D) Bereichsspezifische Auffassungen von Analysis zu Studienbeginn
Auffassungen von Mathematik sind ein Faktor zur Erklärung der vielzitierten doppelten „Diskontinuität“ im Lehramtsstudium und werden als ein Aspekt der Übergangsproblematik Schule-Hochschule gehandelt. So werden verschiedene hochschuldidaktische Bemühungen im Rahmen der universitären Lehrerbildung u.a. mit dem Ziel begründet, ein „tragfähiges Mathematisches Weltbild“ bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern zu erzeugen (vgl. z.B. Beutelspacher u.a., 2011).Dabei ist das Phänomen der „Mathematischen Weltbilder“, „epistemologische Überzeugungen“, „beliefs“ oder des „beliefs systems“ bezogen auf die Disziplin Mathematik allgemein, aber auch auf das Lehren und Lernen bezogen, inzwischen viel beforscht. Eine umfängliche Erforschung der fachimmanenten Auffassungen („domain specific beliefs“) bezogen auf Teilgebiete der Mathematik, zudem mit Blick auf die Besonderheiten der Lehrerbildung, steht indes noch aus. Hier setzt das gemeinsames Forschungsprojekt mit Susanne Spies (Universität Siegen) an. Mit Blick auf Übergangsproblematiken von Schule zur Hochschule von Lehramtsstudierenden liegt der Fokus einer empirischen Studie (eingebettet in Schulbuchanalysen und historische Vergleichstudien) auf den bereichsspezifischen Auffassungen bezüglich der Nahtstellendisziplin Analysis. Dem Forschungsdesign liegt die Annahme zu Grunde, dass bei der Analysis als, prominentem Teil der Oberstufenmathematik und gleichzeitig einem der ersten hochulmathematischen Inhalte, im Studium Auffassungsunterschiede in besonderer Weise wirksam werden. Vorrangige Ziele der Untersuchung sind dabei zunächst eine möglichst präzise Beschreibung der bereichsspezifischen Auffassungen zur Analysis von Studienanfängern sowie eine begleitende erste Ursachenforschung. Dies bietet Bezüge sowohl zum Oberstufenunterricht als auch zur universitären Mathematikausbildung.
Als Untersuchungsinstrument entstand im Rahmen von Voruntersuchungen mit Schülerinnen und Schülern einerseits und Studierenden höherer Semester andererseits ein gemischter halboffener Fragebogen. Während der erste Teil des Fragebogens zur Beschreibung einer Situation aus dem eigenen Analysisunterricht anregt und der dritte Teil aus einem standardisierten Fragebogen mit Blick auf die Mathematik allgemein besteht, werden im zweiten Teil freie Assoziationen zu zentralen Begriffen der Analysis, wie „Ableitung“, „Integral“, „Funktion“, „Tangente“ oder „Momentangeschwindigkeit“, erhoben – dabei zeigt sich z.B., dass Bemühungen den Analysisunterricht an Anwendungskontexten auszurichten (v.a. im Zusammenhang mit dem Begriff der lokalen Änderungsrate wie z.B. von Danckwerts & Vogel 2006 gefordert) in der bisherigen Form keinen signifikanten positiven Effekt auf Begriffsbildungsprozesse der Schülerinnen und Schüler zu haben scheinen. Dagegen erscheinen geometrische Vorstellungen und/oder symbolischschematische Vorgehensweisen dominant – wohl ursächlich verbunden mit der Art und Weise wie Analysis in modernen Schulbüchern vermittelt wird.
Weitere Informationen zu den übrigen Forschungsfeldern finden Sie unter den nachfolgenden Links:
- Idee der empirischen Theorien im Mathematikunterricht
- A) Rekonstruktion der Entwicklung mathematischen Wissens in Geschichte und Schule
- B) Übergangsproblematik Schule - Hochschule
- C) Erkenntnistheoretische Parallelen Mathematik-Naturwissenschaften
- E) MINTUS-Digital
Literatur
Beutelspacher, Albrecht;Danckwerts, Rainer; Nickel, Gregor; Spies, Susanne (2011): Mathematik neu denken. Impulse für die Gymnasiallehrerbildung an Universitäten. Wiesbaden: Vieweg+Teubner / Springer.
Danckwerts, Rainer; Vogel, Dankwart (2006): Analysis verständlich unterrichten. Berlin: Spektrum (Mathematik Primar- und Sekundarstufe).