"Das war der Rausch des Rhythmus, der mich ergriffen hat"
Der Lyriker Michael Donhauser war zu Gast bei Poetry@Rubens.
Handelt es sich um Prosagedichte, um Naturlyrik oder Nature Writing? So ganz einordnen mag Michael Donhauser seine Gedichte im Band „Unter dem Nussbaum“ nicht. Sicher ist er sich indes darin, dass er eher zu den experimentellen denn zu den traditionellen Schreibern gezählt werden möchte: „Eine eigene Art Gedichte zu schreiben, ist mir näher als die traditionelle.“ Und weiter: „Ich gehöre zu einer Generation in Wien, die unter dem rot-weiß-roten Qualitätssiegel steht. Man muss deshalb experimentell sein.“ Zu Gast war der 1956 in Vaduz als österreichischer Staatsbürger geborene Michael Donhauser bei „Poetry@Rubens“ im Foyer des Apollo-Theaters. Das Format wurde im Jahr 2007 an der Universität begründet. Donhauser folgte einer Einladung von Prof. Dr. Dieter Schönecker nach Siegen und las aus dem Band „Unter dem Nussbaum“.
Die Natur ist in seiner Lyrik allgegenwärtig. Schönecker: „Heute weiß man nicht immer, worum es in einem Gedicht geht. Bei Ihnen schon.“ Gedichte mit Titeln wie „Die Amsel“, „Der Holunder“, „Die Linde“, „Die Schwertlilien“, „Das Gestrüpp“ stehen für naturnahe Themen. Zu diesen schreibt der Verlag Matthes&Seitz: „Ein Aufhören, Aufrichten, ganz in Schwarz ein Atemzug Aufmerksamkeit – mit diesen Worten setzte Michael Donhauser vor nun fast vierzig Jahren an zum poetischen Flug, der bis heute nicht an Höhe, nicht an Verve und Versatilität verloren hat. Getragen von einem Wind, der den Rhythmus vorgibt, manchmal aufbraust, an den Bäumen, den Rosen rüttelt, dann wieder abklingt, gleich einem Atmen in allem, wehend von fernher und feiernd, erkundet Donhausers Dichtung seitdem die Welt mit jedem Vers ein Stückchen mehr, schaut um sich und lauscht, fächert sie auf und lässt sie sinnlich erfahrbar werden in einem allein der poetischen Wahrnehmung verpflichteten Werk. Einem Werk, das mit Unter dem Nussbaum bei Weitem keinen Abschluss findet, sondern sich mit Blick auf bereits Veröffentlichtes, Verstreutes, Verlorengeglaubtes in neuen Texten aufrichtet, anhebt, ein Schlagen mit den Flügeln, hin zu jenem Ort, wo sich zeigt, was Gedichte vermögen.“ Donhauser: „Das war der Rausch des Rhythmus, der mich ergriffen hat.“
„Es ist nahe an der Prosa, was ich mache“, räumt Michael Donhauser im Gespräch mit seinem überwiegend studentischen Publikum ein. Allerdings handele es sich nicht um Detailrealismus. Und weiter: „Ich habe es nie Naturlyrik genannt, kann aber verstehen, dass es so angesehen wird.“ Die Lyrik entstand im Garten sitzend oder in Parks. Stadtlyrik, so der Autor, gelinge ihm nicht so gut.
Michael Donhauser ist auch bekannt für seine „Bruchgedichte“, in denen er inmitten eines Satzes mit einem „und“ die Denkrichtung ändert: „Man denkt, der Satz geht anders weiter, der Gedankenlauf wird unterbrochen. Das gleicht der Zerstörung der logischen Syntax.“ Vielleicht, so der Einwurf von Prof. Schönecker, handele es sich um ein Mittel, „die nackte Schönheit der Gedichte zu brechen“.
Michael Donhauser wurde jüngst mit dem Eichendorff-Preis 2025 ausgezeichnet. Mit Donhauser werde ein Autor gewürdigt, dessen Werk – so die Begründung der Jury – uns immer wieder »aufs Neue begreifen lässt, welche Kraft und Schönheit Dichtung noch haben kann«.
Michael Donhauser ging Mitte der 70er-Jahre für sein Studium von Vaduz nach Wien. Er schloss dieses mit einer Arbeit zu den unterschiedlichen deutschen Übersetzungen der Les Fleurs du mal von Charles Baudelaire ab und lebte dort anschließend als freischaffender Autor. 1986 erschien sein erstes literarisches Werk, Der Holunder, eine Sammlung von Prosagedichten. Donhauser übersetzte Arthur Rimbaud und Francis Ponge aus dem Französischen. In seiner Lyrik und seiner lyrischen Prosa beschäftigt er sich mit Fragen der Form. Es geht ihm in seiner schriftstellerischen Arbeit weniger um Beobachtung als um Aufnahme des Wahrgenommenen. Die Frage nach der Zeitlichkeit, nach dem Vergehen und der Gleichzeitigkeit, steht im Zentrum seines Schaffens. Donhauser wurde dafür mit mehreren Lyrikpreisen ausgezeichnet.
Eine Woche zuvor war im Rahmen von Poetry@Rubens die Autorin Lena Schätte zu Gast in Siegen. Sie las aus ihrem Roman „Das Schwarz unter den Händen meines Vaters“. Das Schwarz an den Händen meines Vaters von Lena Schätte ist ein bewegender Roman über das Aufwachsen in einer Familie, die in den sogenannten einfachen Verhältnissen lebt und die zugleich, wenn es darauf ankommt, zusammenhält. Es ist ein harter, zarter Roman über die Liebe zu einem schwierigen Vater und den Weg ins Leben“, so der Verlag Fischer.