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Buchvorstellung

Im Grenzland

Der Westen ist nicht nur der Spiegel aller Träume, er ist auch die Kristallisation der Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit der hier lebenden Zeitgenossen.

Ohne die Liebe einer wegweisenden Mutter wächst der Ich-Erzähler unter den strengen Augen der autoritären Großmutter auf – in einem trostlosen Land, wo ihn immer wieder das Fernweh packt. Geliebt hat er scheinbar noch nie und doch überrascht die mystische Anziehungskraft seiner Heimat den jungen Mann immer wieder, genauso, wie sie ihn kalt lässt. Estland ist Heimat und Heimatlosigkeit zugleich: ein Grenzland, ein Traum jenseits der Realität.

Nach dem Tod seiner Großmutter, seiner einzigen Bezugsperson, geht der junge Este nach Paris.

Als Übersetzer will er im glorreichen Westen ein neues Leben beginnen. Doch der dunkle, anonyme Koloss, in den sich die Großstadt so oft in der sensiblen Wahrnehmung des hier fremden Erzählers verwandelt, bringt ihm weder Liebe, noch Freude. Er erwartet nichts von den Menschen, sowie er nichts von sich selbst erwartet. Das Selbstmitleid eines osteuropäischen Atheisten kollidiert mit den Antagonismen des boomenden und ständig im Fortschritt begriffenen Zentrums Europas. Sein Leben in Paris ist ein wenig verirrt und vor allem einsam. Intimitäten mit verschiedenen Männern vermögen es auch nicht, die irgendwo zwischen kümmerlichen Plattenbauten und Plumpsklos verloren gegangene Liebe zurück zu bringen. Genauso, wie die Mitmenschen des Erzählers denselben als einen Fremden, einen armen Exoten wahrnehmen, so freundet der Erzähler sich bald mit dieser auferlegten Rolle an. Sein vermeintlich einziger heuchlerischer Lebenssinn besteht in der permanenten und sich vor sich selbst ekelnden Selbstdarstellung in Form von altmodischen Briefen an einen geheimnisvollen Halb-Engel.
Der Autor: Tõnu Õnnepalu

Tõnu Õnnepalu wurde 1962 in Tallin, der Hauptstadt Estlands, geboren. Er studierte von 1980-1985 an der estnischen Universität Tartu Biologie. Bis 1987 war Õnnepalu dann als Schullehrer tätig. 1985 lässt sich der Beginn seiner Karriere als Schriftsteller datieren. Damals veröffentlichte der Este drei Gedichtbände. Später versuchte sich Õnnepalu als Prosaist: mit einschlagendem Erfolg. Sein Debut-Roman Piiririik (Im Grenzland, 1997) von 1993, welchen er während eines längeren Parisaufenthaltes verfasste, wurde in 14 Sprachen übersetzt und damit zum meistübersetzten estnischen Roman der 90er Jahre. Auch inhaltlich war Im Grenzland sehr bedeutend für das ehemals sowjetische besetzte Estland in dem die Literaturszene maßgeblich von der Zensur bestimmt wurde. Õnnepalu setzt sich in dem Roman mit den Unterschieden zwischen Ost und West, zwischen Estland und Paris als dem florierenden Zentrum Europas auseinander. Kritiken bezeichnen den Autor als „Europa- Schriftsteller“.
Ein weiterer wichtiger Verdienst Õnnepalus sind viele Übersetzungen vom Französischen in das Estnische. So machte er dem estnischen Lesevolk die Werke von Autoren wie Charles Baudelaire oder Marcel Proust zugänglich.

Erhielt für Im Grenzland den Literaturpreis der Baltischen Versammlung.
Verfasserin: Melanie Fiergolla