordamerikas und ihrer Inszenierung als das fehlende Bindeglied in der menschlichen Entwicklungsgeschichte.
Inhalte des Abschnitts im Buch:
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Evolutionskonzepte im Wandel: Debatten in der Zeit vor Darwin
Marianne Klemun -
Darwins ‚Reise zur Erkenntnis‘ und der Ursprung einer Debatte
Matthias Glaubrecht -
Evolution: Ein öffentlicher Streitfall seit 1859
Peter J. Bowler -
Darwin und die Fotografie: Einflüsse auf die visuelle Kultur
Monika Pietrzak-Franger -
Darwinismus als Kampf aller gegen alle?
Ursprung und Konsequenzen eines Missverständnisses
Dirk Solies -
Evolution im Zoo: Die Veranschaulichung einer Theorie am lebenden Objekt
Rebecca Bishop -
Die frühe Evolution des Menschen: Wissenschaftliche Diskussion und
populäre Darstellungen (1859–1900)
Chris Manias -
Von wilden Männern und Frauen: Rekonstruktionen des
vorzeitlichen Menschen im Museum
Bärbel Auffermann und Gerd-Christian Weniger
Bildquelle: Louis Figuier: La Terre avant le Déluge, 5. Auflage, Paris 1866, S. 427.