Bezug zur Welt da draußen
Brauhausfotografie 34
Fotografie bildet ab. Was die Fotografin, der Fotograf wahrnimmt und sieht – mit den Augen, durch den Sucher, durchs Objektiv, ganz subjektiv. Sie zeigt den Ausschnitt, fokussiert und blendet damit bewusst auch aus. Beim Film kommen mindestens Schnitt und Ton dazu, erweiterte Dimensionen, doch die Ausgangssituation bleibt: der Bezug zur Wirklichkeit, zum „wahren Leben“, zu der Welt da draußen, zum Gegenüber.
Wie aus dem „Ab-Bilden“ eine Erzählung wird, das unterstreicht eindrucksvoll die „Brauhausfotografie 34“, die jetzt eröffnet wurde. 17 Kunst- und Architekturstudierende der Universität Siegen und drei Gäste haben dieses Ausstellungsprojekt gemeinsam kuratiert. Dabei präsentieren sie ihre Auswahl auf mehreren Ebenen: im Erdgeschoss des vom Fach Kunst genutzten Alten Brauhauses zwischen Geisweid und Weidenau, in einem als Fächer gestalteten Katalog und online sowohl auf der Webseite brauhausfotografie.de (mit zusätzlichen Erläuterungen) als auch im Instagram-Profil der „brauhausfotografie“.
Sie sind also nicht allein analog verfügbar, die Arbeiten dieses Ad-hoc-Kollektivs, sondern behalten Sichtbarkeit. Zur Eröffnung der Schau hatten sich viele Interessierte einladen lassen, sich auf die Spur der unterschiedlichen Positionen zu begeben. Und lächelten ... beim Blick auf Carl Rollers „puddingparlament“. Und erkannten Bekanntes ... in Aaron Stierls Inkjet-Print-Serie, die im Zuge der Abrissarbeiten am Siegener Gasthof Klein entstanden. Und ließen sich anrühren ... etwa von den fein umhäkelten Schwarz-Weiß-Negativen der an der Wand postierten Installation von Kira Schulte-Siering.
Mit großem Geschick bespielte die Gruppe die Räumlichkeiten. Die Studierenden reagierten auf weite Fluchten und engere Nischen, auf Kammern und Fensterbänke; sie brachten ihre Werke in einen Dialog, ohne der je anderen Arbeit die Luft zu nehmen. Exemplarisch sei die Korrespondenz der „Fassaden“ von Liara Klein und Simona Hoff genannt: Hier die Nahaufnahme, dort eine zugespitzte Betrachtung eines Davor und Dahinter, beides in einem Brauhaus-Durchgang stilsicher (und sogar ums Eck!) an die weißen Wände platziert.
Wer den Rückzug suchte, durfte sich wiederfinden in der kleinen Kabine, in der das fast halbstündige Video von Kim Edelhoff lief: „dolled up“ folgt einer nach innen gewandten, fast monoton wirkenden Tätigkeit des Sich-zurecht-Machens einer Frau – vor der Kamera und hinter heruntergelassenen Jalousien und in einem Prozess einer konzentriert ausgeübten Verwandlung. Auf diesen Hauch von Nostalgie setzt auch Leoni Sidiropoulou mit ihrer mehrdimensionalen Arbeit „Kill *apple“: Ein rotwangiger Apfel verliert auf dem Blümchenteller seine Unschuld ...
Der als Gast geladene Alumnus Simon Hönicke, inzwischen Student an der Kunsthochschule für Medien Köln, ermunterte dazu, sich zu vertiefen in eine Video-Arbeit, die an die Sieg bei Au führt, an einen Punkt zwischen den „Artilleriehügeln“ der letzten Weltkriegstage im April 1945. Er collagiert Filmmaterial von einer Weideidylle am Ufer des Flusses mit Zeitzeugenberichten, mit dort über Funkmasten eingefangene Radio-O-Töne vom (vermutlich) afrikanischen Kontinent und auch mit digital verfremdeten historischen Filmaufnahmen der deutschen Wehrmacht. Vielschichtig und hochinteressant – und mit den „Augen mit Ohren“ von Gastkünstlerin Kathrin Sonntag, in der Blickachse platziert, inhaltlich durchaus verwandt. Der dritte im Bund der eingeladenen Gäste ist der Medienkünstler Jörg Paul Janka, dessen Filmstill „Sorgenbrecher“ fast schon wie Malerei anmutet.
In seiner einführenden Rede verwies Prof. Dr. Christian Berger, Dozent für Kunstgeschichte am Department für Kunst und Musik der Universität Siegen, ausdrücklich auf die gelungene Form der Ausstellungsanordnung im Brauhaus-Parterre. Für das engagierte Studierendenteam (auch die Pizza für alle war handgemacht!) dankte Raphael Nikola Janetzki schließlich auch den Dozentinnen Prof. Uschi Huber und Dr. Julia Kernbach sowie den unterstützenden Institutionen. Und dann? Durfte geschaut, diskutiert und gefeiert werden.
(Text: Claudia Irle-Utsch)
An der Brauhausfotografie 34 wirkten mit:
Hannah Birkelbach, Kim Edelhoff, Charlotte Figulla, Nele Hofer, Simona Hoff, Simon Hönicke, Natalie Hundt, Raphael Nikola Janetzki, Jörg Paul Janka, Mustafa Kizilcay, Liara Klein, Julia Mikhaylova, Lara Maria Pero, Christina Prochaska, Carl Roller, Leoni Sidiropoulou, Aaron Stierl, Michelle Schmitz, Samuel Schöllchen, Kathrin Sonntag und Kira Schulte-Siering.
Die Ausstellung im Brauhaus (Zum Wildgehege 25, 57076 Siegen) ist bis Sonntag, 23. November 2025, täglich von 14 bis 18 Uhr zu besichtigen. Mehr: www.brauhausfotografie.de.