Schwellen im Zugang zu Engagement: Siegener Professorin im Bundestag zu Gast
Die vier Sachverständigen vor der Anhörung im Paul-Löbe-Haus (v.l.): Katarina Peranić, Vorständin Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Prof. Dr. Chantal Munsch, Universität Siegen, Vorsitzende der Kommission für den Vierten Engagementbericht, Prof. Dr. Wibke Riekmann, Mitglied der Kommission für den Vierten Engagementbericht, Jan Holze, Vorstand Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
Schwellen im Zugang zu Engagement: Siegener Professorin im Bundestag zu Gast
Die Siegener Sozialpädagogin und Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Chantal Munsch hat im Ausschuss für Sport und Ehrenamt des Deutschen Bundestages zentrale Ergebnisse des Vierten Engagementberichts vorgestellt und mit Abgeordneten über Maßnahmen für mehr Chancengerechtigkeit im freiwilligen Engagement diskutiert. Munsch hatte als Vorsitzende der Sachverständigenkommission maßgeblich an der Erstellung des Berichts mit dem Titel „Zugangschancen zum freiwilligen Engagement“ mitgewirkt.
Im Mittelpunkt der Anhörung stand die Frage, warum bestimmte soziale Gruppen deutlich seltener an freiwilligen Aktivitäten teilnehmen als andere – und welche Folgen dies für die Demokratie hat. Der Bericht zeigt auf, dass Menschen mit geringem Einkommen, niedrigen Bildungsabschlüssen, Arbeitslosigkeit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft im Schnitt nur halb so oft engagiert sind wie privilegiertere Bevölkerungsgruppen. Diese Ungleichheit betrifft fast alle Engagementbereiche, vom Sport über Kultur und Religion bis hin zu Elternvertretungen in Kita und Schule. Besonders groß sind die Unterschiede in Vorstands- und Leitungsfunktionen, also dort, wo zentrale Entscheidungen getroffen werden.
Prof. Munsch machte in der Anhörung deutlich, dass diese ungleiche Verteilung kein Ausdruck mangelnder Motivation sei, sondern das Ergebnis struktureller Barrieren. Die Kommission identifiziert insgesamt 13 sogenannte Schwellen, die den Zugang zum Engagement erschweren – darunter finanzielle Belastungen, fehlende zeitliche Flexibilität, weniger Ansprache marginalisierter Gruppen, mangelnde Barrierefreiheit, fehlende Räume oder bürokratische Anforderungen. „Diese Schwellen führen dazu, dass viele Menschen sich nicht eingeladen oder nicht in der Lage fühlen, Verantwortung im Gemeinwesen zu übernehmen“, erklärte Munsch Die daraus entstehende Unterrepräsentanz könne das Vertrauen in demokratische Prozesse schwächen.
In ihrem Fazit betont Munsch zusammen mit ihrer Kollegin Prof. Dr. Wibke Riekmann, dass Engagement nur dann seine integrative Wirkung entfalten kann, wenn unterschiedliche Menschen reale Mitgestaltungsmöglichkeiten haben: „Politik und Zivilgesellschaft müssen deshalb sowohl die strukturellen Voraussetzungen verbessern als auch neue Initiativen stärken, in denen sich weniger privilegierte Gruppen selbst organisieren. Besonders wichtig sind langfristige Förderbedingungen, ein Ausbau kommunaler Begegnungsorte sowie eine starke Kinder- und Jugendarbeit, die frühzeitig Beteiligung ermöglicht.“
Die öffentliche Anhörung kann über die Mediathek des Deutschen Bundestages abgerufen werden: https://www.bundestag.de/mediathek/video?videoid=7645546
Weitere Informationen zum Vierten Engagementbericht finden Sie hier:
https://vierter-engagementbericht.de/