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Das Projekt untersuchte auf gesprächsanalytischer Basis kommunikative Praktiken des Publikums anhand von Pausen- / Foyergesprächen im Theater. Dazu wurde ein Datenkorpus mit Audioaufnahmen von 43 Pausengesprächen in zwei Theatern im Gesamtumfang von ca. 12,5 Stunden erhoben, an dem insgesamt 111 Probandinnen und Probanden, jeweils in Gruppen von 2 bis 4 Sprechern, teilnahmen. 37 der Gespräche wurden vollständig nach dem in der Gesprächslinguistik üblichen Transkriptionssystem GAT2 (als Minimal- oder Basistranskript) transkribiert. Auf der Basis der Audiodokumente und Transkripte wurde in einer gesprächsanalytischen Rekonstruktion das sprachlich-kommunikative Repertoire von Pausengesprächen im Theater ermittelt. Die Analysen bestätigen die Annahme, dass das Foyergespräch im Theater als soziale Situation an der Schnittstelle von öffentlicher Kunstinstitution und geselligem Ausgehvergnügen Kommunikation über Kunst mit Konversation und „Small Talk“ verbindet. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich zu vier Themenfeldern bündeln:
(1) Komplementär zu kritischen Positionen, die für derartige Sozialformen den Aspekt der sozialen Distinktion einseitig in den Vordergrund rücken, bringen die Analysen des Projekts auch sprachlich-kommunikative Merkmale ins Blickfeld, die in der Tradition bürgerlicher Geselligkeit den typischerweise hochkooperativen Charakter derartiger Gespräche hervorheben und zum institutionellen Aufgabenfeld der Publikumskommunikation im Theater in Beziehung setzen: Divergenzen hinsichtlich des Wissens und der Perspektive werden gesichtsschonend überbrückt und so sozial potenziell heikle Kunstkommunikation ermöglicht. Die Einsatzstellen für Bildungswissen bleiben nicht dem Zufall überlassen, vielmehr unterliegen sie der interaktionalen Themensteuerung, auf die rhetorisch geschickte Beteiligte durch Praktiken selbst- und fremdinitiierter Mikro-Partizipation Einfluss zu nehmen versuchen, wobei sie gleichzeitig Anforderungen des Beziehungsmanagements bedienen.
(2) Derartige Praktiken werden auf der Ebene der Interaktionsorganisation ermöglicht bzw. begünstigt durch Merkmale von Small Talk und Konversation, die auf deren vergleichsweise ungezwungenen Charakter verweisen: lokale Sensitivität (z.B. Bezugnahmen auf die Aufnahmesituation); die Gestaltung der Pause als Pause (z.B. Zeitmanagement; Formen des ‚homilëischen Diskurses‘); empraktische Einbettung des Sprechens (z.B. Gehen; Essen und Trinken); parallele Nutzung technischer Medien (z.B. Smartphone); abrupte Kontext- und Themenwechsel (z.B. von der Kunst- zur Scherzkommunikation) und Entlastung von Zugzwängen; abrupte Beendigung.
(3) Bezugnahmen auf die ästhetischen Erfahrungen während der Kunstwahrnehmung erfolgen in Theater-Pausengesprächen – im Kontrast zum Stellenwert der Beschreibung in der Kommunikation zur Bildenden Kunst – wesentlich über retrospektive, rekonstruktive sprachliche Verfahren. Derartige Rekonstruktionen, die auch sukzessive interaktional entwickelt werden, treten eingebettet in bewertende, erläuternde, argumentative, gemeinschaftsstiftende, unterhaltende oder gesprächserhaltende Rahmen auf und gehen stets mit einer Deutung bzw. Umdeutung der Inhalte einher, auf die sie sich beziehen.
(4) Dem Bewerten wird von den Beteiligten – ähnlich wie in der massenmedialen Zuschauerkommunikation und in anderen Bereichen der Kunstkommunikation – auch in den Pausengesprächen im Theater(-foyer) ein zentraler Stellenwert zugeschrieben, was sich u.a. in den typischen Gesprächseinstiegen über Bewertungen zeigt. Mit Blick auf die sequenzielle Struktur der Bewertungsinteraktionen lässt sich die in der Literatur anhand privater Alltagsgespräche herausgestellte Präferenz für Übereinstimmung teilweise auch beobachten; allerdings finden sich auch andere situations- und kontextgebundene Ausprägungen, indem z.B. – dem ungezwungenen Charakter der Interaktionsorganisation entsprechend – auf eine Erstbewertung gar nicht oder mit einer weiteren Erstbewertung eines anderen Sprechers reagiert wird.
Für Rekonstruktionen und Bewertungen ist dabei gleichermaßen charakteristisch, dass die fokussierten Bezugsobjekte und -ebenen ohne sprachliche Markierung fließend von der ästhetischen Darstellung über die Handlungsebene der Figuren bis hin zur Alltagswelt und zur gesellschaftlichen Wirklichkeit wechseln können. Die Aktualität der theatertheoretischen These, dass das Theater als Ort der Reflexion über die eigene Lebenswelt und die gesellschaftlichen Verhältnisse fungiert, wird damit erstmals über eine Analyse der alltäglichen Anschlusskommunikation des Publikums auch aus empirischer Perspektive gestützt.

 

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