Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis
An der Marienkirche im thüringischen Mühlhausen wirkte der Prediger Thomas Müntzer.
Der Bauernkrieg stand im Fokus der letzten Veranstaltung von „Samstags um 12“ im Jahr 2025. Zu Gast war Prof. Dr. Thomas Kaufmann (Universität Göttingen). 2020 erhielt er den Leibniz-Preis. Er gehört zu den profundesten Kennern der Epoche der Reformation und der Frühen Neuzeit. Seine Forschungen und Publikationen zur Geschichte der Reformation, zu Martin Luther, den Täufern und zu der vor 500 Jahren die soziale, kulturelle und politische Welt grundlegend verändernden Medienrevolution, gelten als bahnbrechend. Bekannt ist Thomas Kaufmann auch aus der dreiteiligen „Terra X“ -Fernsehreihe „Der große Anfang – 500 Jahre Reformation“, die er als Fachberater begleitete, sowie aus der 20 Episoden umfassenden Fernsehproduktion „Die Deutschen“ von „Terra X“.
In Siegen hatte Kaufmann sein Sachbuch „Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis“ dabei.
Zum Auftakt der Veranstaltung ertönte das Lied „Wir sind Geyers schwarzer Haufen“, das sowohl von den Nationalsozialisten als auch später in der DDR als politisches Kampflied genutzt wurde. Es entstand in den 1920er Jahren aus Reihen der Bündischen Jugend. Kaufmann: „Mit dem Bauernkrieg an sich hat es wenig zu tun.“
Das Interesse an der Beschäftigung mit dem Bauernkrieg blieb über 500 Jahre nicht zuletzt deshalb erhalten, weil er „umstritten erinnert“ wird, auch in den bis 1989 bestehenden beiden deutschen Staaten. Noch kurz vor dem Zusammenbruch der DDR wurde in Bad Frankenhausen ein riesiges Bauernkriegspanorama eröffnet. Es erinnert an die Schlacht vom 15. Mai 1525, in der die Bauern niedergemetzelt wurden und der Prediger Thomas Müntzer gefangen genommen und alsdann am 27. Mai 1525 in Mühlhausen hingerichtet wurde. Das Panorama steht unweit des Kyffhäuser, in dem gemäß der Sage Friedrich Barbarossa schläft. Kaufmann: „In die Erinnerung an den Bauernkrieg fließen diffuse Geschichtsströme zusammen.“
Friedrich Engels deutete den Bauernkrieg als „deutsche Revolution von 1525“. Diese sei aus ähnlichen Gründen gescheitert wie die Revolution von 1848, nämlich weil das Bürgertum damals die Bauern und nun das Proletariat sich selbst überlassen und verraten habe. Eine exponierte gesellschaftsgeschichtliche Rolle erkannte Engels vor allem Müntzer und den thüringischen Bauernaufstand zu. In Luther sah Engels den Anwalt des bürgerlich-aristokratischen Lagers. Engels Blick auf den Bauernkrieg war prägend für die Geschichtsschreibung der DDR, wobei, so Kaufmann, die Aufständischen sich keinesfalls als „deutsch“ im Sinne eines nationalistischen Narrativs gesehen hätten.
Kaufmanns Herangehensweise an den Bauernkrieg ist anders. „Ich denke, der Bauernkrieg ist medial initiiert worden.“ Und weiter: „Er war das erste medial flankierte militärische Großereignis der europäischen Geschichte“. Eine Rolle spielten seit etwa 1500 so genannte Prognostiken. Aufruhr und Revolten der Bauern wurden auf Basis der Himmelskonstellationen für 1524 vorhergesagt. Thomas Morus‘ „Utopia“ war 1516 erschienen. Die Reformatio Sigismundi ging davon aus, dass kein Christenmensch Leibeigener sein darf. Die wirkungsreichste Publikation des Bauernkriegs waren die „Zwölf Artikel“, für die evangelische Bürger Memmingens verantwortlich zeichneten. Publiziert wurden diese in der Druckmetropole Augsburg. Ziel war, die soziale und ökonomische Situation der Bauern zu verbessern. Als Argumentationsgrundlage diente die Bibel. Die Memminger Bundesordnung ist ein konkurrierendes Druckwerk, das in zwei Druckfassungen erschien und nicht zuletzt darlegt, wie mit Konfliktsituationen umzugehen ist.
Im 19. Jahrhundert, so Kaufmann, versuchte die Geschichtsschreibung dem Bauernkrieg einen Sinn zu geben. Grundlegend war, dass „Adelige und Städter dabei über Bauern sprachen“. Im Zuge der politischen Inanspruchnahme des Bauernkriegs wurden nun ,Helden‘ kreiert. Thomas Müntzer ist dabei der einzige ,Held‘ des Bauernkriegs, der seinen Status zeitgenössischer publizistischer Aufmerksamkeit verdankt. Sie war vor allem der vernichtenden Polemik Martin Luthers und der Seinen geschuldet. Durch die Sichtweise von Engels wurde Müntzer zum Helden kommunistischer Ideale.