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Popularisierung von Geschichte in Massenmedien von der illustrierten Zeitung bis zum Computerspiel

Geschichte ist populär. In vielen verschiedenen Medien und Formaten begegnet sie uns immer wieder. Die zahlreichen Unterhaltungsbranchen nutzen Stoffe aus der Vergangenheit, um spannende Geschichten zu erzählen. Beliebte Themen tauchen wiederholt auf, bislang wenig bekannte Aspekte werden ausprobiert und bei Gefallen weiter ausgebaut. Es geht um Unterhaltung und um Vermarktung, nicht jedoch darum, wirklich Geschichte zu vermitteln, wie es der Anspruch schulischen Unterrichts oder gar wissenschaftlicher Forschung wäre.

Dennoch sind es genau diese populären Kontexte vom historischen Sachbuch bis zum digitalen Spiel, die Bilder und Vorstellungen von Geschichte, von bestimmten historischen Orten, Personen, Handlungen, Abläufen und Zusammenhängen immer wieder neu umsetzen und inszenieren. Diese Darstellungsformen bilden den Gegenstand der Forschung. Untersucht werden Ursprünge und Entstehungszusammenhänge, Weiterentwicklungen und Ausstrahlungen der verschiedenen populärhistorischen Ausprägungsformen auf vergangene und gegenwärtige Gesellschaften. Im Zuge einer sich zunehmend globalisierenden (Medien-)Welt lassen sich eventuell sogar Tendenzen einer sich parallel dazu globalisierenden Geschichtskultur nachweisen.

Hauptschwerpunkt der Forschungen bildet die Analyse digitaler Spiele, einem der jüngeren Medien im Verbund derer, die Geschichte popularisieren. Die Computer- und Videospiele eignen sich gerade deswegen so gut, weil sie in sich bereits mehrere Medien vereinen und ein globales Medium darstellen. Digitale Vertriebswege ermöglichen es selbst kleinsten Firmen, ihre Produkte weltweit zu vertreiben. Das wiederum erfordert bei Spielen mit historischen Inhalten eine präsentierte Geschichte, die überall verstanden werden kann. Ein weiterer Vorteil liegt in der Interaktivität der Spiele, die somit mehr Möglichkeiten bieten, Geschichte zu präsentieren und zu rezipieren. Schließlich ist das digitale Spiel inzwischen ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor geworden, der Jahr für Jahr immer mehr Menschen für sich einnimmt. Im Bereich der Erforschung populärer Geschichte in Computer- und Videospielen wurde am Lehrstuhl in den letzten zehn Jahren einige Grundlagenarbeit geleistet:

  • Angela Schwarz: Geschichte im digitalen Spiel. Ein "interaktives Geschichtsbuch" zum Spielen, Erzählen, Lernen?, in: Vadim Oswalt, Hans-Jürgen Pandel (Hrsg.): Handbuch Geschichtskultur im Unterricht, Frankfurt/M. 2021, S. 565-612

  • Angela Schwarz: Quarry – Playground – Brand: Popular History in Videogames, in: Martin Lorber, Felix Zimmermann (Hrsg.): History in Games. Contingencies of an Authentic Past (Studies of Digital Media Culture, Bd. 12), Bielefeld 2020, S. 25-45

  • Angela Schwarz: Game Studies und Geschichtswissenschaft, in: Klaus Sachs-Hombach/Jan-Noël Thon (Hrsg.): Game Studies. Aktuelle Ansätze der Computerspieleforschung, Köln 2015, S. 398-447

  • Angela Schwarz: Computerspiele – ein Thema für die Geschichtswissenschaft?, in: dies. (Hrsg.): "Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen?" Eine fachwissenschaftliche Annäherung an Geschichte im Computerspiel, Münster 2010, S. 7-28

  • Angela Schwarz: "Wollen Sie wirklich nicht weiter versuchen, diese Welt zu dominieren?" Geschichte in Computerspielen, in: Barbara Korte/Sylvia Paletschek (Hrsg.): History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009, S. 313-340

Gleichzeitig wurden einzelne Aspekte populärer Geschichte in den Spielen in den Fokus genommen, seien es bestimme Menschen, Bilder, Handlungsoptionen, Erzählungen oder Erinnerungskulturen:

  • Tom Pinsler/Milan Weber: Auf (Zeit-)Reisen durch Böhmens Wälder – Zur Erinnerung an das populäre Mittelalter im digitalen Spiel Kingdom Come: Deliverance, in: Diagonal, H. 43: Zum Thema: Erinnerung, 2022, S. 189-214

  • Angela Schwarz/Jan Pasternak: Den Pott spielen? Bilder vom Ruhrgebiet in digitalen Spielen des 21. Jahrhunderts, in: Forum Geschichtskultur Ruhr, Nr. 2, 2019, S. 44-46

  • Angela Schwarz: Wie der Geheimagent seiner Majestät auf der Titanic den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vereitelte. Kontrafaktische Gedankenexperimente im Computerspiel, in: Isabel Kranz (Hrsg.): Was wäre wenn? Alternative Gegenwarten und Zukunftsprojektionen um 1914, München 2017, S. 181-204

  • Angela Schwarz: Erzählen vom Ersten Weltkrieg – Erinnern im Computerspiel? Narrative Elemente in Valiant Hearts, in: Thomas Schleper (Hrsg.): Erinnerung an die Zerstörung Europas. Rückblick auf den Großen Krieg in Ausstellungen und anderen Medien, Essen 2016, S. 95-102

  • Angela Schwarz: Bunte Bilder – Geschichtsbilder? Zur Visualisierung von Geschichte im Medium des Computerspiels, in: Benjamin Beil/Marc Bonner/Thomas Hensel (Hrsg.): Computer | Spiel | Bilder, Glückstadt 2014, S. 219-253

  • Angela Schwarz: Narration and Narrative: (Hi-)Story Telling in Computer Games, in: Florian Kerschbaumer/Tobias Winnerling (Hrsg.): Early Modernity and Video Games, Newcastle 2014, S. 140-161

  • Jan Pasternak: "Just do it". Konzepte historischen Handelns in Computerspielen, in: Martina Padberg/Martin Schmidt (Hrsg.): Die Magie der Geschichte. Geschichtskultur und Museum (Schriften des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler, Bd. 3), Bielefeld 2010, S. 101-120

  • Angela Schwarz: Neue Medien – alte Bilder? Frauenfiguren und Frauendarstellungen in neueren Computerspielen mit historischen Inhalten, in: Bettina Alavi (Hrsg.): Historisches Lernen im virtuellen Medium (Schriftenreihe der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, Bd. 54), Heidelberg 2010, S. 31-53

Einen komprimierten Überblick über die großen Linien der Erforschung populärer Geschichte in digitalen Spielen, wie sie am Lehrstihl für Neuere und Neuste Geschichte in den letzten gut 15 Jahren gezogen wurden, bietet eine Anfang 2023 erchienene Monographie von Angela Schwarz, die zugleich mit der Frage nach der Wissensvermittlung und der Rolle von Frauenfiguren in historischen Kontexten zwei weitere inhaltliche Aspekte des Themenfeldes aufgreift.

  • Geschichte in digitalen Spielen. Populäre Bilder und historisches Lernen, Stuttgart 2023

Für die Zukunft werden weitere Bereiche interessant, darunter die Frage nach nationalen Elementen in einem multinationalen Medium oder die Analyse der tatsächlichen Rezeption der historischen Stoffe in den Spielen durch die Spielerinnen und Spieler.

Das zweite wichtige Medium, das am Lehrstuhl intensiver auf seine Vermittlung von 'Geschichtswissen' hin untersucht wird, ist die illustrierte Zeitschrift. Als eines der ersten visuell geprägten modernen Massenmedien erfüllten die Zeitungen im 19. Jahrhundert eine sehr ähnliche Funktion, wie es in der heutigen Zeit die digitalen Spiele (neben anderen Medien) tun. Auch vor 150 Jahren war die Globalisierung schon so weit fortgeschritten, dass vor allem die Bilder der Zeitschriften bereits transnational genutzt wurden, obschon die jeweilige Leserschaft damals noch deutlich national homogener geprägt war, als man dies für die Zielgruppen heutiger Medienproduktionen annehmen muss. So konnten sich bereits in einer frühen Phase der Existenz moderner Massenmedien Netzwerke von Produktion und Distribution etablieren, die vor allem für die Verbindungen zwischen Großbritannien und Deutschland in den Forschungen am Lehrstuhl eine wichtige Rolle spielen:

  • Angela Schwarz: Intersecting Anglo-German Networks in Popular Science and their Functions in the Late Nineteenth Century, in: Heather Ellis/Ulrike Kirchberger (Hrsg.): Anglo-German Scholarly Networks in the Long Nineteenth Century (History of Science and Medicine Library, Bd. 43), Leiden/Boston MA 2014, S. 65-83

Die historischen Stoffe, die in den Zeitschriften des vorletzten Jahrhunderts verarbeitet wurden, waren ebenso vielfältig, wie es das Angebot an 'Geschichte', das uns auch heute noch in allen Medien begegnet. In einer Zeit, in der Geschichte nach dem Verständnis einiger Zeitgenossen von großen Männern gemacht wurde, lag es nahe, dass sich eben diese als Heldenfiguren für ein breites Publikum popularisieren ließen:

  • Tobias Scheidt: Erfinderhelden im Kulturtransfer. Transnationale Konstruktionen in populären britischen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts, in: Heike Bormuth/Sebastian Demel/Daniel Franz (Hrsg.): Helden über Grenzen. Transfer und Aneignungsprozesse von Heldenbildern (Mannheimer Historische Forschungen, Bd. 36), St. Ingbert 2016, S. 95-116

Ebenso wurde aber das vor allem in bürgerlichen Schichten aufkommende Bedürfnis nach geschichtstouristischem Erleben aufgegriffen und als eine Art 'Lesereise' in bebilderten Artikeln und Reportagen verarbeitet:

  • Tobias Scheidt: "Spots in which the past is most at home". Populäre Zeitschriften als Medien des Geschichtstourismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Angela Schwarz/Daniela Mysliwietz-Fleiß (Hrsg): Reisen in die Vergangenheit. Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert (TransKult. Studien zur transnationalen Kulturgeschichte, Bd. 1), Wien/Köln/Weimar 2019, S. 99-136

Die intensive Beschäftigung mit der illustrierten Zeitschrift als historischer Quelle führte zu weiteren Studien jenseits der Popularisierung geschichtsbezogener Inhalte. Denn die Zeitschriften legen beredtes Zeugnis darüber ab, welche Themen zu bestimmten Zeiten populär waren und die Menschen bewegten und interessierten. So lassen sich anhand der Berichte in den Illustrierten aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts Rückschlüsse darauf ziehen, wie zumindest ein Teil der damaligen Gesellschaft das Wochenende als ein wichtiges Element der persönlichen Freizeitkultur zu entdecken und aufzufüllen begann:

  • Angela Schwarz: Die Erfindung des Wochenendes in der Presse der Weimarer Republik, in: Katja Leiskau/Patrick Rössler/Susann Trabert (Hrsg.): Deutsche illustrierte Presse. Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik (Mediengeschichte, Bd. 1), Baden-Baden 2016, S. 275-304

Ebenso spielten Zeitschriften als Informationsträger eine wichtige Rolle bei klassenspezifischen Abgrenzungsprozessen, mit denen sich vor allem die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts dem aufkommenden Druck durch eine sich emanzipierende Arbeiterschaft zu entziehen versuchte. Besonders in britischen Großstädten kam es zu einem regelrechten Slum-Tourismus, mit dem die Angehörigen der unteren Gesellschaftsschichten zu Objekten der Betrachtung durch höher gestellte Klassen degradiert werden sollten. Medien wie die Illustrated London News bedienten diese Neugier auf das Fremde vor der ‚eigenen Haustür‘ mit zahlreichen bebilderten Beiträgen. Auf diese Weise trugen sie wesentlich mit dazu bei, ein bestimmtes Bild der Menschen und ihrer Lebensumstände zu festigen:

  • Angela Schwarz: "EastEnders": Zur Konstruktion des neugierigen Blicks auf die städtischen Unterschichten in der Illustrated London News, in: Natalia Igl/Julia Menzel (Hrsg.): Illustrierte Zeitschriften um 1900. Mediale Eigenlogik, Multimodalität und Metaisierung, Bielefeld 2016, S. 281-307

Neben den digitalen Spielen und den illustrierten Zeitschriften widmen sich die Forschungen am Lehrstuhl auch anderen Medien und Formen von Geschichtspopularisierung. Dazu gehören 'billige Bilder' wie die um 1860 aufkommenden Reklamesammelbilder, aber auch Veranstaltungen wie die Weltausstellungen, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zu den größten Massenevents überhaupt zählten. In den letzten Jahren kam mit dem Geschichtstourismus noch eine neue Form der Popularisierung von historischen Stoffen hinzu, die sich aktuell zu einer weiteren zentralen Säule der Forschungen zu Geschichtspopularisierung am Lehrstuhl entwickelt:

  • Angela Schwarz: Pastness in the making. Von der Touristifizierung der verräumlichten Zeit in der Vergangenheit, in: Angela Schwarz/Daniela Mysliwietz-Fleiß (Hrsg): Reisen in die Vergangenheit. Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert, Köln/Wien/Weimar 2019, S. 25-44

  • Daniela Mysliwietz-Fleiß: Friedhofstourismus im 19. Jahrhundert als Reise in die Vergangenheit, in: Angela Schwarz/Daniela Mysliwietz-Fleiß (Hrsg): Reisen in die Vergangenheit. Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert, Köln/Wien/Weimar 2019, S. 233-261

Zukünftige Forschungen zielen auf die vertiefte Erforschung populärer geschichtstouristischer Konstruktionen und deren persönliche Aneignung durch Menschen im 19. Jahrhundert am Beispiel von illustrierten Zeitschriften und Weltausstellungen ab. Parallel dazu werden digitale Spiele als Träger geschichtstouristischer Elemente in den Blick genommen, die damit im 21. Jahrhunderts genau jene Funktion übernehmen, die der Illustrierten zwei Jahrhunderte zuvor zugefallen war.

 
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