Spielkultur denken: Perspektiven der Spielwissenschaft. Spielwissenschaftliche Tagung im Rahmen der Krönchen Convention
Das Veranstaltungsformat sieht vor, dass nicht nur über Spielkultur nachgedacht wird, sondern auch der aktive Austausch mit verschiedenen Spielcommunities gesucht wird. Die Tagung knüpft damit an die Durchlässigkeit zwischen Game Studies und Spielkultur an, die immer eine Stärke des Fachs gewesen ist, aber auch Probleme beinhaltet. Die Krönchen Convention ist eine Messe, die die Vielfalt der Spielkultur feiert, von Brettspielen über Tabletop und Pen & Paper bis hin zu digitalen Games. Tagungsort ist der Veranstaltungsort der Convention.

Text zur Tagung
Diese Tagung möchte den Begriff der Spielkultur im Singular als analytischen Fokus nutzen, um die kulturelle Bedeutung des Spiels in seinen vielfältigen Erscheinungsformen zu untersuchen. Dabei geht es nicht nur um Spiele im engeren Sinne, sondern auch um spielförmige Strukturen und Praktiken in Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Alltag. Spielkultur wird so verstanden als ein konstitutives oder katalytisches Element gesellschaftlicher Prozesse, das neue Perspektiven auf soziale Dynamiken eröffnet.
Das Doppelformat aus Convention und Fachtagung lädt zur Thematisierung der Balance von Nähe und Distanz zwischen Forschung und Spielkultur ein: Wie gehen wir als Forscher*innen mit problematischen Teilen der Spielkultur um? Wie intervenieren wir erfolgreich in Binnendiskurse, insbesondere angesichts reaktionärer Tendenzen innerhalb der Spielkultur (Gamergate, Authentizitätsdebatte)? Die Convention bietet die Chance, mit den Wissensbeständen der Communities in Kontakt zu geraten und sie in unsere wissenschaftliche Perspektive zu integrieren. Wir freuen uns auf einen produktiven Dialog und die Lebendigkeit, die die Community mitbringen wird.
Die deutschsprachige Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Spiels erlebt derzeit eine konzeptuelle Erweiterung: Während die Game Studies traditionell auf digitale Spiele fokussieren, öffnet die Spielwissenschaft den Blick für ein breiteres Verständnis von Spiel(en) als kultureller Praxis. Der Begriff der Spielkultur rückt dabei ins Zentrum: Er verweist nicht nur auf die Vielfalt spielerischer Artefakte und Praktiken, sondern auch auf das Spiel als Haltung, als spezifische Form des Weltbezugs, die sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten manifestiert. “Spielkultur” ist hier bewusst als Kollektivsingular gemeint, der das Gemeinsame in der Vielfalt unterschiedlicher Spielpraktiken und -gemeinschaften artikuliert: ein spielerischer Modus, der es erlaubt, Spielkulturen quer und zusammen zu analysieren.
Spiel und Kultur zusammen zu denken, zieht sich durch die Geschichte der Spielforschung: von den in verschiedenste Disziplinen ragenden Wurzeln des Faches bis hin zu seiner gegenwärtigen Form als institutionalisierte Game Studies. So formulierte der Kulturhistoriker Johan Huizinga bereits 1938, im Untertitel zu „Homo Ludens“, seine berühmt gewordene These, der Ursprung der Kultur liege im Spiel; und Brian Sutton-Smith dachte 1986 über „Toys as Culture“ nach. Öffentliche Spielveranstaltungen wie LAN-Partys ließen ab den 90er Jahren Gaming als ‚Subkultur‘ sichtbar werden, längst ist die „video game culture“ auch als Untersuchungsgegenstand am Schnittpunkt von Spiel- und Kulturwissenschaft identifiziert worden (Shaw 2010). Spiele spannen dabei nicht nur ihre eigenen kulturellen Räume auf, sondern werden als wichtiger Bestandteil der weiteren Gegenwartskultur wahrgenommen und erforscht (Muriel/Crawford 2018).
Spielforscherische Ansätze liegen nach wie vor verteilt vor, sie erstrecken sich über Fächer wie etwa die Board Game Studies, (digital) Game Studies, Medienwissenschaft, Pädagogik, die Sozial- und Literaturwissenschaften. Indem die kulturwissenschaftliche Perspektive quer zu diesen Ansätzen steht, kann sie eine integrative Funktion ausüben. Sie erlaubt es uns, ganz im Sinne einer Spielwissenschaft als erweiterte Play & Game Studies, spielförmige Phänomene und Praktiken als Produzenten und Bestandteile von Kultur in den Blick zu bekommen, völlig unabhängig davon, ob diese regelförmig ablaufen, unter Einsatz gewisser Medientechnik, oder mit dem Anspruch, Lerninhalte zu vermitteln. (Adamowsky 2014)
Tagungsprogramm
09:45 Begrüßung
10:00 Spannungsfeld 'Spiel': Spielkultur zwischen Stilen, Praktiken und Communities
Junes Albert / Luke Peukert, Universität Bayreuth
10:30 Eine, keine oder mehrere Spielkulturen? Zu den transzendenten Interferenzräumen zwischen digitalem und analogem Spiel
Michael Conrad, Universität Konstanz
11:00 Play Culture and the Psychology of Play
Federico Alvarez Igarzábal, HBK Essen
11:30 Play-Along: Ein methodischer Zugang zur Analyse von Spielkultur als gesellschaftliches Phänomen
Rouven Kaiser, Universität Augsburg - Zentrum für Klimaresilienz
12:00 Mittagspause
14:00 Dispositiv des Virtuellen: Total Refusals Machinima als kritische Spielpraxis
Jingwen Li, Universität Potsdam
14:30 Wer kennt die meisten Filme mit Bill Murray? Cinephile: A Card Game als Form der Filmvermittlung und Reifeprüfung
Christian Alexius, Philipps-Universität Marburg
15:00 Teufelsspiel?! Spielmechaniken und soziale Interaktionen in der Serie „The Devil’s Plan“
Ron Heckler, Deutsche Gesellschaft e. V.
15:30 Die Geschichte der In-Game-Konzerte: Ludomusical Performances von MUDs bis MMOs
Karina Moritzen, Universitat Oldenburg/Universidade Federal Fluminense
16:00 Das große Beben 5. Eine Fallstudie zum Einfluss der „Killerspiel“-Debatte(n) auf die Entwicklung der LAN-Szene in Deutschland
David Betzing, Universität Luzern, SNF-Starting Grant-Projekt "The Microcomputer as a Medium of Transformation in Europe, 1980-2000"
16:30 Wandern zwischen den Welten – Transmedialität und Ökonomisierung im Trading Card Game Magic: The Gathering
Martin Jehle, Philipps-Universität Marburg / Stiftung Universität Hildesheim
17:00 Mit Pöppel und Würfel durch die Landesgeschichte. Spielekultur in wissenschaftlich- bibliothekarischen Kontexten
Robin Reschke / Martin Munke, SLUB Dresden
17:30 Vom Glücks- zum Strategiespiel: Formen und Funktionen des Robinson-Spiels vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Jana Vijayakumaran, Universität Duisburg-Essen
18:00 Abschlussdiskussion
18:15 Ende des Tagungsprogramms
(Änderungen vorbehalten)
Hinweis zum Eintritt
Wir bitten um Anmeldung über die folgende Mailadresse: info@spielformen.net. Angemeldete Teilnehmer*innen der Tagung bekommen einen Rabattcode für das Con-Ticket, mit dem sie den ermäßigten Eintrittspreis zahlen.
Literatur
Adamowsky, Natascha (2014): Game Studies und Kulturwissenschaft. In: Klaus Sachs-Hombach Klaus/Jan-Noel Thon (Hrsg.): Game Studies. Aktuelle Ansätze der Computerspielforschung. Köln: Herbert von Halem Verlag.
Huizinga, Johan (1956): Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Band 21). Hamburg: Rowohlt.
Muriel, Daniel/Crawford, Garry (2018): Video Games as Culture: Considering the Role and Importance of Video Games in Contemporary Society. London: Routledge.
Shaw, Adrienne (2010): What Is Video Game Culture? Cultural Studies and Game Studies. Games and Culture, 5(4), 403-424.
Sutton-Smith, Brian (1986): Toys as culture. New York: Gardner Press, Inc.