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Forschungsfeld 5: (Geschichts-)Tourismus als kulturhistorisches Phänomen

Zur Einführung


Der Tourismus, der sich parallel zu den zweckgebundenen Reisen zum Waren- und Informationsaustausch entwickelte und spätestens seit dem 18. Jahrhundert als eigenständiges Phänomen zutage trat, verfolgte kein anderes Ziel als das persönliche Erlebnis des Fremden, des Anderen. Der Zweck dieses Erlebnisses war es indes nicht, sich einzulassen auf die neuen Eindrücke, sondern vorgefasste Einschätzungen und Stereotype zu bestätigen. Letztlich stand im Mittelpunkt, sich in der Konfrontation mit dem Fremden der eigenen Identität bewusst zu werden. Ein Blick auf den Tourismus vergangener Zeiten lässt daher vorwiegend Erkenntnisse über die Reisenden entstehen, nicht über die bereisten Regionen, Völker und Nationen. Als breit gefächertes Phänomen des 19. Jahrhunderts bot der Tourismus verschiedene Kategorien von Zielen: Die aufgrund ihrer Kultur oder ihrer Modernität bedeutsame Stadt, die moderne Industrie und ihre Erzeugnisse, exotische Völker und Regionen und nicht zuletzt die Vergangenheit in Form von Überresten ihrer Zeugnisse. Vieles davon schrieb sich im 20. Jahrhundert im Zeichen eines neuen Massentourismus fort.

Zu diesem Forschungsfeld zählen folgende Themen:

  1. Die Reise ins Dritte Reich. Britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland (1933-39)

  2. Innenräume: Die Entdeckung der Fabrik als touristische Attraktion des deutschen Bürgertums im Übergang zur Moderne

  3. Die Reise in die Vergangenheit: Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert

1. Die Reise ins Dritte Reich. Britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland (1933-39)


Angesichts der politisch relativ stabilen Verhältnisse und des geringen Rückhalts der britischen Faschisten galten politische Eliten und die Gesellschaft Großbritanniens in den dreißiger Jahren als weitgehend unempfänglich für die diversen Angebote des NS-Regimes an die Deutschen, Duldung, Zustimmung oder sogar Begeisterung für seine Politik und seine Ziele zu entwickeln. Nur einzelne Verirrte habe es gegeben, die der Überzeugungskraft eines Hitler, dem internationalen Aufstieg Deutschlands oder anderen Elementen wie etwa einer perfekt organisierten Olympiade 1936 erlegen seien. Tatsächlich aber gab es von britischer Seite ein deutlich breiteres Spektrum an Reaktionen auf das NS-Regime, überraschend viel Anklang für die Maßnahmen der neuen Machthaber seit 1933 in vielfältigen Bereichen: im wirtschaftlichen Wiederaufbau, in den sozialpolitischen Aktionen, in der Organisation der Jugend, der Inszenierung des 'Führers', selbst in propagandistischen Großinszenierungen wie dem Reichsparteitag oder der Verfolgung politisch Andersdenkender. Kaum eine Gruppe veranschaulicht das so eindrucksvoll wie die Britinnen und Briten, die Deutschland zwischen 1933 und 1939 bereisten. Von Angehörigen des diplomatischen Dienstes über Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, der Kirchen, der Verbände und der Presse bis zu jenen, die im Land ihren Urlaub verbrachten, reichte das Spektrum. Wie die Analyse ihrer Reiseberichte belegt, bestand neben durchaus vorhandenen kritischen Deutungen ein erstaunliches Maß an Zustimmung zu dem, was man im Land gesehen und erfahren hatte. Sie beruhte oft darauf, Deutschland und den Nationalsozialismus zu trennen. So konnten Phänomene wie der Autobahnbau oder die vergleichsweise leichte Überwindung der Weltwirtschaftskrise als unpolitische oder gar ideologiefreie Leistungen gewürdigt werden.

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2. Innenräume: Die Entdeckung der Fabrik als touristische Attraktion des deutschen Bürgertums im Übergang zur Moderne


Fabriktourismus ist der Allgemeinheit vorwiegend als Phänomen der Gegenwart bekannt, beispielsweise in Form von Besichtigungen von Brauereien oder Produktionsstätten von Automobilen. Tatsächlich wurde die Fabrik im deutschsprachigen Raum jedoch schon ab den 1890er Jahren zunehmend zu einem Ort touristischer Neugier. So wie das Reisen in fremde Länder wurde auch die Erkundung des Unbekannten vor der eigenen Haustür besonders für das Bürgertum interessant. Davon zeugen nicht nur reich bebilderte Berichte in illustrierten Zeitschriften, sondern auch touristische Materialien wie Postkarten mit einem Gruß aus der Fabrik, Ablaufbeschreibungen der Besichtigungen von Besuchsgruppen aus den Akten der Unternehmen und Menükarten von mehrgängigen Festessen, die manche Unternehmen für Ihre Gäste ausrichteten. Damit rückten die Besuche in Fabriken auf eine Ebene mit den Reisen in exotische Länder, moderne Metropolen oder den Besuchen von klassischen Anziehungspunkten wie Museen. Die Motive der Besucher und Besucherinnen, das arbeitet das Forschungsprojekt heraus, waren neben der Neugier auf das Fremde, Unbekannte, die Suche nach der eigenen Identität in der fremden Umgebung der Werkshallen. Die Umwandlung des Arbeitsortes Fabrik in eine touristische Attraktion schuf einen neuen touristischen Raum, in dem sich das Bürgertum angesichts der doppelten Herausforderung durch zunehmend aggressiver vorgetragene Ansprüche sozialer Kontrahenten und durch die Krisenerscheinungen im Übergang in die Moderne neu erfand. Die Begegnung mit Technik wurde in diesem Zuge zu einem Spektakel, bei dem es weniger um die sachgerechte Erkenntnis, als vielmehr um das persönliche außerordentliche Erlebnis ging.

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3. Die Reise in die Vergangenheit: Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert


Zum touristischen Ziel kann seit den massiven sozialen, ökonomischen und kulturellen Transformationen der Moderne für Reisende all das werden, was das Bedürfnis anspricht, in eine wie auch immer geartete Ferne zu schweifen. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich außerdem eine große Neugier auf Geschichte entwickelt und verbreitet, bei der die Suggestion von Vergangenheit im Vordergrund steht. Wie beim Tourismus geht es bei dieser Begegnung mit Geschichte um das Außeralltägliche und die Erfahrung des Fremden und Fernen, in der die Vergangenheit wie ein Land anmutet, das sich bereisen und erkunden lässt. Es ist daher kaum erstaunlich, dass beide Phänomene heute wie in der Vergangenheit zusammenkamen und -kommen und daraus Geschichtstourismus als charakteristisches Phänomen und eigenständiges Erlebnis(-angebot) entstanden ist. Was aber macht die Geschichte als touristisches Ziel so attraktiv? Das Projekt vertritt die These, dass der touristische Blick auf die Geschichte vor Ort einen spezifischen Charakter aufweist, der sich von anderen Formen der Geschichtspopularisierung und ihren Rezeptionsweisen erkennbar unterscheidet. Aus dem tourist gaze, der Alltägliches in Außergewöhnliches überführt und so konsumierbar macht, und dem historical gaze als Bereitschaft, das Wahrgenommene als historisch einzustufen, entwickelt sich in der Moderne etwas Neues. Dieser Ansatz soll helfen, das Forschungsdesiderat eines geschichtstouristischen Analysemodells aufzuheben.

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