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Populäre Geschichte in digitalen Spielen zwischen Mainstreaming und Diversifizierung

Teilprojekt B05 im Rahmen des SFB 1472 'Transformationen des Populären'

Projektstatus: laufend

Projektziel: Buchpublikationen

Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1472 Transformationen des Populären

Geschichte wird in der modernen Freizeitkultur nicht zuletzt durch digitale Spiele popularisiert: Vorstellungen von Geschichte im Allgemeinen und von historischen Personen, Orten, Ereignissen oder Epochen im Besonderen werden in einfachen ebenso wie in komplexen Videospielwelten aufgegriffen, übersetzt, modifiziert und inszeniert und von einer immer heterogener werdenden Spielerschaft rezipiert. Das Projekt untersucht sowohl die Transformation der Geschichte in populären digitalen Spielen als auch die Transformation dieser Spiele durch die Repräsentation populärer Geschichte. Gerade die Produktion der digitalen Spiele für einen globalen Markt lässt Rückschlüsse zu auf solche Geschichtskonstruktionen, die von ihren Produzenten für weltweit anschlussfähig gehalten werden und nicht selten Spielende aller Bildungsgrade anzusprechen vermögen. Daraus resultieren die beiden Hypothesen, die im Projekt überprüft werden: erstens die eines historical mainstreaming, das von den populärsten digitalen Spielen vorangetrieben würde und zugleich über die Forcierung entsprechender Narrative die Entwicklung dieser Spiele veränderte; und zweitens die einer historical diversification der populären Geschichte, die sich aus dem eher von lokalen, regionalen oder nationalkulturellen Einflüssen geprägten Umgang der Spielenden mit dem interaktiven Medium ergäbe.

Mit seiner stetig wachsenden Popularität reiht sich das digitale Spiel ein in die Angebote populärer Geschichte, die seit Jahrzehnten für einen anhaltenden Geschichtsboom im Unterhaltungssektor sorgen und als fester Bestandteil der Populärkultur das Verständnis von Geschichte nachhaltig prägen. Digitale Spiele greifen dabei auf seit dem 19. Jahrhundert popularisierte Bilder und Vorstellungen zurück, ermöglichen aber aufgrund ihrer medialen Spezifika, allen voran der Interaktivität, neue Umgangsformen mit bekannten Geschichtsnarrativen. Parallel dazu werden die ohnehin schon heterogenen Geschichtsbilder in den Nutzerkulturen noch weiter ausdifferenziert, während die Herstellerseite eher den größten gemeinsamen Nenner anstrebt. So spannen gerade digitale Spiele zwischen lokaler Aneignung und einer weltweit vermarkteten Ausgestaltung des Historischen einen Resonanzraum auf, der für die Frage nach der Popularisierung von Geschichte und ihrer Transformation bedeutsam ist. Das Projekt untersucht mit historiographischen Methoden die Spannung zwischen einem historical mainstreaming von Geschichte und einer historical diversification durch digitale Spiele.

Das digitale Spiel ist Agens und Objekt der Transformation des Populären. Als dynamisches Medium ist es zudem in der Lage, populäre Vorstellungen aus vielen Bereichen aufzugreifen und zu verarbeiten, so eben auch Popularisierungen von Geschichte. Dies trägt zum Wandel der Konzeption populärer Geschichte bei und erhöht deren Akzeptanz in den Bevölkerungskreisen, die das digitale Spiel als populäres Medium bereits für sich vereinnahmt haben. Um die Akzeptanz in weiteren Bevölkerungskreisen zu erhöhen, versuchen Entwicklerstudios in Einzelfällen bereits, ihre Spiele als Teil der Erinnerungskultur einer Gesellschaft einzuschreiben. So etablieren sie sich im Erfolgsfall als Vermittler von historischem Wissen neben schulischen, musealen oder wissenschaftlichen Kontexten. Daraus resultieren vielfältige Konflikte heterogenerer, oft auch asymmetrischer Akteursgruppen um die Deutungshoheit von Geschichte und die Entscheidung über die immer selektive Popularisierung von Geschichte. So dringt das Unterhaltungsmedium in Bereiche vor, die bislang einer populären Geschichtsdarstellung vorbehalten waren, die sich stärker an akademischem Wissen orientierte: Eine Popularisierung erster Ordnung im Sinne einer Verbreitung konsolidierten Wissens durch Experten weicht mehr und mehr einer Popularisierung zweiter Ordnung, in der Laien selbst über das zu verbreitende Wissen befinden und sich dabei primär an der messbaren Beachtung durch viele ausrichten. Dies hat signifikante Konsequenzen für Institutionen wie Schulen, Bibliotheken, Museen oder Sachbuchverlage, die sich traditionell als Sachverwalter des wissenschaftlich verbürgten historischen Wissens verstehen.

Das Besondere am digitalen Spiel ist seine Interaktivität. Sie ermöglicht den Spielenden im Rahmen der technischen Vorgaben einen deutlich selbstbestimmteren Umgang mit dem Medium und der in ihm enthaltenen Geschichte. Durch diese Form eigenständigen Handelns erweitert sich die Bandbreite möglicher Aneignungen noch einmal signifikant, was wiederum die Möglichkeiten des Umgangs mit Geschichte weiter ausdifferenziert. Nicht nur die Softwarefirmen und die mitunter von ihnen eingebundenen Fachleute sind befähigt, historisches Wissen zu präsentieren, sondern potentiell alle Spielenden, die ihre ganz eigene Geschichte spielen und – in Zeiten sozialer Medien – andere daran teilhaben lassen können. Die high/low-Differenz traditioneller Popularisierungsstrategien lässt sich so kaum unverändert aufrechterhalten.

Um Ergebnisse mit Blick auf die zentrale Frage nach der Ausbildung eines historical mainstreams oder der Ausdifferenzierung einer historical diversification beantworten zu können, gliedert sich das Projekt in drei eng miteinander verzahnte Arbeitsbereiche. Der erste dieser Bereiche erfasst die Popularität von Geschichte im digitalen Spiel auf Basis von Verkaufs- bzw. Nutzungszahlen und Charts für den deutschen Markt seit der Jahrtausendwende und definiert auf diese Weise, welche Spiele im Projekt als populär angesehen werden sollen. In einer Fallstudie zu Ordnung und Gewalt wird der Zusammenhang von popularisierten Vorstellungen politischer Ordnung und Strategien kriegerischer Gewalt anhand der Visualisierung historischer Staatskontexte bestimmt. Die Analyse der in den Spielinhalten präsentierten populären Geschichte und ihre Rezeption durch die Spielenden anhand der von ihnen selbst veröffentlichten Aussagen und darauf fußenden Diskussionen in öffentlich zugänglichen Communities ist die Aufgabe des zweiten Projektbereichs. Schließlich erschließt der dritte Bereich des Projekts in einer Oral History-Studie exemplarisch die durch die Nutzung von digitalen Spielen tatsächlich von den Spielenden rezipierte Geschichte.

 
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